# taz.de -- Präsidentschaftswahl im Iran: Massud Peseschkian gewinnt | |
> Der moderatere Kandidat hat sich gegen seinen erzkonservativen Rivalen | |
> durchgesetzt. Im Wahlkampf forderte er bessere Beziehungen zum Westen. | |
Bild: Massud Peseschkian bei einem Wahlkampfauftritt im Juni in Teheran | |
Teheran dpa/ap/taz | Der Iran steht nach dem Wahlsieg des gemäßigten | |
Präsidentschaftskandidaten Massud Peseschkian vor einem möglichen | |
Politikwechsel. Der Herzchirurg und frühere Gesundheitsminister setzte sich | |
mit 53,7 Prozent der Stimmen gegen seinen ultrakonservativen Herausforderer | |
Said Dschalili durch, wie der Sprecher der Wahlbehörde in Teheran am Morgen | |
verkündete. Angesichts der komplexen politischen Gemengelage und mächtigen | |
Interessengruppen im Iran ist jedoch unklar, inwiefern vom Stichwahlsieger | |
Peseschkian tatsächlich ein signifikanter Kurswechsel zu erwarten ist. | |
Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von Anhängern, die den Wahlsieg des | |
69-Jährigen in den frühen Morgenstunden mit Hupkonzerten feierten. In der | |
Hauptstadt Teheran waren die Reaktionen zunächst jedoch verhalten. | |
„Wir werden allen die Hand der Freundschaft reichen“, sagte Peseschkian | |
nach seinem Wahlsieg. „Lasst uns alle am Aufstieg des Landes arbeiten.“ | |
Auch politische Konkurrenten seien Brüder. Dschalili äußerte sich zunächst | |
nicht zum Wahlausgang. | |
Rund 61 Millionen Menschen waren am Freitag dazu aufgerufen, sich in der | |
zweiten Abstimmungsrunde zwischen Peseschkian und Dschalili zu entscheiden. | |
Das Innenministerium verlängerte die Möglichkeit zur Stimmabgabe mehrfach | |
bis in die späten Abendstunden. Letztlich entschieden sich gut 16,4 | |
Millionen Wahlberechtigte für den moderaten Kandidaten Peseschkian, etwa | |
13,5 Millionen für Dschalili. | |
Wie bereits bei der diesjährigen Parlamentswahl waren die Wochen vor der | |
Abstimmung [1][von auffälliger Gleichgültigkeit geprägt]. Auch weil | |
letztlich [2][alle zugelassenen Kandidaten dem Regime nahestanden]. Ein | |
echter Reformer, der [3][die Stimmen der Demonstrant:innen] der letzten | |
Jahre repräsentiert hätte, [4][stand nicht zur Wahl.] | |
[5][In der ersten Runde] schlug sich das in einer historisch niedrigen | |
Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent nieder. In der zweiten Runde erreichte | |
die Beteiligung dann 49,8 Prozent. | |
Die vorgezogene Wahl folgte auf den Tod von Amtsinhaber Ebrahim Raisi, der | |
im Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Seine knapp | |
dreijährige Regierungszeit war von großer politischer Repression, | |
Protestwellen und einer Verschlechterung der Wirtschaftslage geprägt. | |
## Vertrauen des Volkes zurückgewinnen | |
Peseschkian stammt aus dem Nordwesten des Landes. Während des Ersten | |
Golfkriegs mit dem Nachbarn Irak absolvierte er ein Medizinstudium und | |
diente zwischenzeitlich auch an der Front. Nach dem Krieg führte er seine | |
Arbeit als Arzt fort und machte in der Millionenmetropole Tabris als | |
Herzchirurg Karriere. | |
Im Wahlkampf warb der eher unscheinbare Politiker für ein neues | |
Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Volk, denn die meisten Iraner | |
sind nach gescheiterten Reformversuchen maßlos enttäuscht von der Politik. | |
Wie viele andere Politiker des Reformlagers auch forderte Peseschkian eine | |
Verbesserung der Beziehungen zum Westen, auch um das Land zu öffnen und die | |
angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln. | |
Der Witwer, der Anfang der 90er Jahre seine Ehefrau und einen seiner Söhne | |
bei einem Verkehrsunfall verlor, erschien auf seinen Wahlkampfterminen auch | |
mit Tochter und Enkelkind. Mit seinem Bemühen um Nahbarkeit und dem | |
Wahlkampfslogan „für Iran“ wollte Peseschkian deutlich machen, dass er sich | |
für das Volk einsetze. | |
Inwieweit er dieses Versprechen einlösen will und kann, ist unklar. | |
Peseschkian bekundete seine uneingeschränkte Loyalität zu Religionsführer | |
Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort | |
hat und der mächtigste Mann in der Islamischen Republik ist. | |
Während der zweiten Präsidentschaft Mohammed Chatamis (2001-2005) sammelte | |
Peseschkian bereits Regierungserfahrung als Gesundheitsminister. Trotz | |
seiner gemäßigten Rhetorik stellte er sich hinter die mächtigen | |
Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, und lobte den jüngsten Angriff | |
mit Drohnen und Raketen auf den Erzfeind Israel im April. In den | |
TV-Debatten bezeichnete er sich selbst als wertkonservativen Politiker, der | |
jedoch Reformen für notwendig hält. | |
6 Jul 2024 | |
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