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# taz.de -- Kulturgut Live-Ticker: Feinstes Fabulieren über Fußball
> Beim Lesen von handgefertigten Kommentaren zum Spielgeschehen im Netz
> geht unserem Autor einfach das Herz auf. Doch das Genre ist gefährdet.
Bild: „Mit Unterstützung der Latte“: Cristiana Girelli trifft zum 2:1 für…
So richtig weiß ich nicht, ob es immer noch eine nennenswerte Zahl von
Menschen gibt, die ein Fußballspiel über das Lesen eines Live-Tickers auf
einem News-Portal verfolgen. Wenn man unterwegs ist vielleicht. Bei der EM
wird ja jedes Spiel gestreamt. Und falls man noch genug Datenvolumen hat,
kann man sich’s ja einfach anschauen. Die spezielle Ticker-Prosa bleibt
einem dann allerdings verborgen.
„Dort stiehlt sich Girelli im Rücken von Reiten weg und köpft aus gut drei
Metern mit der Unterstützung der Unterkante der Latte das 2:1“, war [1][auf
kicker.de über das entscheidende Tor der Italienerinnen in ihrem
Viertelfinale gegen Norwegen zu lesen]. Da wäre es doch direkt schade, wenn
man zu diesem Text die Bilder sehen würde. So hat man die Möglichkeit, sich
auszumalen, wie es wohl aussehen mag, wenn eine Fußballerin den Ball mit
der Unterstützung der Unterkante der Latte einköpft. Hat sie sich
vielleicht mit einer Art Klimmzug an der Latte hochgehievt? Aber warum ist
dann von der Unterkante der Latte die Rede. Wie kann man die bei einem
Kopfball zu Hilfe nehmen?
Ein einziger Satz in einem Live-Ticker kann das ganz große Kopfkino
starten. Vielleicht ist es ja wirklich diese wunderbare Ticker-Sprache, die
geschätzt wird. Sie wirkt menschengemacht. Oder würde ein KI-Tool wirklich
so etwas schreiben? „Aus fünf Metern lässt sich Schalkes Top-Stürmer
natürlich nicht zweimal bitten.“ Okay, hier geht es offensichtlich nicht um
die EM. Es geht um schnöden Männerfußball.
## Mit Schalke in Tirol
Das Regionalportal derwesten.de [2][hat jemanden mit dem Zweitligisten
Schalke 04 ins Trainingslager nach Tirol geschick]t. Der Live-Ticker vom
Testspiel gegen St. Gallen darf da nicht fehlen. „Hamache dribbelt durch
die gesamte gegnerische Hälfte, tanzt im gegnerischen Strafraum noch zwei
Spieler aus – und scheitert dann an der Fußspitze des gegnerischen
Keepers.“ So schade das für Schalke sein mag, dass aus der Szene kein Tor
entstanden ist, so wunderbar ist sie beschrieben.
Das Portal hat noch mehr zu bieten. [3][Es begleitet auch den VfL Bochum
durch die Saisonvorbereitung]. „Das 1:0 für die Mannheimer geht in Ordnung,
ein 1:1 wäre aus Bochumer Sicht aber ebenso in Ordnung gegangen“, lerne ich
und habe beinahe ein wenig Mitleid mit dem Tickerer. Der muss eine
Einwechslung nach der anderen vermelden. Da bleibt kaum Zeit für
lesenswerte Tickerlyrik. Immerhin stellt er fest, dass Dieter Hecking nach
dem soundsovielten Wechsel auf ein 4-3-3-System umgestellt hat. Welches
System er vorher hat spielen lassen, steht leider nirgends.
Das enttäuscht mich dann doch. So wie es mich enttäuscht, dass es keinen
ausformulierten Live-Ticker vom Rückspiel der ersten Runde der
Qualifikation zur Männer-Champions-League zwischen Dynamo Minsk und
Ludogorez Rasgrad gibt. Da gibt es nur irgendwelches KI-Zeugs mit den
Spieldaten.
Ist das wirklich die Zukunft der Live-Tickerei? Ich möchte es nicht glauben
und erkläre das Tickern hiermit zum schützenswerten Kulturgut.
*Nur etwas Kleines
18 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.kicker.de/norwegen-gegen-italien-2025-frauen-europameisterschaf…
[2] https://www.derwesten.de/sport/fussball/s04/schalke-s04-wiesbaden-st-gallen…
[3] https://www.waz.de/sport/vfl-bochum/article409521146/live-vfl-bochum-testet…
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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Fußballlyrik
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Kolumne Nur öppis chliises*
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