# taz.de -- Zweite Bundesliga: Gelingen und Misslingen | |
> Der 1. FC Magdeburg spielt eine starke Saison in der 2. Liga, verliert | |
> aber zu Hause 3:4 gegen Nürnberg. Scheitert der FCM am Heimnachteil? | |
Bild: Ja, wohin denn jetzt? Magdeburg-Trainer Christian Titz gibt polyvalente A… | |
Die Erlösung schien so nahe am frühen Samstagnachmittag. Wild ging es in | |
den letzten Minuten hin und her. Und die [1][Magdeburger Anhänger] setzten | |
noch einmal ihre ganze geballte Energie frei, als könnten sie den Ball ins | |
gegnerische Tor schreien. Doch mit dem Treffer des Nürnberger Julian | |
Justvan in der vierten Minute der Nachspielzeit war der kühne Traum vom | |
ersten Heimsieg in dieser Saison ausgeträumt. | |
„Bitter“, nannte das Eigentorschütze und Torschütze Jean Hugonet. „Für… | |
ist ein 3:3 kein gutes Ergebnis, auch wenn wir mit 1:3 zurücklagen. Wir | |
wollen jedes Spiel gewinnen.“ Schon die persönliche Statistik des Franzosen | |
symbolisierte die Magdeburger Geschichte vom Misslingen und Gelingen. Im | |
Grunde genommen ist dies eine Erzählung, die sich durch die gesamte, extrem | |
ausgeglichene 2. Liga zieht und Woche für Woche für spektakuläre | |
Unberechenbarkeit sorgt. | |
Nur der Traditionsklub aus dem Osten hat in diesem Durcheinander ein | |
unorthodoxes Ordnungsprinzip etabliert. [2][In der Fremde gewinnen die | |
Blau-Weißen] fast immer (neun von elf Spielen) und führen die | |
Auswärtstabelle souverän an. Immer wieder schüren sie andernorts massiv | |
Hoffnung – die letzten drei Auswärtspartien gewannen sie jeweils 5:2 – um | |
ihr treues Publikum dann zu enttäuschen. Sieben Punkte stehen nach zehn | |
Heimspielen zu Buche, weniger hat kein anderes Team. | |
Gegen [3][Nürnberg] haben sie die vielleicht kurioseste Statistik des | |
deutschen Fußballs weiter ausgebaut. Der deutsche Fußballwortschatz muss um | |
das Wörtchen „Heimnachteil“ ergänzt werden. „Zu Hause ist es etwas schw… | |
für uns“, untertrieb Martjin Kaars maßlos, der nach seinen vier Toren auf | |
Schalke immerhin auch zu Hause mal wieder einen eigenen Treffer bejubeln | |
konnte. | |
Was die Angelegenheit noch spezieller macht: Der 1. FC Magdeburg wird | |
allerorten zu Recht für seinen schönen und dominanten Ballbesitzfußball | |
gelobt, den Trainer [4][Christian Titz] mit besonderer Intensität in der | |
eigenen Arena spielen lässt. Gegen den 1. FC Nürnberg lag die Magdeburger | |
Ballbesitzquote wieder einmal bei 65 Prozent. Torhüter Dominik Reimann war | |
wie üblich nicht selten bis in den Mittelfeldkreis vorgerückt, um den Druck | |
nach vorne erhöhen zu können. | |
## Vom Ende der Liga drei zur Spitze Liga zwei | |
Titz bekam nach Spielschluss trotz aller Enttäuschung auch freundlichen | |
Applaus, als er die Haupttribüne entlang schritt. Der Klub, der mit der | |
unglücklichen Niederlage gegen Nürnberg erst aus den Aufstiegsrängen | |
rutschte, steht prächtig da – und das mit dem halben Etat des [5][Hamburger | |
SV]. Im Februar 2021 hat Titz das Team in der 3. Liga in Abstiegsgefahr | |
übernommen und Stück für Stück weiterentwickelt. Die Stadt ist von den | |
Erfolgen elektrisiert. Aus dem Regionalzug wird man am Hauptbahnhof mit | |
besten Wünschen für das Spiel des 1. FC Magdeburg entlassen. Und der | |
Straßenbahnfahrer fährt mit blau-weißer Kopfbedeckung und ausgelegtem | |
Vereinsschal an der Frontscheibe. | |
Nicht wenige stellen sich die Frage, wo die Blau-Weißen stehen könnten, | |
würde man ab und an mal zu Hause gewinnen. Vom Kopfproblem ist die Rede. | |
Die Negativserie von 15 nicht gewonnenen Heimspielen reicht immerhin bis | |
zum 24. Februar 2024 zurück, als [6][Schalke] 3:0 geschlagen wurde. Titz | |
will davon nichts wissen. Verständlich, ein Kopfproblem kann man | |
schließlich nicht wegtrainieren. Das Thema, sagt er, spiele in der | |
Öffentlichkeit eine große, in der Mannschaft aber eine untergeordnete | |
Rolle. | |
So bekam sein Resümee nach der Partie gegen den FCN nicht zufällig eine | |
einzelschicksalhafte Note: „Manchmal gibt es Tage, da kannst du dich nur | |
selbst schlagen, heute war so ein Tag.“ Er beklagte drei individuelle | |
Patzer bei den ersten drei Gegentoren und ein kollektives Versagen beim | |
Verteidigen in der Nachspielzeit. „Ich weiß“, sagte Titz auf Nachfrage, | |
„dass das in einem Fußballspiel vorkommt. Du hast Stress, du hattest gerade | |
selbst den Gedanken, du willst das Spiel für dich holen, und dann hat der | |
ein oder andere Spieler abgeschaltet.“ Man konnte es als verstecktes | |
Eingeständnis interpretieren, dass die spürbare Sehnsucht nach einem | |
Heimsieg den ungünstigen Ausgang begünstigt hatte. Andererseits hätte in | |
der Sturm-und-Drang-Phase beim Stand von 3:3 Neuzugang Alexander Ahl | |
Holmström per Kopf den erlösenden Magdeburger Treffer erzielen können. | |
Letztlich bleibt diese statistische Absonderlichkeit unerklärlich und wird | |
somit immer mystischer. Die Magdeburger sind zu bedauern, zumal sie | |
nächsten Freitag schon wieder zu Hause antreten müssen. Der [7][1. FC Köln] | |
ist dann zu Gast. | |
9 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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