| # taz.de -- An der Front im Donbass: Wo Russlands Offensive erlahmt | |
| > In der Stadt Torezk hat die ukrainische Armee wieder Fuß gefasst und hält | |
| > russische Angriffswellen zurück. Es tobt ein komplexer Drohnenkrieg. | |
| Bild: An den Schlackenhalden von Toretsk begann im September 2024 Russlands Ero… | |
| Kostjantyniwka taz | Ein kleines Privathaus am Rande eines Dorfes unweit | |
| der ostukrainischen Stadt Kostjantyniwka im Gebiet Donezk. Hier können sie | |
| endlich einmal durchatmen – Soldaten der 100. separaten mechanisierten | |
| Infanterie-Brigade „Sotka“ der ukrainischen Armee. Vor dem Haus pfeift ein | |
| starker lauter Wind, in der Ferne sind Explosionen von Granaten zu hören. | |
| Im Hof des Nachbargebäudes gackern Hühner. | |
| „Sotka“ hält seit acht Monaten die Front im rund 20 Kilometer von | |
| Kostjantyniwka entfernten Torezk. In der strategisch wichtigen, bis vor | |
| kurzem noch größten, Frontstadt in der Region Donezk sind von einst 35.000 | |
| Einwohner*innen nur ein paar hundert übrig geblieben. Weite Teile der | |
| Plattenbauten im Zentrum der Bergbaustadt [1][liegen in Trümmern]. | |
| Anfang Februar 2025 hatte Russland die Einnahme von Torezk gemeldet. | |
| Mittlerweile ist es den Ukrainern gelungen, in Torezk bestimmte Positionen | |
| [2][wieder zurückzuerobern]. Militärkarten zufolge halten die russischen | |
| Besatzer jetzt noch den südlichen Teil der Stadt. | |
| Die Lage in Torezk ist bedrohlich, da die Russen versuchen, die ukrainische | |
| Logistik mithilfe von Artillerie und Drohnen zu stören sowie die | |
| ukrainischen Verteidigungsstellungen mit Infanterie zu zerstören. | |
| Rotationen ukrainischer Kämpfer sind kaum möglich. So war beispielsweise | |
| ein Soldat der 100. Brigade 77 Tage lang unterbrochen an vorderster | |
| Position im Einsatz. | |
| ## „Stabil, aber schwierig“ | |
| Sergej Siywa, Kompaniechef von „Sotka“, ist in diesem Krieg bereits | |
| mehrfach verwundet worden, im Gesicht hat er eine große Narbe. Glywa redet | |
| hastig, mit Unterbrechungen, aber so deutlich wie möglich. Selbst während | |
| des Gesprächs kontrolliert er alles, was um ihn herum passiert. | |
| „In Torezk ist die Situation stabil, aber schwierig. Wir versuchen, den | |
| Feind abzuwehren und ihn nicht weiter vorrücken zu lassen“, sagt er. Laut | |
| Glywa kontrollierten die Streitkräfte der Ukraine derzeit etwa 40 Prozent | |
| der Stadt sowie den gesamten Ballungsraum mit den umliegenden Dörfern. | |
| Der Kommandant erläutert, dass die Kampftaktik der Russen der von Einheiten | |
| der ehemaligen „Wagner“-Gruppe ähnelt, als sie im Frühjahr 2023 nach | |
| monatelangen Kämpfen [3][die Stadt Bachmut] 25 Kilometer nordöstlich von | |
| Torezk eroberten. Der Preis für „Wagner“: 20.000 tote Kämpfer. | |
| „Auch jetzt rücken die Russen in kleinen Gruppen ohne gepanzerte Fahrzeuge | |
| aus. Sechs bis acht Personen, oft erreichen maximal zwei den Zielort. Sie | |
| kommen nach und nach, über Wochen, Monate hinweg, zwei, drei, manchmal auch | |
| bis zu fünf Soldaten. Dann beginnen sie, unsere Stellungen zu stürmen“, | |
| sagt Glywa. Dabei spielten eigene Verluste für die Russen keine Rolle – | |
| auch was den Nachschub an der Front angeht. | |
| „Sie laufen los wie Kamele und haben Patronen und Granaten in ihren | |
| Rucksäcken, aber keine Sturmgewehre. Sie bringen das Material, laden es ab | |
| wie befohlen, ziehen sich zurück, ruhen sich etwas aus und dann das Gleiche | |
| wieder von vorn“, sagt Glywa. | |
| Die russischen Besatzer, so Glywa, tragen Zivilkleidung, um sich in der | |
| Stadt zu bewegen und sogar anzugreifen. Denn das ukrainische Militär, | |
| erläutert er, habe den Befehl, nicht auf Zivilisten zu schießen. „Wenn die | |
| Person wirklich ein Zivilist ist, wird sie sich verstecken. Ein russischer | |
| Soldat jedoch hat zu 100 Prozent eine Granate oder ein verkürztes | |
| Maschinengewehr dabei. Und er wird handeln.“ | |
| ## Als Zivilisten verkleidete Soldaten | |
| Von sogenannten „Zivilangriffen“ der Russen berichtet auch der Schütze der | |
| Brigade, der 25-jährige Nazar mit dem Kampfnamen „Nazik“. Er dient hier | |
| seit sechs Monaten. Während dieser Zeit wurde er bei einem gezielten | |
| Drohnenangriff verwundet. Jetzt jedoch ist er wieder zurück an der Front. | |
| Nazar trägt trotz des kühlen Wetters einen militärischen Panama-Hut, er | |
| lächelt schüchtern, manchmal lacht er sogar, wenn er über schwierige | |
| Kampfsituationen spricht. | |
| „Der Trick, den die Russen anwenden, ist folgender: Ein Mann geht in Zivil | |
| die Straße entlang. Er tut so, als rufe er seinen Hund. Wir behalten ihn im | |
| Auge. Es gibt nur noch wenige Zivilisten in der Stadt. Doch per Funk heißt | |
| es, er sei bereits an unserem Fenster und wolle eine Granate werfen. Aber | |
| wir sind schneller. Du hast nicht das Recht, einen Zivilisten zu töten. | |
| Aber wenn du schon siehst, dass er ein Maschinengewehr oder eine andere | |
| Waffe trägt, dann ist das etwas anderes“, erzählt Nazar. | |
| Die Soldaten sagen, es sei einfacher, im Stadtgebiet zu kämpfen. Allerdings | |
| müsse immer mit Drohnen gerechnet werden. Kompaniechef Glywa spricht von | |
| einem „Guerillakrieg“, weil die vordersten Stellungen gezwungen seien, | |
| zunächst im Hinterhalt zu bleiben, um nicht von feindlichen | |
| Drohnenbesatzungen gesehen zu werden. „Du bist in einem Gebäude und der | |
| Feind ist 50 Meter entfernt. Du musst still sitzen, damit er dich nicht | |
| entdeckt. Wenn der Feind dich zuerst entdeckt, zerstört er deine Position. | |
| Wenn nicht, sind wir die Ersten“, sagt er. | |
| ## Drohnen, ein Fachgebiet für sich | |
| Laut Glywa sind die Russen in Torezk derzeit bei Drohnen klar im Vorteil. | |
| Am häufigsten setzten sie [4][FPV-Drohnen] ein - First Person View, eine | |
| Technologie, bei der der Bediener genau sieht, wohin die Drohne fliegt – | |
| zunehmend auch per Glasfaser gesteuert. Diese seien immun gegen Störsender | |
| und auch mit guten elektronischen Kriegsführungssystemen nur schwer zu | |
| bekämpfen. | |
| FPV-Drohnen seien im Stadtgebiet weniger effektiv als im offenen Gelände. | |
| Allerdings hätten die Russen gelernt, Unterstände auf andere Weise zu | |
| zerstören. Eine Drohne wirft zum Beispiel mehrere Panzerabwehrminen (TM) | |
| auf ein Gebäude oder einen Schutzraum ab und löst dann den Zünder aus. | |
| Durch die Explosion würde das Gebäude fast vollständig zerstört. „Diese T… | |
| machen ihren Job“, sagt Glywa. | |
| Nazik fügt hinzu, dass man sich vor einer russischen Drohne verstecken | |
| könne. Die Russen setzten jedoch mehrere Drohnen gleichzeitig ein und seien | |
| in der Lage, jedes Gebäude zu zerstören. Heutzutage könnten Drohnen auch | |
| große Mengen an Sprengstoff transportieren. | |
| Mittlerweile werden Evakuierungen aus Torezk immer schwieriger. Sie | |
| erfolgen entweder nachts oder bei schlechtem Wetter. Russische Truppen | |
| kontrollieren Zufahrtsstraßen, umgehen Straßen aus der Ferne und machen sie | |
| mit Drohnen unsicher. Gleichzeitig haben die ukrainischen | |
| Verteidigungskräfte neue Möglichkeiten zur Evakuierung von Verwundeten. | |
| Dabei kommen insbesondere unbemannte Technologien zum Einsatz – Boden- und | |
| Luftdrohnen. | |
| „Es gibt kleine selbstfahrende Autos mit Fernbedienung. Eins davon fuhr auf | |
| einen unserer Soldaten zu, er schaffte es hinein, ist aber verblutet. Im | |
| Einsatz sind auch Fledermausdrohnen (fast zwei Meter Durchmesser), aber man | |
| braucht jemanden, der den Verwundeten daran befestigt. Dann kann er in die | |
| Nähe eines Autos gebracht werden, das ihn weiter transportiert“, sagt | |
| Glywa. | |
| ## Waffenstillstand? Unsinn | |
| Der ukrainische Kompaniechef glaubt übrigens nicht, dass die Russen [5][im | |
| Falle eines Waffenstillstandes] ihre Absicht, Torezk einzunehmen, aufgeben | |
| werden. Moskau werde einen Waffenstillstand bloß nutzen, um sein Personal | |
| so massiv wie möglich neu aufzustocken und sich auf einen neuen Angriff | |
| vorzubereiten. | |
| „Aber wir schlafen auch nicht“, versichert er. So könnten lokale | |
| Gegenangriffe mithilfe benachbarter Feuerunterstützungseinheiten | |
| durchgeführt werden. Sollte Torezk jedoch fallen, würden die Städte | |
| Kostjantyniwka und Druschkiwka angegriffen werden und die russische Armee | |
| könne tiefer vorstoßen. | |
| Hier, in Richtung Torezk, glaubt jedoch kaum jemand ernsthaft an eine | |
| Feuerpause oder einen Waffenstillstand. In der Brigade „Sotka“ setzt man | |
| auch auf das Prinzip Hoffnung: Russisches Militär, das im Falle eines | |
| Waffenstillstands aus der Ukraine abgezogen würde, werde die Russische | |
| Föderation von innen heraus zerstören. Wladimir Putin wisse das und werde | |
| das daher nicht zulassen. | |
| Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
| 30 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.instagram.com/ukraine.ua/p/DFxPnRbM2CD/?img_index=5 | |
| [2] https://x.com/EuromaidanPR/status/1904608405571932523 | |
| [3] /Kampf-um-Bachmut/!5933141 | |
| [4] https://heroesukraine.org/en/serial-production-fpv-drones/ | |
| [5] /Was-passiert-mit-der-Ukraine/!6076794 | |
| ## AUTOREN | |
| Juri Larin | |
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