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# taz.de -- taz-FUTURZWEI-Kommentar über CDU: Geistig hohle Partei
> Friedrich Merz glaubt offenbar, er könnte eine Zusammenarbeit mit der AfD
> in seinem Sinne steuern. Das ist der Anfang vom Ende – der CDU/CSU, meint
> Udo Knapp in seinem Kommentar für unser Magazin taz FUTURZWEI.
Bild: Der einsame Abschied von der demokratischen Mitte: Friedrich Merz, Kanzle…
[1][taz FUTURZWEI] | „[2][Zustrombegrenzungsgesetz]“, die am vergangenen
Freitag gescheiterte Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist
schwarze Poesie. Der Begriff soll beinhalten: Die Flut des Fremden aus der
ganzen Welt überschwemmt unser Leben. Mit hohen Dämmen und hochgezogenen
Grenzen muss unser Land gegen alles Fremde befestigt werden.
Die [3][6.000 syrischen Ärzte, die in unseren Krankenhäusern arbeiten], all
die anderen, die an vielen Stellen wohl integriert arbeiten, sollen
verschwinden, obwohl bekannt ist, dass sie in Syrien in einem
islamistischen Regime leben müssten. Die vielen tausend Pflegekräfte aus
der ganzen Welt, die sich um unsere Alten kümmern, sollen ausreisen, obwohl
es niemanden gibt, der sie ersetzen könnte.
Ich habe gerade mal einen Test gemacht: In den etwa 20 Restaurants in der
Bergmannstraße in [4][Berlin-Kreuzberg] gibt es keinen einzigen deutschen
Koch. Es gibt auch keine Deutschen, die sie ersetzen könnten. Tausende
Arbeiter auf den Baustellen sollen ausreisen, obwohl ein Neubau in der
Republik ohne sie gar nicht mehr möglich ist.
Die Flüchtlinge aus der [5][Ukraine] sollen in den täglichen Bombenhagel
der Russen zurückkehren. Diese Aufzählung ließe sich beliebig verlängern.
## Ohne „Zustrom“ ist es mit dem Wohlstand vorbei
Der Punkt ist: Ohne „Zustrom“, also geregelte Zuwanderung, viel Aufwand
fürs Integrieren und Toleranz gegenüber allem Fremden wäre es mit unserem
Wohlleben und unserer sozialen Sicherheit vorbei. Richtig Angst vor der
Zukunft muss man nur haben, wenn die Zuwanderung aufhörte. Dann hat die
Republik keine Zukunft.
Zwar wurde das „Zustrombegrenzungsgesetz“ von der Mehrheit des Bundestages
knapp abgelehnt, aber das populistische Drohen vorm „Zustrom“ geht weiter.
Politische Aufgabe für alle liberaldemokratischen Parteien bleibt es aber,
Zuwanderung positiv zu besetzen, und rechtsfest zu organisieren.
Die Bundesrepublik und ganz [6][Europa] sind, wie die [7][USA] und Kanada,
eine attraktive Einwanderungsregion. Das biologische Volksmodell hat lange
ausgedient. Die Staatsnation der Zukunft ist verfassungsrechtlich
begründet. Zuwanderer in diese Regionen müssen die Verfassungsgebote der
Zuwanderungsregion leben. Dieser Anspruch muss auch mit Nachdruck
durchgesetzt werden.
Warum setzen nun Friedrich Merz und die CDU/CSU mit schwarzer Poesie auf
Fremdenangst, warum schüren sie Fremdenhass? Warum nehmen sie sogar die
Zusammenarbeit mit der [8][AfD] in Kauf, einer offen rechtsradikalen
Partei?
Und das auch noch am Tag der Gedenkstunde an die Befreiung des
Nazi-Konzentrationslagers [9][Auschwitz], in der das Lernen aus den
deutschen Verbrechen wieder wortreich beschworen worden ist. Es verwundert
nicht, dass einige Auschwitz-Überlebende wegen dieser Vorgänge im Bundestag
ihre Staatsehrungen im Briefkasten des Bundespräsidenten entsorgen wollen.
## Die Union als Totalausfall
Meine Antwort lautet: Weil die CDU/CSU eben keine klassische, politisch
konservative Partei mehr ist, in der Erfolg und Anstand, Macht und
Verantwortung das Bewährte und ein politisches Zukunftsprogramm verbunden
wären. Der aktuelle Kanzlerkandidat [10][Merz] verkörpert nur noch einen
lauten, aber geistig hohlen Machtanspruch.
CDU/CSU fallen für die Bewältigung der großen Zukunftsprobleme aus. Weder
Klimakrise, Systemkrise oder die Globalisierung als Weg zu einer
demokratischen Weltgesellschaft sind für sie politikfähige
Herausforderungen. Zwischen der AfD und der CDU gibt es vor diesem
Hintergrund keine programmatische Differenz mehr, die über die krakeelende,
verbale Abgrenzung hinausreichte.
Beide setzen auf die autoritäre Karte des Gestern für immer. Sie ignorieren
die unvermeidbaren Zwänge und Folgen eines ernsthaften Ringens um Zukunft.
Sie instrumentalisieren die Ängste, die auf diesem Weg entstehen, durch
autoritäre Ansagen und das Versprechen von Härte und Ordnung.
## Kein Unfall und Erpressung
Das gemeinsame Abstimmen von CDU/CSU und AfD in der Migrationspolitik ist
kein Unfall. Es ist der Beginn einer organisierten Zusammenarbeit von
politisch Gleichgesinnten, die das nur noch mit gegenseitigem Beschimpfen
vor den Wählern zu verbergen suchen.
Taktisch gesehen kann man sagen, dass Merz schon Wochen vor
wahrscheinlichen Koalitionsverhandlungen mit der SPD und den Grünen die
AfD-Karte ins Spiel gebracht hat. Wenn SPD und/oder Grüne nach der
Bundestagswahl nicht bedingungslos den Vorgaben von Merz und der CDU/CSU
folgen, dann sollen sie schon jetzt dafür verantwortlich gemacht werden,
dass die Union dann Staatsräson halt in Gottes Namen eine Regierung mit der
AfD bilden muss.
Merz glaubt offenbar, er könnte eine mögliche Kooperation (oder muss man
sagen: Kollaboration?) mit der AfD in seinem Sinne steuern. Er und seine
Leute übersehen dabei aber die Folgen ähnlicher Versuche in den anderen
europäischen Ländern.
In Österreich, Italien, in Frankreich, in Holland und Belgien, gibt es
keine allein mehrheitsfähigen, konservativen Parteien mehr. Ihnen ist in
der Kooperation mit den Populisten selten mehr eingefallen, als deren
Parolen moderat zu modulieren. Das hat sie um ihre eigene
Mehrheitsfähigkeit gebracht, zum Verschwinden regierungsfähiger
konservativer Parteien geführt und das politische Feld für die Populisten
noch weiter geöffnet.
Wenn die CDU/CSU das und ihren eigenen Abgang in die Bedeutungslosigkeit
noch aufhalten will, dann müsste sie mit den Grünen und der SPD einen
Zukunftspakt auflegen, der auf alle populistischen Anbiedereien verzichtet.
Merz und die CDU/CSU sind dazu weder bereit noch in der Lage.
Grüne und SPD allein können eine CDU/CSU/AfD-Regierung in den nächsten vier
Jahren nicht mehr verhindern. Das ist indes kein Grund, jetzt in die
moralisierende Rhetorik vom neuen '33 in Deutschland zu verfallen, so
eklig, so dumm, dieses zu erwartende Bündnis auch sein mag. Die Grüne und
vielleicht auch noch die SPD haben die Aufgabe, den demokratischen und
antipopulistischen Gegenpol zu besetzen und zu stärken.
Das ist der Auftrag für beide Parteien, ihre Vorstellung von einer
glückenden Zukunft Europas so mehrheitsfähig zu machen, dass AfD und die
Merz-Union schon bald wieder aus ihren Ämtern abgewählt werden.
Zeitgleich mit Trumps Abtritt könnte dann 2029 auch bei uns wieder ein
Wende zum Zukunftsfähigen möglich werden. Die CDU/CSU wird es dann als
konservative Werte-Partei mit Führungsanspruch definitiv nicht mehr geben.
🐾
■ Lesen Sie weiter: Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins taz FUTURZWEI
N°31 mit dem Titelthema „Gemeinsinn“ gibt es [11][jetzt im taz Shop.]
3 Feb 2025
## LINKS
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[6] /Politik/Europa/!p4617/
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[9] /Auschwitz/!t5009473
[10] /Friedrich-Merz/!t5546388
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## AUTOREN
Udo Knapp
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