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# taz.de -- SV Elversberg-Aufstieg: Der Dorfklub, der träumen darf
> Ein Dorf ohne Bahnhof, aber bald mit Bundesligisten? Wie es die SV 07
> Elversberg aus dem Saarland ganz nach oben geschafft hat.
Bild: Der Fanmarsch „SV 07 Elversberg“ zur Ursapharm-Arena an der Kaiserlin…
Wer das Verhältnis zwischen der Sportvereinigung 07 Elversberg und dem 1.
FC Saarbrücken verstehen will, muss sich nur mal auf den St. Johanner Markt
in Saarbrücken stellen, den belebtesten Platz des Saarlands. Einst sagte
über ihn ein Bürgermeister namens Oskar Lafontaine, er sei von der
Schmuddelecke zur „guten Stube“ der Landeshauptstadt aufgehübscht worden.
Zentraler Treffpunkt in dieser veritablen Ansammlung aus Kneipen, Bars und
Restaurants: das Sankt Jott, eine kleine Bar, aber mit gewaltiger
Strahlkraft. Verabreden muss man sich in Saarbrücken nicht, man trifft sich
am Markt, genauer gesagt: vorm Jott. Zumindest war das seit Ende der 70er
Jahre so – bis vor ein paar Jahren ein neuer Mieter einzog, den Kultladen
umbenannte und viele Kunden vertrieb. Die Neuen gehören nämlich zum
Firmenimperium von Frank Holzer, dem Boss der SV Elversberg, womit für
FCS-Fans klar ist: Do gehn mir nimmeh hin.
Elversberg ist eine ehemalige Bergarbeitersiedlung und Ortsteil der
Gemeinde Spiesen-Elversberg mit 7.900 Einwohnern. Dass genau diese sich
nach dem [1][2:2 im Hinspiel der „Dorf-Relegation“ gegen Heidenheim]
anschickt, Standort eines Fußballerstligisten zu werden, ist für die knapp
190.000 Bewohner der 16 Kilometer entfernten Landeshauptstadt in etwa so
schwer zu verknusen wie eine Niederlage im Elfmeterschießen.
Nur Bundesligist Hoffenheim ist als Teil von Sinsheim mit 3.300 Einwohnern
noch dörflicher, hat aber den Milliardär Dietmar Hopp als Geldgeber.
Elversbergs Hopp heißt Frank Holzer, geboren in Neunkirchen, der
Apothekervater gründet 1974 Ursapharm, vertreibt Augenmedikamente, die es
zuvor nur im nahen Frankreich gegeben hat. In seiner Kickerkarriere sah man
Holzer jr. als Jugendnationalspieler Mitte der 70er an der Seite von Felix
Magath auch drei Jahre das blau-schwarze Dress des FCS tragen. Danach
wechselte er zu Braunschweig in die Bundesliga, studierte Pharmazie und
stieg in Vaters Firma ein.
## Das Erfolgsgeheimnis: Ruhe
In seiner Freizeit gibt er den Trainer, steigt mit Viktoria Hühnerfeld in
fünf Jahren dreimal auf, übernimmt 1990 als Präsident und Gelegenheitscoach
den verschuldeten Tabellenletzten der Landesliga Nordost, den SV
Elversberg. Heute ist Holzer 72 und womöglich bald
Aufsichtsratsvorsitzender eines Bundesligisten. Wie konnte es so weit
kommen?
Ein Teil des Erfolgsgeheimnisses ist weder zu sehen noch zu hören: Es ist
die Ruhe. In Elversberg ist nix los, tote Hose. Die Gemeinde hat nicht mal
einen Bahnhof, keinen Rathausbalkon, auf dem man feiern könnte, und lang
ist es noch nicht her, dass sich die Kicker vor dem Match im Keller einer
benachbarten Kfz-Werkstatt umziehen mussten. Noch heute fahren die Profis
zum Training ins benachbarte St. Ingbert, die Jugend übt in vier weiteren
Nachbargemeinden und die Frauenteams in Grosbliederstroff, in Frankreich.
Was ebenfalls fehlt: Medieninteresse. Anders sieht es beim FCS aus, der
immerhin Gründungsmitglied der Bundesliga und fünf Jahre erstklassig war,
letztmalig 1993. Ergo: Im Gegensatz zum ständig dem vergangenen Ruhm
hinterherhechelnden FCS kommt Elversberg dem Ideal des
In-Ruhe-arbeiten-Könnens sehr nahe.
Und gearbeitet wird strukturiert und effektiv. Das Leitbild:
Gemeinschaftserlebnis, regionale Identifikation, familiäre Nähe,
Zielstrebigkeit, Professionalität, Nachhaltigkeit, Eigenständigkeit. Der
Kern des Klubs, die Trias Trainer/Sportdirektor/Vorstand, ist seit Jahren
unverändert und entsprechend eingespielt.
## Kompletter Mittelstand Saarlands an der Seite
Vereinspräsident ist mittlerweile Dominik, der Sohn von Frank Holzer,
unterstützt von den Cousins Marc und David Strauß, die sich um Verwaltung,
Marketing (rosa Fanschals!) und Vertrieb kümmern – ein sehr saarländisches
Modell. Im Gegensatz zum ständig vom nächsten Aufstieg fantasierenden FCS,
der seit Ende der 90er auf die Schatulle von Sponsor und Klubpräsident
Hartmut Ostermann angewiesen ist, hat Elversberg 400 Businesspartner und
damit fast den kompletten Mittelstand des Saarlands an der Seite.
Sogar eine Partnerschaft mit dem FC Bayern gibt es: Seit 2017 ist
Bayern-Fan Holzers in 80 Ländern aktives Unternehmen (350 Millionen Euro
Umsatz) der sogenannte Eye-Care-Partner des Rekordmeisters. Thomas Müller
und Manuel Neuer werben für die Augentropfen der Firma, und so erklärt sich
auch, warum ein Juwel wie Paul Wanner als Leihspieler ins Saarland geht.
Auch Stuttgarts Überflieger Nick Woltemade konnte leihweise nach Elversberg
gelockt werden.
Aber wie soll das funktionieren, wenn „Die Elv“ nun tatsächlich aufsteigt?
Bürgermeister Bernd Huf hatte vor einem Jahr schon gemeint: „Wir waren für
die 3. Liga nicht vorbereitet – und für die 2. Liga auch nicht.“ Holzer und
Co haben dagegen längst einen Plan: Nach dem Umbau der Ursapharm-Arena
sollen bis zum Jahr 2026 statt 10.000 dann 15.500 Fans reinpassen, ähnlich
wenig wie im von 39.000 auf 16.000 Zuschauer Fassungsvermögen geschrumpften
Ludwigsparkstadion des FCS in Saarbrücken.
Dort begann am Donnerstag der Vorverkauf für das Relegationsrückspiel in
Braunschweig – tags zuvor hatten die ersten Hardcorefans schon vor dem
Kassenhäuschen campiert. So weit sind sie in Elversberg noch nicht. Sogar
die [2][Deutsche Bahn spottet via Social-Media-Plattform Instagram] und
zeigt einen einzelnen Zugteil: „Unser Sonderzug für die Relegationsspiele
zwischen Heidenheim und Elversberg.“
25 May 2025
## LINKS
[1] /Elversberg-in-der-Bundesliga-Relegation/!6085994
[2] https://www.instagram.com/p/DJ1L4wbOmyj/
## AUTOREN
Thomas Becker
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