| # taz.de -- Nach dem EM-Aus: Die Ossis Italiens haben’s geahnt | |
| > Was passiert mit einer EM, wenn das eigene Team früh raus ist? Im | |
| > süditalienischen Dorf ist man nicht überrascht. | |
| Bild: Das Kruzifix sitzt, aber der Blick ist skeptisch: italienische Fans | |
| Es war schnell vorbei mit den Flaggen in meiner italienischen | |
| Nachbarschaft. Kaum gegen die Schweiz ausgeschieden, hat die Öffentlichkeit | |
| aufgeräumt mit dem Turnier. Wörtlich über Nacht sind die Trikolore an den | |
| Häusern runtergenommen worden, und sowieso waren sie erst zum | |
| Vorrundenfinale dort gelandet, und auch nicht besonders viele. Siegen tut | |
| man gemeinsam, verloren hat das Team allein; darin stehen die | |
| Italiener:innen den Deutschen in nichts nach. | |
| Was wird mit so einem Turnier, während das eigene Team längst im Urlaub | |
| sitzt? Der Schock saß nicht besonders tief im süditalienischen Apulien, | |
| denn der Optimismus hielt sich in meiner Nachbarschaft eh in Grenzen. Was | |
| [1][diese italienische Gurkentruppe alles nicht kann], ahnten viele schon, | |
| bevor auch Deutschland es sah. Eine „Squadretta“ nannte ein Nachbar die | |
| Squadra vor Turnierstart, eine unschmeichelhafte Miniatur. „Außer | |
| Donnarumma haben wir niemanden. Und Donnarumma allein kann es auch nicht | |
| retten.“ Recht hatte er wohl. | |
| Echte Typen und Straßenfußballer alter Schule würden fehlen, nun ja, manche | |
| Dauerdiskurse sind offenbar international. Auch die Supermärkte waren in | |
| der Werbeschlacht eher zurückhaltend. Das Aus habe ich in einer Art | |
| Co-Watching verfolgt: zu Anfang, in der Halbzeit und am Schluss ein paar | |
| verständnisvolle Gesten über die Gartengrenze. Für das italienische Ende | |
| hatte der Nachbar nur einen Satz übrig: „Was für eine Scheiße.“ Und dana… | |
| Nach der Scheiße, nach dem Ende? | |
| Rund ums Ausscheiden der Italiener haben deutsche Texte die übliche Analyse | |
| wiederholt: Dass sie das Nationalelf-Fansein eben nicht draufhätten, die | |
| Italiener:innen. Kein organisierter Support, der heimische Klubfußball als | |
| König, der Campanilismo, das gute alte Buzzword Kirchturmpolitik also, | |
| demzufolge hier nur das eigene Dorf zählt. Vieles daran ist wahr. Aber aus | |
| süditalienischer Sicht eben nicht alles. Wir sind ja quasi die Ossis | |
| Italiens, hier unten am Absatz des Stiefels ist spitzenfußballerisch | |
| wirklich nichts los. | |
| ## Fast alle Großklubs im Norden | |
| Alle Großklubs sitzen im Norden, außer [2][natürlich Napoli, dem | |
| angeblichen Stern des Südens], aber bitte, nach dahin sind es vier Stunden | |
| Autofahrt. Von Neapels Meisterschaft fühlt man sich in Apulien ungefähr so | |
| repräsentiert wie in Rostock von [3][einem Pokalsieg von RB Leipzig]. | |
| Sympathien gibt es im Ort eher für Juventus oder AS Rom. | |
| Und kommen Sie jetzt nicht mit der US Lecce, deren letzter internationaler | |
| Schlagzeilenerfolg der Kopfstoß von nun Ex-Trainer Roberto D’Aversa gegen | |
| einen Spieler war. Was bleibt also fußballerisch übrig, außer das | |
| Nationalteam anzufeuern? Zweite Garde? Nein, die EM-Zeit ist die | |
| wahrscheinlich einzige Zeit, wo Fußballgucken hier am Südzipfel wirklich | |
| groß ist. | |
| Die Bindung zur Nationalelf bleibt dabei ironisch-flexibel wie zu Italien | |
| selbst. Aufm Land ist das meiste weit weg oder suspekt, inklusive allzu | |
| großer Dramatik. Der Abschied der italienischen Elf hat die EM aus dem | |
| Dorfbild getilgt, aber nicht von den Bildschirmen. Nachbarn gucken recht | |
| gelassen weiter. | |
| 3 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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