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# taz.de -- Wortkunde: Schluss mit Schland
> Deutschland ist raus aus dem Turnier. Keine Schlaaand-Rufe also mehr zu
> hören in nächster Zeit. Aber woher kommt eigentlich dieses Wort: Schland?
Bild: Es ist vorbei…
Das Konterfei von Julian Nagelsmann auf der Cola-Dose hebt sich silbern vom
Rot ab. Kurz meine ich eine Träne in seinem Auge zu sehen, aber es ist doch
nur Kondenswasser. Dennoch: die Stimmung im Rewe ist gedrückt, die
Schwarz-rot-gold-Artikel liegen in den Aktionskisten wie Schoko-Nikoläuse
Mitte Januar. Die Niedergeschlagenheit zieht sich bis zu meiner Wohnung.
Der Nachbar auf dem Balkon gegenüber faltet andächtig seine strandtuchgroße
Deutschlandflagge zusammen.
Vor wenigen Tagen hatte das „Schland o Schland“ aus seinen Boxen noch den
2010er-Vibe kurz zurückgeholt, den wir alle hatten fühlen wollen. Ich rufe
zu ihm rüber, ob wir denn zusammen das Halbfinale schauen möchten. „Was für
ein Halbfinale?“, grummelt er nur. „Die EM ist vorbei.“ Kein Schland, kei…
EM. Ob ich sein [1][Check24-Trikot] haben möchte, er schmeiße es sonst
nachher zu den Altkleidern. Ich schüttle den Kopf, nippe an meiner
Nagelsmann-Cola.
Kein Schland, keine EM, wiederhole ich in Gedanken. Seitdem mir die
Existenz einer deutschen Nationalmannschaft bewusst ist – etwa seit Beginn
der Nullerjahre – kommt immer wieder dieses unangenehme Wort auf: Schland.
Schland kann man einfach schreien.
Und Schland erinnert an verlaufene Schwarz-rot-gold-Schminke im Gesicht, an
Endlich-wieder-stolz-sein-können-auf-sein-Land, an Bierdusche und Schweiß
beim Public Viewing und Grillschürze mit Fußballmotiv. Aber auch an
Merkel-Ära und Schlandkette. Warum, frage ich mich nun nach fast zwei
Jahrzehnten des Fremdschämens. Warum eigentlich „Schland“?
## Neologismus der Nullerjahre?
„Leider ergab Ihre Suchanfrage keine Treffer. Meinten Sie Hochland,
Schlange oder Schlankl?“ In den Duden hat der Begriff es wohl noch nicht
geschafft, bemerke ich. Wikipedia weiß mehr: „Schland [ ’∫lant] ist ein
humoresk konnotiertes Kunstwort und eine Abkürzung von,Deutschland'.“
Und das Neologismenwörterbuch ordnet ein: Neologismus der Nullerjahre.
Neutrum. Umgangssprachlich. Bedeutungsangabe: „Deutschland als Land, dessen
Bewohner ihre Fußballnationalmannschaft in einer Welt- oder
Europameisterschaft feiern.“ Typische Verwendungen: „Schland“ rufen,
„Schland“ brüllen, „Schland“ grölen, ein fröhliches „Schland“. A…
EM, kein Schland?
Ich suche weiter und stoße auf: Stefan Raab! Er hat den „Schlaaand“-Ruf
groß gemacht, lese ich, damals bei „TV total“. Und ihm beziehungsweise
seiner Produktionsfirma gehört mittlerweile sogar die Wortmarke. Schland
ist Eigentum von Stefan Raab.
Dabei, erfahre ich weiter, war der Begriff nicht mal seine Idee. Sondern
die des Künstlers Knut Kargel. Das allererste Mal tauchte „Schland“
tatsächlich schon 1988 auf. In zwei Schwarz-Weiß-Fotocollagen, die das von
Helmut Kohl regierte Deutschland kritisieren sollten: „Kohl and the Gang“
und „Schland-Suche“. Ausgerechnet 1988. Als [2][Rudi Völler] noch Spieler
war und im entscheidenden Vorrundenspiel zwei Tore schoss. Gegen Spanien!
Vielleicht ganz gut, dass es Fußball-Schland damals noch nicht gab.
8 Jul 2024
## LINKS
[1] /Deutschlandtrikot-von-Check24/!6014697
[2] /DFB-Sportdirektor-Voeller-bei-Nius/!5971475
## AUTOREN
Ruth Lang Fuentes
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