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# taz.de -- Serie „Lockerbie“ bei Sky: Allein gegen die Staatsraison?
> 270 Menschen wurden beim Terroranschlag 1988 getötet. „Lockerbie“ blickt
> auf die Auswirkungen auf eine Familie.
Bild: Colin Firth als Jim Swire
„Als das kleine, ruhige Städtchen Lockerbie heute Morgen erwachte“, beginnt
der Journalist seinen Artikel, „war es zum Schauplatz des entsetzlichsten
Flugzeugabsturzes geworden, den Großbritannien je erlebt hat. 259 Menschen
befanden sich an Bord, als der PanAm-Flug 103 über der schottischen Stadt
explodierte“. Einer dieser Menschen war Flora.
Flora ist die Tochter von [1][Jim Swire], auf dessen Buch die fünfteilige
Miniserie basiert, die so heißt wie das besagte [2][ruhige Städtchen,
dessen Name seit 1988 nur noch für den furchtbaren Terroranschlag steht:
„Lockerbie“]. Denn dass der Flugzeugabsturz, bei dem auch 11 Beohner
Lockerbies starben, kein Unfall war, stand damals schnell fest.
„Lockerbie“, die Serie, das sind vier Filme in einem: Der Katastrophenfilm
wird routiniert in rund zehn Minuten abgehandelt. Die Parallelmontage der
arglosen Menschen im Flugzeug und in Lockerbie. Die Explosion und die wie
Artilleriegeschosse einschlagenden Wrackteile. Der Junge, der vor einem
Krater steht und fragt: „Wo ist denn unser Haus hin? Wo sind Mom und Dad?
Wo sind sie denn hin?“
Dann beginnt die Familientragödie. „Das darf nicht ihr Flug sein, bitte
nicht“, flüstert die Mutter (Catherine McCormack), als die Nachricht vom
Absturz im Fernsehen kommt. Wer hat in so einem Moment schon eine
Flugnummer parat? Es folgen Jahrzehnte, in denen der Vater, Jim Swire
(gespielt von Colin Firth), mit einer Unerbittlichkeit, wie sie an die des
Commissario Cattani aus dem 1980er-Jahre-Straßenfeger „Allein gegen die
Mafia“ erinnert, nach der Wahrheit sucht. Er steigt mit einer
selbstgebauten Bombenattrappe ins Flugzeug, Marzipan statt
Plastiksprengstoff. „Es geht hier nicht mehr um Flora, Jim“, hält ihm seine
Frau vor. „Du tust das alles doch nur, um nicht trauern zu müssen.“
Allein gegen die … Staatsraison. Gegen Mächte, die an Aufklärung kein
Interesse haben. Die Beweise gegen einen Unschuldigen fingieren und diesen
in einem Schauprozess – die dritte Folge: das Gerichtsdrama – aburteilen
lassen.
Der Polit-Thriller lehnt sich da weit aus dem Fenster, wenn er die bislang
als am plausibelsten geltende Lockerbie-Theorie als Farce entlarven zu
können meint: dass der libysche Diktator Gaddafi den Anschlag in Auftrag
gegeben hat – als Vergeltung für amerikanische Luftangriffe auf Tripolis
und Bengasi zwei Jahre zuvor.
Die (vom schottischen Dramatiker David Harrower geschriebene) Serie
basiert, wie gesagt, auf dem Buch des realen Jim Swire. Und der ist zu der
festen Überzeugung gelangt, dass nicht Gaddafi, sondern der Iran den
Anschlag in Auftrag gegeben hat bei der palästinensischen PFLP – als
Vergeltung für den Abschuss eines iranischen Verkehrsflugzeugs durch die
US-Marine ein halbes Jahr zuvor. Und Swire glaubt auch, dass diese
Wahrheit, nach der er 30 lange Jahre zusammen mit einem Journalisten und
einigen wackeren Menschenrechtsanwälten gesucht hat, aus geopolitischen
Gründen unter den Teppich gekehrt werden soll.
Ob es wirklich so war? Die Serie versteht es jedenfalls, diese von der
herrschenden Lehre abweichende These durchaus schlüssig und leidlich
spannend zu erzählen. Das liegt vor allem an ihrem Hauptdarsteller Colin
Firth. Der besticht nicht so sehr mit den ungefähr 50 Schattierungen von
Grau in seinem Haar, die das Vergehen der Zeit markieren sollen, sondern
mit seiner schauspielerischen Klasse.
„Lockerbie“, 5 Folgen bei Sky
16 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
TV-Serien
Terrorismus
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