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# taz.de -- Geologische Forschung: Deutschland und Russland dem Erdkern am näc…
> Wir sind auf dem Mond gelandet und wollen weiter zum Mars. Eine Reise zum
> Mittelpunkt der Erde bleibt aus. Was tut sich da unter unseren Füßen?
Bild: Bohrturm im Geozentrum Windischeschenbach/Nordbayern
Ein Glück, dass im Mittelpunkt unserer Erde ein hochdichter Klumpen aus
Eisen und Nickel steckt. So groß wie der Mond und 5.000 Kilometer unter
unseren Füßen, erzeugt der Erdkern ein magnetisches Feld, das die
schützende Atmosphäre zusammenhält und uns vor tödlicher kosmischer
Strahlung und Sonnenwinden bewahrt. Ohne das Magnetfeld würde die
Atmosphäre zerstört und die Erde bald auskühlen. Am Ende wäre sie in etwa
so lebensfeindlich wie der Mars.
Forschende der University of Southern California wurden deshalb
entsprechend nervös, als sie feststellten, dass sich der Erdkern seit
einigen Jahren [1][immer langsamer dreht]. Würde der Erdkern irgendwann
stillstehen und sich die Atmosphäre auflösen, wie es einst auch auf dem
Mars geschehen ist?
Im Februar veröffentlichten sie eine Folgestudie mit weiteren Daten.
Offenbar ist die Oberfläche des Eisenkerns gar [2][nicht so fest wie
gedacht]. Seine Ausdehnung und Viskosität schwankt, und damit auch seine
Drehbewegung. Was der Erdkern in Zukunft so treiben wird, lässt sich
dadurch umso schwerer beantworten. Über den Mittelpunkt der Erde wissen wir
einfach zu wenig.
Das lässt Spielraum für fantastische Geschichten. Mitte des 19.
Jahrhunderts ließ [3][Jules Verne] einen Expeditionstrupp den isländischen
Vulkan Snaefellsjökull hinabsteigen, um dort auf unterirdische Meere zu
stoßen. Deren Ufer waren von exotischen Riesenpflanzen bewachsen und von
urzeitlichen Ungeheuern bewohnt. Im Science-Fiction-Film „The Core“ bohrten
sich ein paar Kernreisende in den Untergrund und stießen unterwegs auf
gewaltige Blasen voller Diamanten. Bis zum Erdkern selbst hat es niemand
geschafft, nicht einmal in fantastischen Geschichten.
Der Druck und die Hitze, die schon ein paar hundert Meter unter der Erde
drastisch zunehmen, würde kein Mensch überleben. Diese Faktoren sind es
auch, die dafür sorgen, dass es im Erdmantel zwischen Kern und Kruste nicht
mehr zu entdecken gibt als zirkulierende Gesteinsschmelze. Schon bei dem
zaghaften Versuch, dem Mantel etwas näher zu kommen, hat bislang jede
Technik und jedes Material versagt. Das tiefste Loch wurde 1989 auf der
russischen Halbinsel Kola an der Grenze zu Norwegen gebohrt. Der Bohrkopf
gab nach 12.262 Metern seinen Geist auf. Da war noch nicht einmal die
Hälfte der festen Erdkruste geschafft.
Das zweittiefste Loch der Erde wurde in Windischeschenbach gebohrt. Der
5.000-Seelen-Ort im Oberpfälzer Wald liegt auf dem Grundgebirge, wo vor 350
Millionen Jahren zwei Kontinente kollidierten. „Verschiedene Bereiche der
Erdkruste schoben sich dort übereinander und drückten tektonische Elemente
in greifbare Nähe“, erklärt Thomas Wiersberg vom Helmholtz-Zentrum für
Geowissenschaften. „Das machte die Gegend für die Grundlagenforschung
interessant.“
So bahnten sich bis Mitte der neunziger Jahre zwei Typen Bohrköpfe in die
Litosphäre: Rollenbohrmeißel, bei denen mehrere Stahlkegel gegeneinander
rotierten, und spitze Bohrkronen, die mit Diamantsplittern besetzt waren.
Um tiefer vorzudringen, wurde ans Ende einer jeden Bohrstange eine neue
aufgesteckt. Ein wackeliges Unterfangen. „Nach 9.101 Metern war Schluss“,
so Wiersberg. „Die Temperatur dort unten war höher als gedacht. 50 Grad
heißer als unter der Erde von Kola.“ Das Gestein an den Bohrköpfen begann
bereits zu schmelzen und plastisch zu werden, das Material versagte. 9 von
5000 Kilometern. Bis hinunter zum Erdkern bohren: unmöglich.
Heute gibt es nicht mehr allzu viel zu sehen von dem Wahnsinnsprojekt. Der
Bohrturm steht noch. Darunter ist ein mit einem Ventil versiegeltes
Bohrloch von rund 20 Zentimetern Durchmesser. Wer ein Steinchen
hineinwerfen würde und glaubt, eine knappe Minute auf ein Geräusch zu
warten, wäre enttäuscht. Das Loch ist mit Grundwasser gefüllt. Schon nach
sechs Metern würde das Steinchen „platsch“ machen.
Geforscht wird in Windischeschenbach noch immer; an den Probebohrungen,
der Hauptbohrung, dem geförderten Bohrmaterial, den über Jahre gesammelten
Daten. Die Geologinnen und Geologen versuchen unter anderem mehr über
Geogefahren herauszufinden, um vielleicht irgendwann Erdbeben
vorauszusehen. Außerdem wollen sie die nachhaltige Energieform der
Geothermie verbessern, etwa durch das gezielte Anbohren von Magma in zwei
bis vier Kilometer Tiefe.
Tiefer in die Erdkruste gebohrt wird bis auf Weiteres nicht. „Jeder weitere
Kilometer wird exponentiell teurer“, so Thomas Wiersberg. Unter steigernder
Hitze und steigendem Druck würde der Bohrstab unter seinem eigenen Gewicht
ächzen – und außerdem: Für die Forschung gibt es weiter unten nichts zu
holen. Keine Hohlräume, keine Urzeitwelten, keine Diamanten. „Das hätten
wir längst über seismologische Wellen entdeckt“, erklärt Wiersbergs
Kollegin Monika Korte. Sie erforscht die Geomagnetik auf der
gegenüberliegenden Seite der Erde. Die Wellen schwappen durch den Erdmantel
oder werden vom Erdkern abgelenkt. Hinzu kommen Modelle aus dem Magnetfeld,
die mehr über die unterirdischen Magmaströme verraten. „Andere Irritationen
gibt es nicht, die hätten wir gemessen.“
Eine theoretische Idee, doch noch mehr über des Planeten Kern
herauszufinden, gibt es trotzdem; auch wenn es eher
Science-Fiction-Träumereien für Filme und Serien sind. David Stevenson vom
California Institute of Technology sorgte in der Geologie einmal für
Aufsehen, als er seinen Plan vorstellte: Eine grapefruitgroße Sonde sollte
mit Schallwellen ihren Sinkflug zum Erdkern messen. Damit diese nicht
schmilzt oder zerquetscht wird, würde sie von 100.000 Tonnen Eisen
umschlossen sein.
Das Eisen würde man dann zu einem 300 Meter langen Keil formen, den man in
eine von einer Atombombe aufgesprengte Erdspalte ablassen würde. Mit 30
Kilometern pro Stunde würde der Keil mitsamt Sonde eine Woche lang durch
sein Eigengewicht hinab zum Kern gezogen.
Stevensons Idee liegt schon seit etwa zwei Jahrzehnten auf Eis. Einfacher
wäre die Reise zum Mittelpunkt der Erde, wenn der Mantel, den wir
durchqueren müssten, fester wäre. Tatsächlich kühlt die Erde auch
allmählich ab und erstarrt. Dann könnten die gesammelten Erfahrungen aus
Windischeschenbach noch einmal ausgegraben werden, um die ganz großen
Bohrprojekte anzutreiben. Bis der Erdmantel dafür jedoch kalt genug ist,
wird es noch Milliarden Jahre dauern.
12 May 2025
## LINKS
[1] https://today.usc.edu/usc-study-confirms-the-rotation-of-earths-inner-core-…
[2] https://www.eurekalert.org/news-releases/1072908
[3] /Jules-Verne-Klassiker-als-ZDF-Serie/!5820838
## AUTOREN
Philipp Brandstädter
## TAGS
Mitte
Erde
Probebohrung
Autismus
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