Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Favoritenrolle wegmoderiert: Das neue Wording beim THW Kiel
> Der Deutsche Handball-Rekordmeister übt sich in Bescheidenheit. Die
> Champions League scheint jedoch eher erreichbar als in der verkorksten
> Vorsaison.
Bild: So sieht es aus, wenn Kieler sich freuen: Domagoj Duvnjak lobt Rückkehre…
Hamburg taz | Es gibt zwei neue Lieblingsworte im Kieler Sprachgebrauch.
Das eine ist „Entwicklung“, das andere ist „Prozess“. Filip Jicha verwe…
sie inflationär. Der Trainer des THW Kiel möchte sich nicht mehr auf
Ergebnisse und Ziele festnageln lassen. Eine Lehre seiner Jahre als Coach
ist, weniger Druck auszuüben, den Spaß am Sport wirken zu lassen, weniger
Zuchtmeister, sondern Freund der Spieler zu sein.
Das ist ein Zugeständnis an die Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten der
neuen Spielergeneration und insofern eine sinnvolle Anpassung seiner
Arbeitsweise. Jicha hat Lehren aus der schwachen Vorsaison gezogen. Die
Spieler auszupressen und an seinem eigenen Arbeitsethos zu messen,
funktioniert nicht mehr – der THW [1][stürzte in der Tabelle ab], blieb
titellos.
Nun hat Jicha Druck herausgenommen und spricht stattdessen von der
Entwicklung seiner jungen Mannschaft, was insofern putzig ist, als die
Säulen Andreas Wolff, Domagoj Duvnjak, Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler
allesamt Ü30-Spieler sind. Was will er da noch entwickeln? Welchen Prozess
anstoßen?
Zum frischen Kieler Wording gehört ebenso, quasi die gesamte Konkurrenz zu
unerreichbaren Favoriten zu erklären: Flensburg, Magdeburg, Berlin, auch
Melsungen – alle mindestens so aussichtsreiche Anwärter auf Glänzendes wie
der THW selbst. Dieses kuriose Understatement eines
13-Millionen-Euro-Unternehmens führte bei der
Saisoneröffnungs-Pressekonferenz dazu, dass Aufsichtsratschef Marc
Weinstock von einem Champions-League-Platz als Saisonziel und finanzieller
Notwendigkeit sprach, während die tiefstapelnden Jicha und Geschäftsführer
Viktor Szilagyi in ihren Stühlen immer kleiner wurden.
## Sportchef und Trainer schlagen eher leise Töne an
In internen Gesprächen werden die beiden Freunde nichts weniger als Rang
eins oder zwei als zulässig geltend gemacht haben, was die Qualifikation
für die Königsklasse beinhaltet. Aber es wird von ihnen eben nicht mehr
herausposaunt. Und auch die Profis haben das „von Spiel zu Spiel denken“
als neue Marschroute entdeckt – zumindest für die Öffentlichkeit.
Dass es sich im Windschatten der Konkurrenz gut fahren lässt, beweisen die
vergangenen Wochen. Durch Verletzungen geplagt, spielt seit Saisonbeginn
praktisch eine Rückraumreihe durch – neben Duvnjak Emil Madsen und Eric
Johansson Johansson. Der Däne Madsen macht es in seinen ersten Kieler
Wochen hervorragend, der Schwede Johansson sowieso; er ist der beste
Transfergriff der Kieler seit Jahren. Und Duvnjak, der Vorzeigeprofi, ist
unersetzbar, nach innen wie außen.
Mit einem Sieg bei Meister Magdeburg und zwei Erfolgen beim HSV Hamburg im
Pokal und nun auch am Freitagabend mit einem souveränen 31:25 in der Liga
hat der THW die frühen Niederlagen bei den Rhein-Neckar Löwen und gegen
Melsungen zwar nicht ungeschehen gemacht. Die Kieler haben die Serie
2024/25 aber besser begonnen, als viele befürchtet hatten. Vor Rückschlägen
wie in der Vorsaison wirkt der manchmal launische THW nicht gefeit. Doch
insgesamt scheint da mehr Stabilität zu sein als zuletzt.
Natürlich hilft [2][Andreas Wolff im Tor] sehr; ihn im Sommer als eine Art
Notfallmedizin aus dem polnischen Kielce nach Kiel zurückzuholen, war eine
Leistung Szilagyis – der allerdings auch unter Druck stand, nach dem
schlimmen 18:30 im Champions-League-Halbfinale gegen Barcelona etwas zu
unternehmen. Zu schwach war Kiel auf der Torhüterposition besetzt, wobei es
auch ungerecht ist, dem Gespann aus Tomáš Mrkva und Samir Bellahcene alle
Schuld an der enttäuschenden Saison zu geben. Als Nummer zwei hinter Wolff
spielt Mrkva bisher gut. Und im nächsten Jahr, wenn Gonzalo Pérez aus
Barcelona kommt, dürfte der THW zumindest nominell das beste Gespann im
europäischen Spitzenhandball haben – und das teuerste.
Es ist wie so häufig – wer die „alten Kieler“ abschreibt, macht einen
Fehler. Natürlich müssen Jicha und Szilagyi den Verjüngungsprozess
vorantreiben, hier sei das Wort „Prozess“ gestattet. Und mit Madsen im
Rückraum sowie dem verletzten Elias Ellefsen á Skipagøtu tun sie es auch
oder haben es schon getan. In dieser Mannschaft stecken genug Erfahrung und
Können, um um alle Titel mitzuspielen und im nächsten Jahr nicht noch
einmal in der kleinen und wenig attraktiven European League antreten zu
müssen, sondern standesgemäß in der Champions League.
Die Geschichte vom Machtwechsel von Kiel zu Magdeburg sollte man also noch
eine Weile in der Schublade behalten. Der SCM hat am Sonnabend zwar
[3][Tabellenführer Flensburg] in dessen Halle mit 29:27 niedergerungen. Die
Magdeburger kämpfen aber mit Verletzungen, mentaler Müdigkeit und den
Strapazen vieler Wettbewerbe. Zuletzt ließen sie viel Kraft bei der Klub-WM
in Ägypten, deren Finale sie knapp gegen den ungarischen Meister Veszprem
verloren.
Der THW wird nach Rückkehr der Maladen auch deswegen im Vorteil sein, weil
er eben europäisch nicht in der Meister-Runde spielt. Vielleicht also endet
die „Entwicklung“ dieser erfahrenen Mannschaft im Juni 2025 doch wieder mit
Feierlichkeiten vor dem Kieler Rathaus.
13 Oct 2024
## LINKS
[1] /Kiels-Handballer-schlagen-Hamburg-klar/!5962193
[2] /Deutsches-Auftaktspiel-bei-Handball-EM/!5982531
[3] /Erste-Handball-Bundesliga/!6032412
## AUTOREN
Frank Heike
## TAGS
Handball-Bundesliga
Handball
THW Kiel
THW Kiel
Handball
Kolumne Press-Schlag
SG Flensburg-Handewitt
Handball-Bundesliga
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nordderby in der Handball-Bundesliga: Flensburger Ausrufezeichen beim Kampf um …
Früher war beim Nordderby klar: Die Spieler des THW Kiel jubeln und die
Flensburger fahren wie geprügelte Hunde heim. Diese Gewissheit ist vorbei.
Handball-Spektakel in Berlin: Tag des offenen Tores
Die Füchse Berlin beweisen gegen Paris St. Germain ihr
Champions-League-Tauglichkeit und verlieren die torreiche Partie doch knapp
mit 38:40.
TV-Rechte an der Bundesliga: Die Welt des Sports im Stream
Noch nie wurde so viel Sport übertragen wie heute. Aber jetzt wird er auf
endlos vielen Plattformen verteilt, die alle Geld kosten. Wer steigt da
noch durch?
Erste Handball-Bundesliga: Favorit dank dänischer Dominanz
Nach einer eher mäßigen Vorsaison gilt die SG Flensburg-Handewitt nun als
Anwärter auf den Meistertitel, auch wenn ihnen das gar nicht so lieb ist.
HSV Handballer bekommen Lizenz: Großes Aufatmen
Für eine Lizenz für die Handball-Bundesliga muss der HSV finanzielle
Sicherheiten vorweisen. Ginge es nach dem Bergischen HC, bliebe er außen
vor.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.