Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 100 Jahre Neues Bauen in Berlin: Das Welterbe an der Wasserplansche
> Der Schillerpark ist die erste der Siedlungen der Moderne, die mit
> Mitteln der Hauszinssteuer gebaut wurde. Bis heute gehört sie einer
> Genossenschaft.
Bild: Hundert Jahre und dennoch noch putzmunter: Tauts Siedlung im Schillerpark
Berlin taz | Vielleicht ist [1][Bruno Tauts Siedlung am Schillerpark] die
unscheinbarste der [2][sechs Berliner Siedlungen der Moderne, die 2008 mit
dem Welterbetitel geadelt wurden]. Sie hat nicht den großstädtischen Gestus
der Weißen Stadt in Reinickendorf oder der Wohnstadt Carl Legien in
Prenzlauer Berg. Auch fehlt ihr eine exzentrische Figur wie bei der
Hufeisensiedlung in Britz.
Dafür ist der im Norden des Weddings in der Bristolstraße gelegene
Schillerpark die erste moderne Wohnanlage, deren Bau 1924 mit Mitteln der
Hauszinssteuer begonnen wurde. Und noch etwas zeichnet Tauts
Backsteinsiedlung mit den weiß geputzten horizontalen Fensterbändern aus:
Das Soziale wurde hier groß geschrieben.
Bauherrin der 1930 fertiggestellten Siedlung am Schillerpark war mit dem
„Berliner Spar- und Bauverein“ eine Genossenschaft. Zunächst wurden 303
Wohnungen errichtet. Um eine Förderung aus Mitteln der Hauszinssteuer zu
bekommen, musste Taut Mindeststandards einhalten. So durfte eine Wohnung
nicht kleiner als 45 Quadratmeter sein.
Eine Besonderheit sind auch die sogenannten Trockengeschosse. Die zwei
Meter hohen Geschosse unter dem Dach boten Platz zum Wäscheaufhängen und
wurden bald zu einem Wahrzeichen der Bauten von Bruno Taut. Zwischen den
Baukörpern war umso mehr Platz zum spielen.
Gleichzeitig wurde im Wedding mit einer Berliner Tradition gebrochen. Denn
der Schillerpark ist die erste Siedlung der Stadt mit Flachdächern gewesen.
Es war sozusagen der vorgezogene Auftakt für den später erbittert
ausgetragenen [3][„Dächerstreit“ in der Weimarer Republik]. Vertreter des
Neuen Bauens und Traditionalisten standen sich unversöhnlich gegenüber.
## Wedding als Vorreiter
Sozial war auch die Umgebung. Im namensgebenden Schillerpark befand sich
[4][Berlins erste Plansche]. Erst vor Kurzem wurde der Wasserspielplatz
saniert. Der Park war 1913, also noch vor dem Ersten Weltkrieg, nach den
Entwürfen von Friedrich Bauer fertiggestellt worden und gilt als erster
Berliner Volkspark. Der Wedding als Vorreiter, wann hat es das zuletzt
gegeben?
Allerdings blieb das Ziel, Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zu
schaffen, nicht selten mehr Anspruch als Wirklichkeit. Im dritten
Bauabschnitt war die Mehrzahl der Wohnungen Gewerkschaftsfunktionären
vorbehalten. Schon zuvor war die Siedlung wegen des hohen Anteils von SPD-
und KPD-Funktionären auch „Rote Bonzenburg“ genannt worden. An der Plansche
fand 1927 das Jahrestreffen des Rotfrontkämpferbundes statt.
Im Zweiten Weltkrieg durch Bomben beschädigt, wurde die Siedlung ab 1951
von Bruno Tauts Bruder Max wieder aufgebaut und von 1954 bis 1959 auf 570
Wohnungen erweitert.
Heute wird die Siedlung im Schillerpark von der [5][„Berliner Bau- und
Wohnungsgenossenschaft von 1892“] verwaltet. Die lange Tradition
genossenschaftlichen Bauens und Wohnens spielte auch bei der
Welterbeentscheidung von 2008 eine große Rolle. „Damit wird die
Genossenschaftsidee als Modell der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung
(…) weiterhin aktiv gelebt“, hieß es damals bei der Unesco.
Auch bei den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag im Juli spielte die
besondere Geschichte des Schillerparks eine Rolle. Mittes Baustadtrat
Ephraim Gothe (SPD) lobte dabei ausdrücklich den Genossenschaftsgedanken.
Die Genossenschaft selbst, die auch die vor dem Ersten Weltkrieg von Bruno
Taut errichtete Gartenstadt Falkenberg – auch sie ist Welterbe der Unescco
– bewirtschaftet, formuliert das so: „Durch die genossenschaftliche
Rechtsform ist garantiert, dass die Welterbe-Siedlungen dauerhaft im
Eigentum der Gemeinschaft verbleiben sowie jede Art von Spekulation oder
Weiterverkauf ausgeschlossen ist.“
Mag Tauts Siedlung am Schillerpark auch unscheinbar sein. Was das Soziale
angeht, ist sie auch 100 Jahre nach Baubeginn unschlagbar.
14 Aug 2024
## LINKS
[1] https://welterbe-siedlungen-berlin.de/schillerpark/orte/#515
[2] https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-deutschland/siedlu…
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Siedlung_am_Fischtalgrund
[4] https://weddingweiser.de/nasse-kinderfuesse-wasserspielplatz/
[5] https://1892.de/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Unesco-Welterbe
Neues Bauen
Berlin-Wedding
Neues Bauen
Architektur
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Architektur
## ARTIKEL ZUM THEMA
100 Jahre Hauszinssteuer: Eine Steuer für den Neubau
Vor 100 Jahren wurde in der Weimarer Republik die sogenannte Hauszinssteuer
eingeführt. Damit könnte auch heute wieder der Neubau angekurbelt werden.
Gewerkschaften gegen Wohnungsnot: „Städtebau sozial und für alle“
Tausende bezahlbare Wohnungen baute die gewerkschaftliche Gehag vor 100
Jahren – trotz Krise. Bauhistoriker Steffen Adam fordert davon eine
Neuauflage.
Neue Steuer für Vermieter: SPD will Weimarer Verhältnisse
Wie vor 100 Jahren sollen die Vermieter herangezogen werden, um den
Wohnungsneubau zu finanzieren. Senat prüft Idee einer progressiven
Mietensteuer.
Wohnen mit Mehrwert und Zukunft: Avantgarde am Stadtrand
Vor hundert Jahren entstanden in Berlin wegweisende Wohnsiedlungen, die
heute zum Welterbe der Unesco gehören.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.