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# taz.de -- Brasilianische Insel Fernando de Noronha: Aufruhr im Paradies
> Die Bewohner eines brasilianischen Archipels kämpfen um politische
> Beteiligung. Sie leiden unter Tourismus, Wohnungsknappheit und hohen
> Preisen.
Bild: Das Paradies für Touristen, aber immer weniger für die Einheimischen
Salvador da Bahia taz | Wir leben hier wie in einer Monarchie, wo der König
bestimmt, wer ihn vertritt“, beklagte sich ein Einheimischer am Montag bei
einer Demonstration für Direktwahlen auf der brasilianischen Insel Fernando
de Noronha. In der Landespresse erscheint die Insel gemeinhin als Paradies.
Noronha vereint gleich [1][drei der schönsten Strände des Landes] auf sich,
ist seit 1988 als Naturpark ausgewiesen und seit 2001 als [2][Unesco
Weltnaturerbe] geschützt. Bezahlbar ist das Traumziel vor allem für
Ausländer, Politiker und den weißen Jetsettern des Landes. Die strengen
Auflagen gelten hingegen vor allem für Einheimische.
Seit der erste Eroberer 1503 auf dem 18 Hektar großen Archipel landete und
„Hier ist das Paradies“ ausrief, wechselte die Inselgruppe mehrmals ihren
Besitzer und ihre Bestimmung. Von der Gefängnisinsel, der Zuflucht für
unwillkommene Festlandbewohner bis zum begehrten Luxusurlaubsziel und
Investitionsstandort. Verwaltungstechnisch gehört sie zum Bundesstaat
Pernambuco, und die dortige Regierung bestimmt den jeweiligen
Inselverwalter.
Die letzte Verwalterin wurde im Januar nach zwei Jahren ihres Amtes
enthoben, ohne Angaben von Gründen. Nachfolger sollte der aktuelle
Umweltsekretär werden, Wochen später benannte die Gouverneurin kurzerhand
einen anderen – laut Medienberichten, um sich politische Unterstützung zu
sichern.
## Elf Jahre warten auf ein Baugrundstück
Aber die Insulaner wollen keine Günstlinge, sondern demokratisch gewählte
Vertreter, die sich für ihre Belange einsetzen. Denn das Leben im Paradies
ist von Wohnungsknappheit, hohen Lebenshaltungskosten und
Versorgungsschwierigkeiten geprägt. Die Lage, 350 Kilometer vor der Küste,
verteuert alles, vom Lebensmittel bis zum Baustoff.
Während Luxusrestaurants sich Champagner und Garnelen einfliegen lassen,
bestellen sich Einheimische Grundnahrungsmittel im Internet. Touristen
entspannen in großzügigen Bungalows mit Privatpool und Meerblick, Insulaner
warten oft jahrelang in winzigen Mietunterkünften auf Grundstücke und
Baugenehmigungen.
„Wir haben erst nach elf Jahren ein Baugrundstück zugewiesen bekommen“,
erzählt Sabina Varga, die seit 2008 auf Noronha lebt und mit einem
Einheimischen verheiratet ist. Der Verwalter, der außer ihrem noch weitere
200 Grundstücke an einheimische Familien zu verteilen hatte, bedachte einen
Ortsfremden mit gleich drei Einheiten und wies ein Grundstück in Bestlage
einer Journalistin zu, die zwar die Bedingungen für die Zuteilung nicht
erfüllte, aber gleich gesetzeswidrig ein Hotel errichtete. Theoretisch sind
auf Noronha überhaupt nur „Pensionen“ zugelassen, aber das interpretieren
Investoren schon immer so, dass sie ihr Luxushotel einfach als „Pension“
betiteln.
Seit 2024 liegt ein Gesetzesentwurf für Direktwahlen auf der Insel bei der
Gesetzgebenden Versammlung von Pernambuco. Damit er durchkommt, müssen 30
von 49 Abgeordneten für ihn stimmen. Die Gouverneurin hält ihn für
verfassungswidrig, entscheiden müsste im Zweifelsfall der [3][Oberste
Gerichtshof]. Ob und wann es soweit kommt, ist allerdings unklar: Auf
Noronha wurde sogar die Unabhängigkeit Brasiliens erst mit zwei Jahren
Verspätung eingeführt.
28 Apr 2025
## LINKS
[1] /Ort-zum-Ueberleben/!5167109
[2] https://www.bfn.de/daten-und-fakten/unesco-weltnaturerbe-weltweit
[3] /Justizentscheid-in-Brasilien/!6078651
## AUTOREN
Christine Wollowski
## TAGS
Tourismus
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Klima
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