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# taz.de -- Tiere als Sündenböcke: Bad Animals
> Viele Probleme der Welt sind menschengemacht. Weil die Politik das ungern
> vermittelt, müssen andere Schuldige her. Zum Glück gibt's (noch) genügend
> Tiere.
Bild: Der Kormoran frisst bis zu einem halben Kilo Fisch am Tag
## Der Kormoran
Deutschlands Fischer_innen geht’s schlecht. Die Meere, Seen, Teiche und
Flüsse sind wie leergefegt – kein Fisch mehr zu fischen. Und geht’s den
Fischer_innen schlecht, haben auch Gastronom_innen und wir nichts mehr zu
lachen. Zum Glück ist der Schuldige aber längst gefunden: der Kormoran. Der
räuberische Vogel kann gut ein halbes Kilo Fisch am Tag fressen und ist zu
allem Überfluss auch noch als gefährdete Art geschützt. Laut Fischer_innen
muss der Kormoran weichen, damit es wieder was zu fischen gibt. Prominente
Fürsprecher haben sie in Friedrich Merz und Alexander Dobrindt gefunden,
die jetzt ein umfassendes Kormoranmanagement fordern. Vergrämungsmaßnahmen
und Abschussprämien sind im Gespräch. Dass – wie Klimaforscher_innen
nahelegen – die Erwärmung des Gewässers und eingewanderte Arten schuld an
der Fischarmut sind, kann man da getrost ignorieren. Warum die Klimakrise
bekämpfen, wenn man auch einfach Kormorane abknallen kann?
## Der Otter
Es gibt wohl keine Lebensform, die vor Markus Söder sicher wäre, wenn ihre
Vernichtung ihm und seiner Parteivereinigung ein paar Wählerstimmen
einbrächte. Dass er aber sogar das putzigste aller Tierchen zerbatzen
wollte, weil der bayerische Landesfischereiverband mehr Mitglieder hat als
die CSU, zeigt Söders ganze Verkommenheit. Die supersweeten Fischotter in
bayerischen Landen [1][hat dann aber letztlich der Verwaltungsgerichtshof
vor dem zur Landtagswahl im letzten Jahr geplanten Totalabschuss gerettet.]
Dass es sich [2][bei den seit Kurzen auch wieder in Berlin heimischen
Ottern] um Geflüchtete aus Bayern handelt, ist dabei wohl nur ein Gerücht –
aber da Söder ja wirklich einer zum Davonlaufen ist, liegt die Sache halt
nahe.
## Die Katze
Singvögel werden in Deutschland sehr geschätzt. Trillilitrillila macht ein
Gutteil deutscher Dichtung aus und irgendein Trillilitrillila ist immer
grad vorm Aussterben bedroht. [3][Vogelliebhaber zeigen in diesem Kontext
gern mit dem Finger auf die Katze.] 200 Millionen tote Vögel sollen in
Deutschland auf ihr Konto gehen. Die Botschaft: Katzen schlimmer als Nazis.
Die Quelle der Zahlen sind natürlich immer nur „grobe Schätzungen“. Aber
einmal in der Welt, haben diese Zahlen Folgen. In Baden Württemberg
beispielsweise haben Katzen zwischen 1. April und 31. August Hausarrest,
aus Sorge um den Fortbestand der Haubenlerche. Investigativrecherchen
hätten ergeben, dass Katzen im kurpfälzischen Walldorf-Süd einen Anschlag
planen. „Geil, ’ne Haubenlerche. Die mach ich platt“, wollen Vogelschütz…
von Walldorfer Katzen gehört haben, die bei der Planung des Massenmords
dabei waren. Die Vogelschützer hatten sich dort als Spitzel eingeschlichen
und bereiten zurzeit die Anklage der Katzen vor dem Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag vor.
## Der Wolf
„Der Wolf gehört hier nicht her!“, findet Markus Söder und forderte im
Frühling 2023 kurzerhand, den Abschuss der Raubtiere zu erleichtern. Wer
oder was in Söders Kopf sonst noch „nicht hierhier gehört“, möchte man
lieber nicht wissen, klar ist jedenfalls, dass der Wolf eine perfekte
Projektionsfläche bietet. Er reißt nachts unschuldige Schafe. Sind etwa
auch wir Menschen bald in Gefahr? Über die Sinnhaftigkeit der Verordnung,
die den Abschuss von Wölfen erlaubt, lässt sich streiten, über die Gefahr,
die der Wolf für die Nutztierhaltung darstellt, ebenso. Wenigstens aber
konnte Söder die Gunst des Bauernverbandes gewinnen – der den Vorstoß
begrüßte –, ohne echte Lösungen für Probleme in der Landwirtschaft
anbieten zu müssen.
## Der Löwe
Es war das perfekte Sommerloch-Thema. In Brandenburg wurde [4][im
vergangenen Jahr eine Löwin im Wald gesichtet], ein Anwohner aus
Kleinmachnow hatte ein verschwommenes Video davon ins Netz gestellt.
Hunderte schwerbewaffnete Polizist_innen suchten mit Drohnen, Hubschraubern
und sogar einem Panzer stunden-, tage-, ach, gefühlt wochenlang nach dem
entlaufenen Raubtier. Wem das Tier gehören sollte, war eh klar: den bösen
Clans. Ob nun Abou-Chaker oder Remmo, spielt da keine Rolle, gegen die
ganzen Clans müsste eh mal mehr unternommen werden. Gibt’s da nicht auch
ein paar Vergrämungsmaßnahmen? Dass die Löwin sich später als Wildschwein
herausstellte, sollte an der Sache nichts ändern – sind schließlich auch
gefährliche Wesen, die mit ihren Zähnen die Schlagadern an den
Oberschenkel-Innenseiten von Menschen so stark verletzen können, dass es
schnell mal um Leben und Tod gehen kann.
24 Jun 2024
## LINKS
[1] /Otterschutz-in-Bayern/!6007985
[2] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/av7/video-fischotter-in-berlin.html
[3] /Bauernverband-ueber-Voegelsterben/!5408577
[4] /Loewin-bei-Kleinmachnow-gesichtet/!5948646
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