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# taz.de -- Verfassungsreferendum in Guinea: Maßgeschneidert für den Juntachef
> Am Sonntag lassen Guineas Militärputschisten über eine neue Verfassung
> abstimmen. Sie soll General Doumbouya den Weg zur Präsidentenwahl ebnen.
Bild: „Ich wähle Ja“: Werbeplakat für die neue Verfassung in Guinea will …
Conakry taz | „Ich wähle Ja“, steht auf den kleinen Plakaten, mit denen
Conakrys Downtown-Distrikt Kaloum vollgepflastert ist. Drumherum gibt es
guineische Fahnen. Am Parlamentsgebäude hängen zwei riesige Banner mit dem
Gesicht von Guineas Präsident, [1][General Mamady Doumbouya], und der
Aufforderung nach einem Ja. Nein-Plakate gibt es in Conakry nirgends.
Am 21. September stimmen die knapp 6,77 Millionen registrierten Wähler in
Guinea – rund die Hälfte der Bevölkerung – über eine neue Verfassung ab,
die die seit 2021 herrschenden Militärs haben erarbeiten lassen. Das Ziel
von General Doumbouya ist klar: Er will es seinem Putschgenossen
[2][General Brice Oligui] in Gabun gleichmachen, der im August 2023
[3][putschte], im November 2024 bei einem Referendum eine maßgeschneiderte
neue Verfassung mit 91 Prozent der Stimmen beschließen ließ und im April
2025 mit 94 Prozent der Stimmen [4][zum Präsidenten gewählt] wurde.
Nach Guineas [5][Militärputsch im September 2021], als der gewählte zivile
[6][Präsident Alpha Condé gestürzt] wurde, war zwar zunächst eine
„Übergangscharta“ in Kraft getreten, die eine Kandidatur der Putschführer
bei zukünftigen Wahlen ausschloss. Doumbouya hatte sogar ausdrücklich
versprochen, dass „weder ich noch irgendein Mitglied des CNRD (die von ihm
geführte Militärjunta) bei kommenden Wahlen antritt“.
Aber aus dem jetzt zur Wahl stehenden Verfassungstext ist diese
Beschränkung verschwunden. Die neue Verfassung stärkt außerdem die Macht
des ohnehin sehr mächtigen Staatspräsidenten, seine Amtszeit wird von fünf
auf sieben Jahre verlängert und eine zweite Parlamentskammer wird
geschaffen, der Senat, dessen Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten
ernannt werden.
## Keine Chance für Gegner der Verfassung
Ein Nein zu dieser Verfassung ist nicht zu erwarten. Die einzige
Nein-Kampagne wird von der Kleinpartei Liberaler Block geführt, die bei den
Wahlen 2015 1,4 Prozent holte. Guineas wichtige politische Parteien,
zusammengeschlossen in der Koalition Forces Vives, rufen zum Boykott auf.
Aber sie können das nicht offen tun. Die Militärbehörden haben die bis 2021
regierende [7][RPG (Sammlung des guineischen Volkes)] und die damalige
Hauptoppositionskraft [8][UFDG (Union der demokratischen Kräfte Guineas)]
im August für 90 Tage suspendiert und die bei früheren Protesten
tonangebende zivilgesellschaftliche Koalition [9][FNDC (Nationale Front zur
Verteidigung der Verfassung)] aufgelöst.
So ist der Referendumswahlkampf ziemlich einseitig. Er besteht größtenteils
aus amtlichen Versammlungen, an denen Staatsbedienstete teilnehmen. In der
Stadt Kankan trat Doumbouyas Stabschef Djiba Diakité mit mehreren Ministern
auf und rief: „Kankan, bist du bereit für 100 Prozent Ja?“
Aber besonders viele Menschen waren nicht zu dieser Kundgebung gekommen,
obwohl Kankan die Heimatstadt Doumbouyas ist. Die Stimmung in Guinea ist
eher indifferent. „Doumbouya ist doch schon Präsident“, sagt Markthändler
Alseny in Conakry. „Die Regierung wirft viel Geld für diese Kampagne aus
dem Fenster, mit brandneuen Geländewagen. Sie sollte lieber die Straßen
reparieren.“
Für den 5. September – der vierte Jahrestag des Militärputsches – hatte d…
Oppositionskoalition Forces Vives zu Protesten gegen die neue Verfassung
aufgerufen, die sie als „Verrat“ bezeichnet, weil sie Doumbouya den Weg zur
Präsidentschaftskandidatur ebnet. Aber es regnete in Strömen, die Straßen
von Conakry blieben leer, nur gegen Abend gab es vereinzelte Zusammenstöße
von Jugendlichen und Sicherheitskräften, die massiv ausgerückt waren.
Schon am Vorabend waren Polizei und Armee auf Patrouille in Conakrys
Wohngebieten gewesen, schüchterten die Leute ein und verhafteten mehrere
Oppositionsaktivisten. „Ich verstecke mich, ich fürchte die Festnahme“,
schrieb UFDG-Sprecher Souleymane Souza Konaté über Signal.
## Getötete und Verschwundene
Die Repression in Guinea ist hart. Menschenrechtsgruppen sprechen von 59
Toten bei Protesten gegen die Militärherrschaft seit 2022. Es verschwinden
auch Menschen – ein Phänomen aus früheren Diktaturen, das es unter dem
zivilen Präsidenten Condé nicht mehr gegeben hatte.
Die zivilgesellschaftlichen Aktivisten Foniké Menguè und Billo Bah sind
seit über einem Jahr verschwunden, als Gendarmen sie entführten, sagen ihre
Familien. Die Behörden dementieren, damit etwas zu tun zu haben. Dieses
Muster hat auch den Journalisten Habib Marouane Camara und den früheren
Bergbauoffiziellen Saadou Nimaga getroffen.
Andere, wie der frühere Anwaltskammervorsitzende Mohamed Traoré, wurden
verschleppt, gefoltert und an einem entlegenen Ort wieder freigelassen. Der
Oppositionelle [10][Aliou Bah] wurde wegen „Beleidigung des Staatschefs“ zu
zwei Jahren Haft verurteilt, weil er Fälle des Verschwindenlassens
angeprangert hatte.
## Der Präsident vertraut seiner Armee nicht
Guinea wird nicht mehr „regiert“, sondern „kommandiert“, ist eine gelä…
Redensart in Conakry. Doumbouya hat es gar nicht nötig, selbst groß bei der
Verfassungskampagne in Erscheinung zu treten. Er hat auch bisher nicht
angekündigt, zur Präsidentschaftswahl antreten zu wollen – nur seine
Getreuen wiederholen das immer wieder. Die Wahl könnte noch in diesem Jahr
stattfinden.
Doumbouya pendelt zwischen dem Präsidentenpalast und seiner neuen Residenz
auf den Loos-Inseln vor Conakry hin und her. Nur selten tritt er öffentlich
auf und wenn, schweigt er und ist von Dutzenden schwerbewaffneten
maskierten Soldaten umgeben.
Er vertraut nur seinen Spezialkräften, die er vor dem Putsch kommandierte,
und nicht dem Rest der Armee. Offiziere, die dem gestürzten Condé loyal
waren, sind Säuberungen zum Opfer gefallen. Aber auch der von Doumbouya
ernannte neue Stabschef General Sadiba Koulibaly landete im Gefängnis und
starb unter ungeklärten Umständen.
## Oppositionsführer im Exil
Die Opposition trägt eine Mitverantwortung an ihrer Schwäche. Ihre
wichtigsten Führer leben im Exil. Ihre Anhänger im Land riskieren ungern
ihr Leben, wenn ihre Anführer das nicht selbst wagen.
Mit der Altersbegrenzung von 80 Jahren für Präsidenten in der neuen
Verfassung wäre der 2021 gestürzte Alpha Condé – er ist 87 – von Wahlen
ausgeschlossen. [11][Cellou Dalein Diallo], Hauptoppositionsführer gegen
Condé und jetzt mit ihm gegen die Militärherrschaft verbündet, ist nur 73,
aber nach seinen Angaben haben guineische Diplomaten verhindert, dass er
sich in seinem Exil in Abidjan in der Elfenbeinküste als Wähler
registriert.
Druck von außen auf Guinea gibt es wenig. In ganz Westafrika sind
Militärregierungen in Mode gekommen. Die Militärregierung von Guinea spielt
gekonnt mit den Spannungen zwischen den Militärregimen in Mali, Burkina
Faso und Niger auf der einen Seite und der Regionalorganisation [12][Ecowas
(Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft)] auf der anderen. Ecowas will
nicht noch ein viertes Mitglied verlieren und ist daher mit Guinea
nachsichtig.
16 Sep 2025
## LINKS
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Mamady_Doumbouya
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Brice_Oligui_Nguema
[3] /Nach-dem-Sturz-des-alten-Familienclans/!5953336
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Gabun/!6082544
[5] /Militaer-verhaftet-Guineas-Praesidenten/!5799173
[6] /Putsch-in-Guinea/!5799245
[7] https://fr.wikipedia.org/wiki/Rassemblement_du_peuple_de_Guin%C3%A9e
[8] https://fr.wikipedia.org/wiki/Union_des_forces_d%C3%A9mocratiques_de_Guin%C…
[9] https://x.com/fndc_gn
[10] https://fr.wikipedia.org/wiki/Aliou_Bah
[11] /Praesidentenwahl-in-Guinea/!5720312
[12] http://ecowas.int/
## AUTOREN
Tangi Bihan
## TAGS
Guinea
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Fußball und Politik
Guinea
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