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# taz.de -- Männer-Bundesligaauftakt: Fußball als Schweinsbraten
> Der 1. FC Nürnberg, einstmals Rekordmeister, spielt mit seinen Männern
> gar nicht mehr in der Bundesliga. Das ist wohl besser so.
Bild: Und dann verkackt man gegen Illertissen: Nürnberg scheidet im DFB-Pokal …
Am vorvergangenen Freitag war [1][Neven Subotić] im ARD-„Morgenmagazin“.
Subotić hatte mit dem BVB zwei deutsche Meisterschaften gewonnen und mit
Anfang zwanzig etliche Millionen auf dem Konto. „Mit den Titeln kam Geld,
und mit dem Geld kam die Dummheit“, erzählte er, und sein Gegenüber, der
Moderator Sven Lorig, guckte exakt so drein, wie er ist: bohnendoof.
Ob er nicht die „aufsehenerlebenden Sachen“, die mit dem Fußball
zusammenhingen, vermisse, fragte der Schnatterganter Lorig, und Subotić,
der ein Deutsch spricht – ohne „mega“, „definitiv“ und „absolut“ …
Lorig nicht einmal zu träumen vermag, verneinte: „Bitte nicht mehr ins
Stadion! Der Fußball hat keine Rolle mehr“ – weshalb dieser nachdenkliche
Menschenfreund sein Vermögen in die Entwicklungshilfestiftung „well:fair“
steckt.
Ich bin seit Längerem vom Fußball „schrottgenervt“ (Vince Ebert). Dem
gründlich ausgeprägten Gefühl der tiefen Bedeutungslosigkeit des medial
aufgeschäumten Rasengeschehens war allerdings ein zäher Prozess der
Abnutzung vorausgegangen, an dessen Ende eine dumpfe Ermüdung in meinen
Gliedern nistete.
In den Achtzigern saß ich regelmäßig beim Nachbarn morgens an der Werkbank
und erfuhr aus der Zeitung, wie Gladbach zwei Tage zuvor in Bukarest
gespielt hatte. Dazu der Geruch des Leims, die qualmende Schleifmaschine,
der niedersausende Hammer, der die Stahlnägel in die Ledersohlen trieb,
die artistisch ausufernden Schimpftiraden vom Hans – es waren Feierstunden;
sehr viel später noch die herzzerquetschenden Bundesligapartien Ende Mai
1999, die Klimax von alledem (der Hieb: Der Club stieg ab, unbegreiflich
ist’s nach wie vor), mit [2][Manni Breuckmann] und Günther Koch im Radio –
zeitliche Distanz und räumliche Ferne erzeugten einst eine Aura, die sich
aus der Kostbarkeit und den fehlenden Bildern speiste. Fußball war der
Schweinsbraten am Sonntag.
## Die Magie ist verdampft
Die Magie ist zerstoben und verdampft. Wir leben in einer terroristisch
totalen Gegenwart, die keine an Vorstellungspartikel und nackte, luftige
Wörter geheftete, seelisch weitende Erinnerung mehr zulässt, und allein aus
der erwächst kontinuierliche Hingabe. Stündlich werden „Topspiele“
ausgeschrien, ständig erquicken uns „Breaking News“ auf Sky (Coman nach
Saudi-Arabien verkauft, leck mich am Arsch!), der schwer belämmerte DFB
zelebriert in Spots „125 Jahre Fußballliebe“, Penunzen, PR,
[3][Technikfetischismus (VAR)], „Experten“, diese ganze geisttötende
Scheiße, vierhundert Sender, unablässig hechelnde Kommentatoren, die sich
extrem geil finden („Er kommt nicht komplett in die Streckung!“),
achttausend Podcasts, endlose Fieldinterviews, man hält die gebieterische
Andauerndheit nicht mehr aus.
Trotzdem schaue ich mir in meiner fränkischen Kneipe ab und zu den Club an,
um mich abzulenken vom Verlustschmerz. Und dann vergeigt es der maßlos
depperte FCN sogar gegen Illertissen. Ich nenne das einen „Traumstart in
die neue Saison“ (Stadionwerbebanner von Sky).
22 Aug 2025
## LINKS
[1] /Neven-Subotic-ueber-sein-Buch/!5883743
[2] /Fussballreporter-aus-dem-Pott/!5171188
[3] /Fans-und-VAR/!6070106
## AUTOREN
Jürgen Roth
## TAGS
Fußball
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