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# taz.de -- Die Wahrheit: Dildo der Lyrik
> Vor dem „Haus des Buches“ in Leipzig kommt es zum Fund eines obskuren
> Gegenstands mit weniger poetischer als prosaischer Strahlkraft.
Neulich begaben wir uns zum „Haus des Buches“ in Leipzig, das berühmt ist
für sein der schönen Literatur diametral entgegengesetztes Ambiente. Auch
drinnen vermählt es den Charme einer Sparkassenfiliale mit der
Gemütlichkeit einer Krankenhaus-Cafeteria. Einen Vorteil hat es zumindest:
Jeder Autor, der hier auftreten muss, kann sich sicher sein, dass das
feingeistige Publikum gegen große innere Widerstände und bei Unterdrückung
von aufsteigenden Abkotzattacken wirklich nur seinetwegen erschienen ist.
Karl tauchte ebenfalls auf, weil ein gemeinsamer Freund von uns an diesem
lieblichen Ort unbedingt seine Verse vorlesen wollte. Wir hatten was gut
bei dem Lyriker, der uns das antat.
Als Karl nach dem Schlüssel kramte, weil er sein Fahrrad anzuschließen
gedachte, kippte es auch noch mit lautem Krach zu Boden. Als er es
aufrichtete, lag da ein schwarzes Plastikteil. Er bat mich, das Fahrrad zu
halten, während er in die Hocke ging, um die Stelle am Fahrrad zu finden,
wo es hingehörte. Und dann sollte ich mir die Sache genauer ansehen, obwohl
wir beide keine Fahrradmechaniker waren, sondern Leute, die zu einer
Lyriklesung gehen. Wir wären die idealen Kandidaten für die Sendung „Dings
vom Fahrrad“ gewesen.
Nun kam uns Birte zu Hilfe mit Google Lens. Sie machte ein Foto mit ihrem
Smartphone von diesem schwarzen Teil, das sich so hartnäckig weigerte,
preiszugeben, zu was es gut wäre, rief den lieben Lens auf, der in den
Weiten des Internets danach fahnden sollte, was auf dem Foto zu sehen ist,
und siehe da: Google Lens war sich sicher, es handelte sich dabei um einen
Analdildo.
Karl, der den Gegenstand bis zu diesem Moment noch in der Hand gehalten
hatte, ließ ihn spontan fallen und wischte sich die Hand an der Hose ab. Es
drängte sich die Frage auf: Warum deponiert jemand einen Analdildo direkt
am Eingang vom Haus des Buches? Andererseits, why not! In Köln oder Berlin
– also richtigen Großstädten – würde man sich eher wundern, wenn dort ke…
Analdildo liegt.
Im – Pardon – „po“-vinziellen Sachsen mag das noch anders sein. Da legen
höchstens Jugendliche einen Analdildo vor das Haus des Buches und kichern
sich eins hinter der nächsten Ecke. Man muss aber dazu sagen, die Einzigen,
die jetzt hier kicherten, waren ein paar Lyriklesungsbesucher. Karl hob das
Teil wieder auf und steckte es mir in die Jackentasche. So ging das eine
Weile hin und her. Zwei Typen um die Fünfzig, die sich mit einem Analdildo
bewarfen. Es braucht wirklich nicht viel, um sich wieder jung wie ein
Fünfzehnjähriger zu fühlen.
„Wartet mal, Jungs!“, unterbrach Birte unser kesses Treiben, laut Google
Lens könnte es sich auch um die Abdeckung bei der Gangschaltung eines
Elektrofahrrades handeln. Doch für diese sehr vernünftig klingende Deutung
des Gegenstandes waren die beiden, von denen ich einer war, offenkundig
nicht mehr zu erreichen.
22 May 2025
## AUTOREN
Christian Kreis
## TAGS
Dildo
Männer
Lyrik
Kolumne Die Wahrheit
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