| # taz.de -- Die Wahrheit: Krieg der Steine | |
| > Neues aus Neuseeland: Sinnlose Touri-Trends gibts auch in Aoeterea. Jetzt | |
| > hofft man dort auf ein Naturwunder, das das dortige Trendproblem | |
| > beseitigt. | |
| Die Nachricht des Wunders ging um die Welt: Der kleinste Zwergkiwi namens | |
| Pukupuku, der längst als ausgestorben galt, wurde in der Wildnis der | |
| Südinsel aufgespürt. Während man den verschollen geglaubten Laufvogel | |
| feierte, der nicht mal fliegen kann, gingen andere bizarre | |
| Naturerscheinungen völlig unter. Reden wir also hier über den kopflosen | |
| Monsterfisch und die mysteriösen Steine von Tekapo. | |
| Im Juni stolperte Paul Leeming aus Christchurch am Strand über etwas, das | |
| wie eine angeschwemmte Rolle Teppich aussah. Das drei Meter lange Teil, | |
| silbrig blau und stinkend, war ein toter Riemenfisch (Regalecus glesne), | |
| auch als Bandfisch oder Haarschwanz bekannt: die längste Knochenfischart | |
| der Welt, deren Ausgeburten bis zu 8 Meter lang werden und sich in 300 | |
| Meter Tiefe aufhalten. | |
| In Japans Volksmythos gilt der Riemenfisch als „Botschafter vom Palast des | |
| Meeresgottes“ und kündigt ein Erdbeben oder einen Tsunami an. Dem | |
| Götterboten in Birdlings Flat fehlte der Kopf, was man als | |
| folkloristische Katastrophenwarnung so oder so deuten kann. „Er hatte | |
| überall Bisse“, berichtete Leeming. „Die Robben haben sich wohl bedient.“ | |
| Dieses Mysterium scheint gelöst. Aber weiter südlich hält sich ein anderer | |
| Irrglaube. | |
| Am malerischen Tekapo-See, eines der bestbesuchten Ziele der Südalpen, | |
| tummeln sich nicht nur Touristen am Ufer, sondern seltsame Gebilde, so weit | |
| das Auge reicht: aufgeschichtete Steinhaufen, wie man sie aus Tibet kennt. | |
| In Neuseeland dienen sie in freier Natur oft als Wegmarkierungen, wo | |
| Wanderzeichen fehlen. Doch irgendetwas ist in den letzten Jahren am See aus | |
| dem Ruder gelaufen. Schuld ist Instagram. | |
| ## Steine, nichts als Steine am Seeufer stapeln | |
| So wie verliebte Köln-Besucher auf der Hohenzollernbrücke Vorhängeschlösser | |
| ans Geländer hängen, so stapeln Tekapo-Besucher am Seeufer Steine | |
| aufeinander – in der Annahme, das sei eine dortige Tradition, weil sie | |
| Fotos davon kennen. Es ist aber nur ein sinnloser Touri-Trend, der | |
| Einheimische aufregt. „Das ist Vandalismus“, beschwert sich eine. „Nichts | |
| anderes, als mit einer Sprühdose das Ufer zu verschandeln.“ | |
| Als der Krieg der Steine vor zwei Monaten eskalierte, zog man Experten zu | |
| Rate. Eine Biologin warnte, dass das Umschichten des Bodens den Eidechsen | |
| ihre Schutzzonen raube. Eine andere verwies auf eine bedrohte Kräutersorte | |
| namens fish-guts plant (Fischdarmpflanze) am See. Das fragile Ökosystem | |
| müsse unangetastet bleiben: „Nehmt nur Eindrücke mit, hinterlasst keine | |
| Spuren.“ | |
| Der PR-Manager des Distrikts dagegen sieht es als Social-Media-Phänomen, | |
| das sich wieder legen wird. Er hält nichts davon, Verbote zu plakatieren, | |
| nach denen lautstark verlangt wurde. Es gibt bereits eines, das den Flug | |
| von Drohnen untersagt. Weitere Schilder würden das Ufer mehr verschandeln | |
| als die Steine, so das Argument. Kann man also nur auf ein weiteres Wunder | |
| der Natur hoffen, das das Problem beseitigt. | |
| 31 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Richter | |
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