| # taz.de -- Ambivalente Frühlingsgefühle: Zwischen Frühlingstaumel und Freiz… | |
| > Kaum ist der Mai da, locken Sonne und Parks ins Freie – doch die schönste | |
| > Zeit des Jahres ist herausfordernd. Müssen wir wirklich alles mitmachen? | |
| Bild: Frühling in Berlin-Kreuzberg: Alle sitzen am Ufer des Landwehrkanals | |
| Nun steht er wieder vor der Tür, der liebe Monat Mai, auf den wir so lange | |
| gewartet haben! Und obwohl das Datum schon lange feststand, kommt er doch | |
| überraschend. Monate lange ging man durch das winterliche Grau, zählte die | |
| Tage und Wochen bis zum Frühling. | |
| Und dann ist es plötzlich soweit! Mein berühmter Heimatbezirk Kreuzberg ist | |
| im Mai am allerschönsten. So lange hatte man auf die kahlen Bäume im | |
| trostlosen Hinterhof gestarrt – und jetzt [1][ist alles grün] und die | |
| Kastanienbäume tragen weiße Blütenkerzen. | |
| Der Flieder blüht, der plattgewalzte Rasen in den Parks erholt sich, es | |
| wird von Tag zu Tag wärmer und alles strebt nach draußen. | |
| Gleichzeitig ist der Mai der Monat der Überforderung. Schon am Tag der | |
| Arbeit könnte man sich in Berlin zwischen Dutzenden angemeldeter | |
| Kundgebungen entscheiden, könnte antikapitalistisch, gewerkschaftlich, | |
| revolutionär, verkehrspolitisch radfahrend, queer -feministisch, satirisch, | |
| ravend gegen einen Zaun demonstrieren. Oder sich ganz unpolitisch auf | |
| mehreren Stadtfesten vergnügen. | |
| Und das Überangebot geht gerade so weiter! Schwimmbäder, Freiluftkinos, | |
| Biergärten eröffnen und auf einen Schlag soll man also, gerade eben mal von | |
| der Winterdepression in die Frühjahrsmüdigkeit gerutscht, letztere | |
| überwinden und outdoor-aktiv werden. | |
| Aber zum Glück wird die Boomerin mit der Zeit ja [2][immer gelassener] und | |
| hat den ruhelosen Aktivismus und die drängenden fomo (fear of missing | |
| out)-Gefühle der Jugend und mittleren Jahre hinter sich gelassen. | |
| ## Der Monat des stärksten Wachstums | |
| Kann ich den Frühling auch wirklich genießen? Bin ich lange genug draußen, | |
| hätte ich nicht schon längst das Fahrrad flott machen müssen? | |
| Hätte ich mich zu den anderen Tausenden jungen Müttern, alten Punks, | |
| Kleindealern, Freiberuflern und Langzeitarbeitslosen in den überbevölkerten | |
| Park gesellen müssen, die da stillen, chillen und grillen? | |
| Müsste ich mich nicht wie die anderen ausziehen, ausstrecken, bräunen, | |
| Frisbee, Fußball, Federball, Hacky Sack, Akustikgitarre oder Diabolo | |
| spielen? | |
| Guerillagärtnern? Muskeln ausdefinieren? Bälle jonglieren, Hunde | |
| rumkommandieren? Solche Fragen stellt sich der Mensch ab 50 nicht mehr. | |
| [3][Die Kleingärtnerin] ist sowieso nicht mehr auf öffentliche Parks | |
| angewiesen. Sie zieht es im Mai raus auf die Parzelle. | |
| Denn der Mai ist in der Natur der Monat des stärksten Wachstums und auch im | |
| Garten passiert alles auf einmal und auch für die Kleingärtnerin ist der | |
| Mai der Monat der Überforderung. | |
| Alles Mögliche könnte schon gepflanzt werden, wären die Beete vorbereitet. | |
| Das Gras steht hoch und wächst pro Tag 10 cm! Der Trend „No Mow May“ ( Zu | |
| Deutsch: Mähe den Rasen nicht im Mai und fördere damit die Artenvielfalt | |
| und schütze die Wildblumen) hat sich in der Kleingartenszene noch nicht so | |
| herumgesprochen. | |
| Wer im Mai nicht mäht, wird von den „Gartenfreunden“ im Verein schief | |
| angeguckt und muss im Juni dann mit der Sense ran, weil der Rasenmäher bei | |
| hohem Gras den Geist aufgibt. | |
| Zum Glück naht die nächste Kaltfront schon und verschafft uns eine kleine | |
| Schonfrist und ruhigere Maitage. | |
| 30 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christiane Rösinger | |
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