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# taz.de -- Ausstellung im Schwulen Museum Berlin: Kampf und Party
> Erstmals wird das Werk von Petra Gall über die FrauenLesben-Bewegung
> ausgestellt. Die Fotografin hat die Szene über zwei Jahrzehnte lang
> begleitet.
Bild: Party „Nacht der bösen Mösen“ 19963 im SO 36
Eine Gruppe von Frauen, in Leder gekleidet, lachend, rauchend, wild tanzend
auf einer Party in Kreuzberg, irgendwann in den 1980er Jahren. Daneben: ein
wütender Protestzug am 8. März, vorn wird ein großes Transparent getragen:
„Mein Körper gehört mir“. Das sind nur zwei von vielen starken Momenten,
die die Fotografin Petra Gall (1955–2018) in ihrer Arbeit über die
FrauenLesben-Bewegung der 1980er und 1990er Jahre eingefangen hat. Aktuell
ist ein Teil ihres Fotomaterials in der Ausstellung „Feuer und Flamme dem
Patriarchat“ im [1][Schwulen Museum] zu sehen.
Neben Galls Aufnahmen werden künstlerische Arbeiten von Lena Rosa Händle,
Katharina Voß und Janin Afken gezeigt, die zusätzlich aktuelle Perspektiven
einbringen.
Die Ausstellung ist als Teil des Berliner Foto-Festivals entstanden. Die
Kurator*innen Birga Meyer und Collin Klugbauer wollen mit ihr auch und
vor allem die Errungenschaften der FrauenLesben-Bewegung feiern.
Petra Gall, erzählt Meyer, soll das Schwule Museum selbst gut gekannt und
sich bereits vor ihrem Tod 2018 um die Zusammenstellung ihrer Fotos
gekümmert haben, die in dieser Form noch nicht ausgestellt wurden.
Schon die Eröffnung im Juli sei „wirklich toll“ und ein beeindruckendes
Wiedersehen älterer Aktivist*innen aus der Szene gewesen, sagt Meyer
zur taz. „Auch die Forschung wurde jetzt schon dadurch angekurbelt, dass
Personen auf den Fotos wiedererkannt wurden.“
## Bewegung erkämpfte Räume
Gall zog 1981 nach Westberlin. Dadurch, dass sie selbst Teil der Szene war,
die sie über zwei Jahrzehnte fotografisch begleitete, zeigen ihre Arbeiten
eine lebendige und kraftvolle Innenansicht einer Bewegung, die die
Gesellschaft drastisch verändert hat. Und, wie Meyer sagt, „wahnsinnig
produktiv“ war.
Die FrauenLesben-Bewegung kämpfte nicht nur für rechtliche und ökonomische
Gleichstellung, sondern setzte sich auch gegen sexuelle Gewalt ein und
forderte das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Auf unterschiedlichen
gesellschaftlichen Ebenen wurden Räume erkämpft, die es für FrauenLesben
bis dahin nicht gegeben hatte.
So engagierten sich Feminist*innen bei Hausbesetzungen und schufen
autonome Frauenhäuser, während der Staat beim Schutz vor männlicher Gewalt
versagte. Sie gründeten feministische Gesundheitszentren, die patriarchale
Sichtweisen auf den weiblichen Körper hinterfragten und vieles mehr.
Gleichzeitig spielten auch Diskussionen um Rassismus, Antisemitismus und
rechte Gewalt in den 1990er Jahren eine zunehmende Rolle, und FrauenLesben
setzten sich für eine Entstigmatisierung und aktive Gestaltung lesbischer
Lebensentwürfe ein. Der damals gängige Ausdruck FrauenLesben verweist dabei
darauf, dass Frauen sowohl als Frauen diskriminiert, als auch von
Homofeindlichkeit betroffen sind.
Eine Ausstellung wie diese sei laut Kuratorin Birga Meyer auch wichtig, da
die Bewegung heute noch oft aus einer Perspektive betrachtet wird, die
negative Vorurteile in den Vordergrund stelle. Etwa, dass FrauenLesben ihre
Zeit hauptsächlich auf Plena und mit trockenen Auseinandersetzungen
verbrachten. „FrauenLesben wollten sich einen guten Platz in der Welt
verschaffen und dabei nicht nur Politik und Kunst machen, sondern auch Spaß
haben“, rückt Meyer dieses Stereotyp. „Die Bewegung wurde stark von einem
freudvollen und selbstbewussten Gestaltungswillen getragen. Das geht in den
Narrativen über sie manchmal unter.“
## Lesben als treibende Kraft
Die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Lesben innerhalb feministischer Räume
war lange Zeit alles andere als selbstverständlich, obwohl Lesben eine
treibende Kraft innerhalb der Bewegung waren. Viele Aktivistinnen
setzten in den Anfängen der Bewegung eher auf eine Gleichberechtigung mit
Männern als auf eine grundsätzlicheres Hinterfragen der Machtverhältnisse.
Lesben, die die Rolle der Frau komplett ablehnten, galten häufig als
rufschädigend für die Bewegung. Während lesbische Feminist*innen
solidarisch waren, wenn es um Probleme heterosexueller Genossinnen ging,
vermissten sie umgekehrt oftmals die Solidarität von Heteras. Gleichzeitig
verstärkte die Dominanz von schwulen Männern in der LGBTI-Bewegung die
fehlende Sichtbarkeit von lesbischen Frauen und ihrer Situation.
Die Diskriminierung lesbischer Frauen funktionierte schließlich anders als
die von schwulen Männern: Der Paragraf 175 richtete die staatliche
Verfolgung ausschließlich gegen schwule Männer, jedoch nicht aus Offenheit
gegenüber Lesben, sondern vor allem, weil Frauen die Freude an der Lust
abgesprochen wurde.
Dieser jahrhundertealten patriarchalen Erzählung setzten FrauenLesben in
den 1980er Jahren etwas entgegen durch die selbst geschaffenen sozialen und
kulturellen Freiräume. In diesen wurde nicht nur eine positive und
lustvolle Identität als Lesbe, Dyke, Butch, Frau, Schwarze, jüdische,
migrantische und queere Person gesucht.
FrauenLesben entdeckten ihre Körper auch jenseits des patriarchalen Blicks
und lebten ihre Sexualität unabhängig von Männern aus. Auf selbst
organisierten Partys und Konzerten wurde ohne männliche Blicke und
sexistische Anmache gefeiert und Musik gemacht. Auch diese sexpositiven
Entwicklungen und Prozesse der Bewegung dokumentierte Petra Gall.
Die feministischen Errungenschaften, die damals erkämpft wurden, scheinen
heute, in Zeiten, in denen Antifeminismus und rechte Dystopien wieder auf
dem Vormarsch sind, längst nicht mehr selbstverständlich. Umso mehr
bestärkt die Ausstellung durch ihr kraftvolles Portrait feministischer
Geschichte und den Verweis auf die Kontinuität selbstbewusster,
vielfältiger, feministischer Kämpfe, trotz rauer und widriger Verhältnisse.
[2][Feuer und Flamme dem Patriarchat]. Petra Galls Fotos der
FrauenLesben-Szene im Schwulen Museum. Ausstellung läuft noch bis 23.
Februar 2026
12 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.schwulesmuseum.de/
[2] https://www.schwulesmuseum.de/ausstellung/feuer-flamme-dem-patriarchat-petr…
## AUTOREN
Lea Wolters
## TAGS
Lesbenbewegung
Schwules Museum
SO36
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