| # taz.de -- Die Wahrheit: Geld, Gold und eine Sternenrassel | |
| > Die Wahrheit-Weihnachtsgeschichte: Wer ist der unbekannte vierte Weise | |
| > auf dem Weg zur Jesus-Krippe? Und was hat der seltsame Vogel vor? | |
| Der fünfte Beatle, der achte Zwerg, die zwölf von der Wilden 13 … es geht | |
| einiges durcheinander im Nebel der Legenden. Kein Wunder, dass sich | |
| hartnäckige Gerüchte um einen vierten Weisen halten, der mit den Heiligen | |
| Drei Königen, den Sternendeutern aus dem Morgenland, aufgebrochen ist, aber | |
| unterwegs verlustig ging und schließlich erst zur Kreuzigung Jesu eintraf. | |
| Da ist aber einiges an Übertreibung mit dabei. Zeit also, von der | |
| nüchternen Wahrheit zu berichten. | |
| Dabei ist die historische Bedeutung von Silvester, dem vierten Weisen, | |
| nicht hoch genug einzuschätzen. Er war es, der im „Morgenland“, dem neuen | |
| China-Imbiss um die Ecke, nach dem Verzehr von „Ente kross süß-sauer“ in | |
| seinem Glückskeks auf den entscheidenden Hinweis stieß: „Weit im Westen | |
| ward ein König geboren. Ziehe los, huldige ihm und bring ihm was | |
| Ordentliches mit. Hau rein!“ | |
| Hurtig eilte er zu seinen drei Weisenkollegen, die gerade mit der Lektüre | |
| der Wochenendausgabe des Kaffeesatzes beschäftigt waren, und informierte | |
| sie über die Breaking News. Schnell rafften alle ihre Sachen zusammen und | |
| brachen auf. | |
| „Aber wohin denn?“, fragte Melchior. „Was bringt man denn da mit?“, fra… | |
| Balthasar. „Und was zieht man da bloß an?“, fragte Kaspar. Sie einigten | |
| sich angesichts der Hinweise „weit im Westen“ und „Morgenland“, dass ihr | |
| Ziel im Abendland liegen müsse. „Dresden“, schlossen sie, „das Zentrum d… | |
| Abendlandes.“ | |
| ## Sichere Anlage | |
| Als Mitbringsel entschied Melchior sich für Gold als wertbeständige, | |
| sichere Anlage, auch wenn ihm schien, dass Anteile an einem ETF-Fonds | |
| vielleicht zeitgemäßer sein könnten, aber die machen halt nicht so viel her | |
| im Geschenkekorb. Kaspar wählte Weihrauch. | |
| „Weihrauch?“, fragte Silvester irritiert, „wozu das denn?“ – „Das g… | |
| sich ja wohl zur Geburt eines angehenden Hohepriesters!“ – „Und dann nenn… | |
| wir seinen Geburtstag demnächst Weihnacht, oder was?“, blaffte Silvester. | |
| „Keine schlechte Idee“, dachte da der listige Weihrauchverkäufer. | |
| Balthasar besorgte rasch noch ein Bündel Myrrhe als universell einsetzbare | |
| Heilpflanze, weil das Wichtigste schließlich die Gesundheit ist und zudem | |
| Granufink forte in der Apotheke aus war. Als Silvester das alles sah, | |
| beschwerte er sich: „Das sind doch keine Geschenke für ein Kind! Was soll | |
| es denn damit machen?“ Er kaufte eine „Greifling-Rassel Sternentraum“ und | |
| packte sie anschließend hübsch in Papyrus ein. | |
| Die anderen drei staunten: „Eine Greifling-Rassel?“, zeigte Melchior sich | |
| skeptisch, „mit Gold kann man doch auch schön spielen! Und wieso wickelst | |
| du das Ding ein?“ – „Zur Überraschung. Dann sieht er nicht gleich, was d… | |
| ist“, erklärte Silvester. Die Rasselverkäuferin hörte das und dachte: | |
| „Keine schlechte Idee!“ – „Ja, aber der Müll!“, gaben die anderen dr… | |
| bedenken. Silvester verdrehte die Augen und dachte: „Was für Spaßbremsen. | |
| Das kann ja heiter werden, wenn ich mit denen wochenlang durch die Gegend | |
| laufen muss.“ | |
| ## Würdevolles Schreiten | |
| Er sollte recht behalten. Während er versuchte, ein bisschen Stimmung in | |
| die müde Truppe zu bringen, ließen die anderen, wie er es nannte, „immer | |
| nur den Vollweisen raushängen“ und machten „voll auf heilig“. „Hey, wir | |
| gehen doch nicht auf eine Beerdigung“, versuchte er, ihnen ein bisschen | |
| Feuer unterm Arsch zu machen, aber die drei waren so beschäftigt mit | |
| würdevollem Schreiten, dass sie ihn gar nicht beachteten. | |
| Als sie abends in einem Wirtshaus einkehrten, betrank Silvester sich | |
| hemmungslos. So sehr, dass er seinen Weinkrug versehentlich auf dem Herd | |
| abstellte. Die anderen schalten ihn, dass er den guten Wein verdorben habe, | |
| aber er lachte nur: „Ach was, schmeckt auch so, die Plörre! Noch ein | |
| bisschen Zimt rein und Muskat, dann geht das schon!“ Die Könige verzogen | |
| angeekelt das Gesicht, aber der Wirt nippte in einem unbeobachteten | |
| Augenblick daran und dachte: „Gar nicht übel, das merke ich mir!“ | |
| Als sie in der nächsten Nacht in der Wüste kampierten und Silvester für das | |
| Lagerfeuer zuständig war, entzündete er überall in der Umgebung kleine | |
| Flammen, auf dass Hunderte Lichter in der Winternacht glühten. | |
| „Was soll das denn?“, fragten die anderen entnervt, „das ist doch | |
| Ressourcenverschwendung, und am Ende fackelst du noch alles ab!“ Aber | |
| Silvester lachte nur: „Ich nenne es Christmas Garden! Sieht doch toll aus!“ | |
| Bald schon kamen einige Hirten herbeigeeilt und waren bereit, eine absurde | |
| Summe als Eintritt zu bezahlen, um die hübsch leuchtenden Büsche zu | |
| sehen.„Jetzt hör endlich auf mit der Scheiße! Dein ganzes Brimborium ist | |
| der Bedeutung des Anlasses nicht angemessen. Hier geht es immerhin ums | |
| Huldigen und Lobpreisen, alles voll bedeutungsvoll, und du veranstaltest | |
| hier so eine Kommerzkacke“, nörgelten die anderen, aber Silvester sagte | |
| nur: „Was habt ihr denn? Sieht doch schön aus, und den Leuten macht es | |
| Spaß!“ Ein Hirte aber dachte: „Ganz pfiffig eigentlich, das versuche ich | |
| auch mal.“ | |
| ## Ziemlicher Eklat | |
| Als Silvester aber am nächsten Abend ihrer Reise im Wirtshaus nach einer | |
| Laute griff, auf ihr herumklampfte und schließlich zu singen begann: | |
| „Letzte Weihnacht gab ich dir mein Herz“, da reichte es den anderen dreien. | |
| Sie knebelten ihn, banden ihn an einen Baum und zogen ohne die Nervensäge | |
| weiter. Es war ein ziemlicher Eklat, von dem man sich im Dorf noch lange | |
| erzählen sollte. Wieder und wieder berichteten die Augenzeugen von dem | |
| Streit der Heiligen Vier Könige und sangen sich dabei gegenseitig | |
| Silvesters Liedchen vor. | |
| Die verbliebenen drei Könige jedenfalls zogen noch einige Tage weiter, | |
| hatten allmählich aber den Kaffee auf, und als sie an einen ziemlich | |
| tristen und wüsten Ort gelangten, wo man nicht tot überm Zaun hängen | |
| mochte, sagten sie: „Das muss Dresden sein!“ Sie fanden dort ein | |
| Neugeborenes in einer Krippe, huldigten ihm ein bisschen und waren froh, | |
| endlich wieder nach Hause zu können. Man durfte sie lange Zeit nicht | |
| ansprechen auf diesen Horrortrip. | |
| Silvester dagegen war bester Laune, als er von den Dorfbewohnern befreit | |
| wurde, brannte ihnen zu Ehren ein großes Feuerwerk ab und trank sich die | |
| Hucke voll, bis er nur noch Sterne sah, von denen er keinen einzigen deuten | |
| konnte. | |
| Am nächsten Morgen brummte ihm der Schädel. „Verdammt“, knurrte er, „ich | |
| sollte mal zumindest einen Monat lang nichts mehr trinken.“ Die | |
| Dorfbewohner, die das hörten, hielten das für eine gute und vernünftige | |
| Idee. „Aber nächstes Jahr“, so versicherten sie sich gegenseitig, „machen | |
| wir alles wieder genau so!“ | |
| 24 Dec 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Heiko Werning | |
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