| # taz.de -- Tod durch Polizeieinsatz: Diskriminierung kann tödlich sein | |
| > Das Land ist verantwortlich für den Tod eines Kranken bei einem | |
| > Polizeieinsatz. Doch die Empfehlungen der LADG-Ombudsstelle werden nicht | |
| > umgesetzt. | |
| Bild: Mansamba Mutombo hält ein Foto seines infolge eines Polizeieinsatzes ges… | |
| Berlin taz | Der tragische Tod von Kupa Ilunga Medard Mutombo am 6. Oktober | |
| 2022 infolge eines Polizeieinsatzes war vermeidbar – und das Land Berlin | |
| trägt dafür die Verantwortung. Zu diesem Schluss kam die fachlich | |
| unabhängige LADG-Ombudsstelle nach umfangreichen Untersuchungen bereits vor | |
| einem Jahr. Doch weil die für die Polizei zuständige Innenverwaltung nicht | |
| auf die Handlungsempfehlungen der Ombudsstelle reagiert, wendet sich deren | |
| Leiterin, Doris Liebscher, nun an die Öffentlichkeit. „Nach drei Jahren | |
| kann man die Familie nicht länger hinhalten“, sagte sie am Montag. | |
| Das LADG ist das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz, das staatlichen | |
| Stellen die Diskriminierung von Menschen aufgrund Herkunft, Religion, | |
| Behinderung, Sprache und weiterer Kriterien verbietet. Bürger:innen, die | |
| sich diskriminiert fühlen, können sich an die Ombudsstelle wenden. Im Fall | |
| Mutombo hat dies der Bruder des Opfers, Kandu Mansamba Mutombo, im Januar | |
| 2023 getan. Insgesamt gibt es pro Jahr etwa 400 LADG-Beschwerden, laut | |
| Liebscher betrifft ein Drittel der Fälle Menschen mit Behinderung. Der Fall | |
| Mutombo sei insofern etwas Besonderes, als es erstmals um den Tod eines | |
| Menschen gehe. | |
| Die Ombudsstelle hält fest, dass Mutombo von der Polizei diskriminiert | |
| wurde, indem sie seine Rechte nach den Kategorien Behinderung und Sprache | |
| missachtete. Eine Diskriminierung aufgrund von Rassismus – Mutombo war | |
| Schwarzer – wurde auch untersucht, doch dafür konnten keine Beweise | |
| gefunden werden, sagte Liebscher der taz. Die Ombudsstelle empfahl eine | |
| öffentliche Entschuldigung bei Mutombos Familie inklusive Anerkennung der | |
| institutionellen Verantwortung für seinen Tod, die Zahlung einer | |
| Entschädigung in Höhe von mindestens 45.000 Euro sowie zahlreiche | |
| strukturelle Veränderungen, damit solche Todesfälle in Zukunft nicht mehr | |
| passieren. | |
| Doch bis heute habe die Senatsverwaltung für Inneres diese Empfehlungen | |
| nicht umgesetzt, erklärte Liebscher. Daher spricht die Ombudsstelle nun – | |
| fast auf den Tag genau drei Jahre nach dem Polizeieinsatz am 14. 9. 22 – | |
| eine „formelle Beanstandung“ gegenüber der Berliner Polizei aus. „Das ist | |
| unser schärfstes Schwert“, sagte Liebscher. Man wende es an, „weil bisher | |
| keine Abhilfe geschaffen worden ist“. | |
| ## Zahlreiche Fehler beim Polizeieinsatz | |
| Mutombo war schizophren und lebte in einem betreuten Wohnheim in Spandau. | |
| Er sprach kein Deutsch. Das Amtsgericht Spandau beschloss am 24. August | |
| 2022 seine vorläufige Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen | |
| Einrichtung, das Bezirksamt Spandau ersuchte die Polizei um Vollzugshilfe. | |
| Laut Ombudsstelle gab es bei dem Polizeieinsatz zahlreiche Fehler: Es war | |
| kein Dolmetscher zugegen und kein im Umgang mit psychisch Kranken | |
| geschultes Personal, zudem gab es trotz des zeitlichen Vorlaufs keine | |
| hinreichende Einsatzplanung. Diese Punkte seien eine Diskriminierung „durch | |
| Unterlassung“, so die Ombudsstelle. Auch die Öffnung des Zimmers von | |
| Mutombo sei rechtswidrig gewesen, wie der Polizeibeauftragte bereits vor | |
| zwei Jahren [1][in seinem Bericht] festgestellt hatte. | |
| Die Einsatzkräfte sprachen Mutombo auf Deutsch an. Als dieser nicht | |
| reagierte, versuchten die Beamten, ihn gewaltsam zu fixieren. Die | |
| Dienstkräfte hätten jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt erkennen müssen, | |
| dass „eine Eskalation des Geschehens drohte, die letztlich auch eintrat“, | |
| heißt es in der Beanstandung, die seit Montag [2][öffentlich zugänglich] | |
| ist. Dass die Beamten den Einsatz dennoch fortsetzten, erfülle den | |
| Tatbestand der „Diskriminierung durch aktives Tun“, so die Ombudsstelle. Es | |
| wurde Verstärkung gerufen, die gewaltsame Fixierung fortgesetzt, Mutombo | |
| herausgeführt und in Bauchlage zu Boden gebracht. | |
| Ein Zeuge habe gesehen, wie ein Beamter sein Knie in Mutombos Hals oder | |
| Schulter drückte, und gerufen, dass diesem die Luft ausgehe und man ihn | |
| aufrichten müsse, berichtete Felix Haßelmann, stellvertretender Leiter der | |
| Ombudsstelle. Dies sei aber erst geschehen, „als die unmittelbar | |
| beteiligten Dienstkräfte feststellten, dass Medard Mutombo nicht mehr | |
| ansprechbar war“, heißt es in der Beanstandung. Mutombo wurde reanimiert, | |
| erlangte aber das Bewusstsein nicht wieder. Er starb knapp drei Wochen | |
| später im Krankenhaus. | |
| ## Todes(mit-)ursache Diskriminierung | |
| Die genaue Todesursache ist bis heute nicht geklärt. Sie kann laut | |
| Beanstandung auf die Gewaltanwendung der Polizisten zurückzuführen sein | |
| oder auf die Stressreaktion wegen des Polizeieinsatzes. Dazu läuft ein | |
| Strafermittlungsverfahren, das zweimal eingestellt, [3][aufgrund der | |
| Beschwerde des Bruders aber im März 2024 wieder aufgenommen] wurde. | |
| Unabhängig davon, erklärt die Ombudsstelle, „steht mit an Sicherheit | |
| grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Pflichtverletzungen | |
| (mit-)ursächlich für den Tod von Medard Mutombo waren“. | |
| Nach Liebschers Darstellung hat sich der zuständige Referatsleiter der | |
| Polizei bei der Familie entschuldigt, eine Übernahme der Verantwortung und | |
| eine öffentliche Entschuldigung habe es aber nicht gegeben. Statt der | |
| Entschädigung habe die Innenverwaltung 6.744 Euro für die Bestattungskosten | |
| bezahlt, jedoch ausdrücklich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“. | |
| Zu den strukturellen Forderungen der Ombudsstelle gehören verbindliche | |
| Richtlinien für solche Polizeieinsätze, eine Anpassung von Aus- und | |
| Fortbildungsinhalten bei der Polizei, die Vergabe einer unabhängigen Studie | |
| zu Polizeieinsätzen mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen sowie | |
| die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Umsetzung dieser Empfehlungen. | |
| Die Innenverwaltung erklärte auf taz-Anfrage, „strukturbezogenen | |
| Empfehlungen konnte weitgehend gefolgt werden, zumal entsprechende | |
| Maßnahmen im überwiegenden Teil zuvor schon bestanden oder durch die | |
| Polizei Berlin bereits ergriffen wurden“. Zudem habe die Polizei | |
| „Optimierungsprozesse angestoßen“ und die Innenverwaltung „weitergehende | |
| Handlungsanweisungen ausgesprochen“. | |
| ## Verantwortung abgeschoben | |
| Die Ombudsstelle begrüßt dies, weist aber darauf hin, dass eine | |
| Überprüfung, ob die Maßnahmen strukturelle Abhilfe schaffen, nicht möglich | |
| ist. Man habe dazu nachgefragt, zuletzt am 11. Juni, darauf habe die | |
| Verwaltung nicht mehr reagiert. | |
| Verantwortlich für den Einsatz sieht sich die Innenverwaltung nicht. Ein | |
| Sprecher erklärte der taz, der Bezirk Spandau sei für die Vorbereitung des | |
| Einsatzes, Dolmetscher und „die Berücksichtigung krankheitsbedingter | |
| besonderer Bedürfnisse“ verantwortlich – Entschädigungsforderungen hätten | |
| sich mithin an ihn zu richten. Liebscher bestreitet dies: Die | |
| Rechtsprechung hierzu sei eindeutig. | |
| 15 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ungeklaerter-Polizeieinsatz/!5967716 | |
| [2] https://www.berlin.de/sen/asgiva/presse/downloads/ | |
| [3] /Tod-von-Medard-Mutombo/!6000342 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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