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# taz.de -- Fußball und Politik: Emotionaler Fundamentalkritiker
> Die AfD-Schelte vom Ex-Präsidenten des Fußball-Bundesligisten Eintracht
> Frankfurt ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Unpolitisch war der Sport
> eh nie.
Bild: Mann mit Haltung: Peter Fischer war fast 24 Jahre Präsident von Eintrach…
Bei all den unschönen Dingen, die auf der Welt so vor sich gehen, muss man
ja aufpassen, dass man die dollen Sachen nicht komplett verpasst. Für eines
dieser schönen Dinge [1][hat Peter Fischer] gesorgt, ehemaliger Präsident
von Eintracht Frankfurt, der in einem Fernsehinterview folgende richtige
Worte über AfD-Wähler*innen sagte: „Rennt denen die Türen und die Tore ein,
gebt ihnen Ohrfeigen, kotzt ihnen ins Gesicht. Es ist mir scheißegal.
Werdet laut, und zeigt euch endlich. Die müssen sich bewusst werden – das
ist nicht nur ein Kreuz. Damit bist du Nationalsozialist, nix anderes.“ Das
war im Februar dieses Jahres.
Wenig überraschend kamen dann aus diesem Umfeld einige sich angesprochen
Fühlende aus ihren Löchern gekrochen und erstatteten Anzeige, 65 Anzeigen
gingen bei der Staatsanwaltschaft ein. Die zuständige Staatsanwaltschaft in
Köln hat jetzt die Ermittlungen eingestellt. Es handle sich bei Fischers
Worten nicht um einen Aufruf zu einer Straftat, sondern um eine emotionale
Fundamentalkritik an der AfD, und in diesem Rahmen sei das erlaubt. Eine
Beleidigung sei auch nicht erkennbar, schließlich sei die Bezeichnung
„Nationalsozialist“ eine Äußerung, [2][die selbst von Verfassungsschutz
gedeckt sei.]
Angesichts dieser Entscheidung flossen bei ebenjenen Nazis ein paar
Krokodilstränen, was ja mindestens egal, wenn nicht sogar erfreulich ist.
Abseits dieser ideologisch motivierten Versuche, sich zu einer bedrohten
Opposition zu stilisieren, die schiere Gewalt zu fürchten hat – Peter
Fischer ist übrigens 68 Jahre alt –, gibt es aber freilich wieder ganze
Legionen von Ahnungslosen, die in ihrer Abgehangenheit glauben, dekretieren
zu müssen, der Fußball müsse um jeden Preis unpolitisch bleiben.
Der Fußball war nie unpolitisch und wird es auch nie sein. Das liegt ja auf
der Hand, ein Massenphänomen wie der Fußball ist gesellschaftspolitisch
immer verstrickt. Ein Blick in die Geschichte des Torjubels würde den
Leuten, die vom Fußball eine Depolitisierung fordern, helfen zu erkennen,
was für einen Stuss sie von sich geben.
## Berühmter Torjubel
In den 30er Jahren hatte Österreich eine der stärksten Nationalmannschaften
der Welt, Wien war eine – wenn nicht die – Hauptstadt des europäischen
Fußballs. Insbesondere die Wiener Austria praktizierte einen besonderen
Spielstil, der mit seinen ständigen Positionswechseln, dem taktischen
Verständnis für Raum und dem unbedingten Willen, den Ball zu haben, als
Vorläufer des späteren niederländischen football total bezeichnet werden
kann. Mittelpunkt dieser Mannschaft war Matthias Sindelar, den sie in den
Cafés [3][wegen seiner Schmächtigkeit auch den „Papierenen“ nannten.]
Die Austria – damals ein stark jüdisch geprägter Verein – wurde nach dem
Anschluss Österreichs quasi aufgelöst, und die österreichische
Nationalmannschaft musste, bevor sie in eine großdeutsche Mannschaft
hineinliquidiert werden sollte, noch zu einem letzten Spiel gegen das Reich
antreten. Die Order war, dass Österreich kein Tor schießen durfte.
Allerdings spielten die Österreicher die Deutschen vor sich her, und
nachdem Sindelar mehrfach vor dem leeren Tor einfach abdrehte, langte es
ihm irgendwann und er schoss doch das 1:0; um sich daraufhin vor die mit
Nazis vollbesetzte Ehrentribüne zu stellen und ein kleines Tänzchen
aufzuführen. Es war dies einer der berühmtesten Torjubel der deutschen
Fußballgeschichte. Am Ende gewann Österreich 2:0.
Sindelar, der kein politischer Aktivist war, lehnte später Sepp Herbergers
Berufungen in die großdeutsche Mannschaft ab, profitierte aber vom
Anschluss: Er übernahm ein Café von seinem jüdischen Vorbesitzer. Er starb
1939 unter nie ganz geklärten Umständen in seiner Wohnung an einer
Kohlenmonoxidvergiftung, zehn Monate nach der Eingliederung Österreichs in
das nationalsozialistische Deutsche Reich.
27 Nov 2024
## LINKS
[1] /Eintracht-Praesident-Peter-Fischer/!5987348
[2] /Einstufung-als-gesichert-rechtsextrem/!5994322
[3] https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-weg-zur-ersten-fussball-em-sindela…
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Helden der Bewegung
Eintracht Frankfurt
Schwerpunkt AfD
Fußball
Fußball
Schwerpunkt AfD
Judenverfolgung
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