| # taz.de -- Sportlerinnen aus dem antiken Sparta: Siegreich mit leichtfüßigen… | |
| > Die spartanische Wagenlenkerin Kyniska war die erste Frau, die jemals | |
| > die antiken Olympischen Spiele gewann. Anwesend sein durfte sie damals | |
| > nicht. | |
| Bild: So sah das zu Zeiten Kyniskas vermutlich nicht aus | |
| Nur wenige Worte sind uns von Kyniska überliefert: „Mein Vater und meine | |
| Brüder sind Könige von Sparta. Ich, Kyniska, siegreich mit einem Gespann | |
| leichtfüßiger Pferde, habe diese Statue errichten lassen. Ich erkläre mich | |
| zur einzigen Frau von ganz Hellas, die diese Krone gewonnen hat.“ Die | |
| spartanische Prinzessin und Wagenlenkerin Kyniska ist in die Geschichte | |
| eingegangen als die erste Frau, die jemals die antiken Olympischen Spiele | |
| gewann. | |
| Wenngleich das nur mit einem Kniff möglich war, wir kommen noch darauf zu | |
| sprechen. Kyniskas Vierergespann siegte beim Pferderennen im Jahr 396 vor | |
| der Zeitenwende, und dann noch einmal vier Jahre später. Die Spartanerin | |
| ist damit eine der ersten namentlich bekannten Frauen, die | |
| Sportgroßturniere gewann. Dass sie ein Star war, belegt etwa ihr | |
| Heldenschrein in Sparta, eine Ehre, die bis dato nur Königen zuteil | |
| geworden war. Kyniska ist quasi die Allererste der ersten Frauen [1][dieser | |
| Kolumne]. | |
| Nun waren bekanntlich auch die [2][antiken Olympischen Spiele] ein | |
| patriarchaler Wettbewerb. Frauen durften nicht teilnehmen, und selbst das | |
| Zusehen war verheirateten Frauen bei Todesstrafe verboten. Widerstand gab | |
| es, so haben sich wohl mehrere weibliche Angehörige von Olympioniken das | |
| Zusehen erstritten. Eine gewisse Kallipateira soll sich sogar als Trainer | |
| verkleidet haben, um ins Stadion zu kommen; allerdings ist das eine späte, | |
| eher zweifelhafte Version. | |
| In jedem Fall gab es trotz aller Vorkehrungen ein Schlupfloch, das Kyniska | |
| ausnutzte. Denn bei den Pferderennen galten als Sieger nicht die Fahrer, | |
| sondern die Besitzer:innen der Gespanne. Kyniska besaß ein Gespann und | |
| trainierte ihre Pferde persönlich, ließ den Wagen beim Wettbewerb aber von | |
| einem Mann lenken – und gewann zweimal Olympia. Ihrem Triumph beiwohnen | |
| durfte sie nicht. | |
| ## Sparta: eher diktatorisch als emanzipatorisch | |
| Bedenkt man, woher sie kam, war die Laufbahn nicht so ungewöhnlich. Denn in | |
| Sparta, schreibt die brasilianische Forscherin Paula Viviane Chiés, | |
| erhielten Frauen eine gleichwertige Sportausbildung wie Männer. Das war | |
| eher diktatorisch als emanzipatorisch: Sie sollten fitte Söhne gebären. | |
| Während Athener Mädchen nur auf ihr Leben als Hausfrau vorbereitet wurden, | |
| trainierten die Mädchen in Sparta in gleichen Outfits wie die Jungs Boxen | |
| und Kampf, Sprung und Lauf sowie Speer- und Diskuswurf. | |
| Sie nahmen auch an öffentlichen Sportwettbewerben teil. Nicht ganz zufällig | |
| kamen bei den Hera-Spielen, einer heute wenig bekannten Minivariante von | |
| Olympia für Frauen, die meisten Siegerinnen aus Sparta. Kyniskas Interesse | |
| an Sport war also kein Zufall. Zudem bot Sparta, anders als Athen, für | |
| Frauen die Möglichkeit, Eigentum zu besitzen und ein Leben außerhalb des | |
| Hauses zu führen. Beides zentrale Voraussetzungen für ein Wagengespann. | |
| Feministisch reklamieren lassen sich die Olympiasiege dennoch eher nicht. | |
| Mehrere Quellen nämlich berichten, dass in Wahrheit ihr Bruder, König | |
| Agesilaos, Kyniska gedrängt habe, bei Olympia teilzunehmen. Entweder um zu | |
| beweisen, wie unmännlich und wenig leistungsorientiert Wagenrennen seien, | |
| oder als politisches Eigenmarketing. | |
| Andererseits wäre es nicht das erste Mal, dass männliche Zeitgenossen einer | |
| erfolgreichen Frau eigene Motive absprechen, und die Quellenlage ist wie | |
| oft in der Antike dürftig: Wichtige Kyniska-Quellen wie die von Pausanias | |
| und Plutarch sind erst hunderte Jahre später entstanden. Der Kult um sie | |
| jedenfalls überlebte die spartanische Adlige. Mehrere weitere Frauen | |
| versuchten sich nach ihr im Wagenrennen; und noch hundert Jahre später, als | |
| Berenike von Ägypten das Rennen bei Olympia gewann, ließ sie verkünden, sie | |
| habe den Ruhm von Kyniska gestohlen. | |
| ## Heute fast schon Kult | |
| Heute ist die Spartanerin weltbekannter als zu Lebzeiten, vereinnahmt vom | |
| Zeitgeist. Ein neues Kyniska-Musical anlässlich von Olympia in Paris will | |
| das Publikum Glauben machen, dass Kyniska eine Art feministische | |
| Disney-Prinzessin war. Cynisca Cycling wurde 2022 als reines | |
| Frauen-Radrennteam gegründet, um Frauen im Radsport zu empowern. Die | |
| britische Kyniska Advocacy ist eine Organisation von Athletinnen gegen | |
| Missbrauch im Sport, die Kyniska zu einer „Wegbereiterin für Frauen im | |
| Sport“ erklärt. | |
| Auf russischen Kunstplattformen werden Wagenrenn-Broschen und athletische | |
| Aktmalereien zu Kyniska feilgeboten, während in Griechenland eine | |
| unübersichtliche Menge Luxusressorts ihren Namen tragen. Je länger eine | |
| Sportlerin unter der Erde liegt, desto weniger gehört ihre Geschichte ihr. | |
| Was wohl die echte Kyniska dazu sagen würde? | |
| 25 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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