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# taz.de -- Kanadas neuer Premierminister Carney: Plötzlich Politiker
> Mark Carney soll den scheidenden Justin Trudeau als Kanadas
> Premierminister beerben. Mit Unwägbarkeiten kennt der Ex-Zentralbankchef
> sich aus.
Bild: Eingewechselt von der Bank: Mark Carney wird Nachfolger von Justin Trudeau
Bankmanager gelten meist als öde, also müssen sie sich anstrengen, um
aufzufallen. Als Mark Carney gerade Zentralbankchef in Kanada geworden war,
empfing er Kanadas größte Zeitung Globe & Mail zum Interview beim Joggen.
Nachdem er in gleicher Funktion sieben Jahre lang in Großbritannien gedient
hatte, zog er mit der Financial Times beim Austernessen Bilanz.
Jetzt haben ihn Kanadas regierende Liberale bei einem Basisvotum mit 86
Prozent zum [1][Nachfolger des scheidenden Premierministers Justin Trudeau]
gewählt, in besonders anstrengenden Zeiten, in denen US-Präsident Donald
Trump die Daseinsberechtigung Kanadas in Frage stellt. „Demokratie ist
keine Selbstverständlichkeit“, sagte Trudeau zum Abschied, „Freiheit ist
keine Selbstverständlichkeit. Nicht einmal Kanada ist eine
Selbstverständlichkeit.“
Mit Dingen, die keine Selbstverständlichkeit sind, kennt sich der Kanadier,
der in wenigen Tagen 60 Jahre alt wird, gut aus. Als Zentralbankchef von
Kanada zwischen 2008 und 2013 steuerte er sein Land durch die globale
Finanzkrise – die war nicht vorgesehen. Dann wechselte er als
Zentralbankchef nach Großbritannien und steuerte das Land bis 2020 durch
den Brexit – auch der war nicht vorgesehen. Er galt jahrelang nicht nur als
der kompetenteste Zentralbanker der Welt, sondern auch als der attraktivste
und netteste. Kanadier haben auf der internationalen Bühne den Vorteil,
dass niemand ihnen Böses unterstellt.
Carney gehört zu der Sorte globalisierter Entscheidungsträger, die
eigentlich heutzutage out ist: Absolvent der Spitzenuniversität Oxford,
Karriere erst bei Goldman Sachs und dann in Kanadas Zentralbank,
Beförderung an die Spitze und Wechsel über den Atlantik – seine Ehefrau ist
Engländerin – bis zur Rückkehr nach Kanada.
## Er lebt vor, wie toll sie alle sind
„Blairiger als [2][Blair]“, ätzte das konservative Wochenmagazin Spectator
in Großbritannien nach seiner Berufung zum Direktor der Bank of England
2013 – in London landete Carney als Kumpel des millionenschweren
konservativen Finanzministers George Osborne – und sprach von einem
„Carney-Kult“. Der Globe & Mail stellte fest, dass Spitzenbanker den coolen
Carney „aus narzisstischen Gründen“ bewundern: Er lebt vor, wie toll sie
alle sind.
Während die Briten sich dem Brexit zuwandten, setzte Carney den Klimawandel
auf die britische Zentralbankliste finanzieller Risikofaktoren. Natürlich
war er gegen den Brexit, wie alle Londoner Millionäre – um solche Leute zu
ärgern, stimmten die Briten schließlich dafür. Das hinderte ihn nicht
daran, nach seiner Zentralbankzeit Klimafinanzbeauftragter des
Brexit-Premiers Boris Johnson zu werden. Er war ja gleichzeitig
UN-Sonderbeauftragter für Klimafinanzen und beriet Kanadas Premierminister
Trudeau, später auch die britische Labour-Partei, die seit 2024 regiert.
Nun wechselt Carney an die Spitze der kanadischen Liberalen und wird
Premierminister. Seine Aufgabe: die Liberalen vor dem Untergang zu retten
und einen Wahlsieg der Konservativen zu verhindern – und Kanada vor Trump
zu schützen, der zu Kanada ein ähnlich neurotisches Verhältnis zu
entwickeln scheint wie Russland zur Ukraine.
Er sei krisenerfahren, betonte Carney am Sonntag in seiner Antrittsrede,
die nach Krieg klang: „Ich weiß, dass dies dunkle Tage sind – dunkle Tage,
verursacht von einem Land, dem wir nicht länger trauen können. Aber lasst
uns nie die Lehren vergessen: Wir müssen uns um uns selbst kümmern und wir
müssen uns umeinander kümmern“. Ob Carney Kanadas Selenskyj wird? In etwa
zwei Monaten gibt es Neuwahlen. Dominic Johnson
10 Mar 2025
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Kanada/!6060778
[2] /Grossbritannien-streitet-ueber-Tony-Blair/!5825955
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Kanada
Justin Trudeau
Boris Johnson
Justin Trudeau
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Schwerpunkt USA unter Trump
Strafzölle
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