| # taz.de -- Ungarn vor dem Deutschland-Spiel: Chaos, lange bewährt | |
| > Der Spielstil der Ungarn wird von Trainer Rossi als „relational“ | |
| > bezeichnet. Dass er gegen die Schweiz nicht aufging, hat nichts zu sagen. | |
| Bild: Der ungarische Spieler Willi Orban (links) im Zweikampf mit Granit Xhaka … | |
| Es geht manchmal schnell. Vor Kurzem entstand noch der Eindruck, man müsste | |
| mindestens zwei Semester Fußballtaktik studiert haben, um das Spiel der | |
| Ungarn zu verstehen. Verstärkt wurde das von Trainer Marco Rossi selbst, | |
| der vor der EM eine etwas kryptische Selbstbeschreibung wählte. „Wir | |
| spielen eine Art Fußball, die weniger positionell ist und mehr relational.“ | |
| Gemeint war so ganz grob, dass die Ungarn schon mal gern eine Seite des | |
| Spielfelds mit vielen Spielern überlagern, die dann in Überzahl ein | |
| aufeinander abgestimmtes Chaos anzetteln sollen. | |
| Die Ergebnisse des Teams, das abgesehen von Dominik Szoboszlai, der dem FC | |
| Liverpool 70 Millionen Euro wert war, über keine Ausnahmespieler verfügt, | |
| luden in den letzten Jahren schon zum Staunen ein. Sie bereiteten großen | |
| Nationen wie Frankreich und England große Probleme – und den Deutschen | |
| natürlich sowieso. | |
| Doch nach [1][der EM-Auftaktniederlage gegen die Schweiz (1:3)] steht | |
| niemandem bei den Ungarn der Sinn nach öffentlicher Taktikexegese, zumal | |
| sie vom sehr fluide spielenden Gegner mit ihren eigenen Waffen geschlagen | |
| wurden. In dieser Lage nun noch gegen die völlig euphorisierte deutsche | |
| Mannschaft etwas Zählbares zu erreichen, „erscheint fast ein unmögliches | |
| Unterfangen zu sein“, wie Rossi einräumte. Wobei er betonte, dass er die | |
| DFB-Elf bereits vor der Partie gegen Schottland schon als den großen | |
| Turnierfavoriten gesehen hat. | |
| Auffällig war beim ersten ungarischen EM-Spiel, wie stark das Team von | |
| seinen einstudierten Mustern lebt und über wie wenig selbstregulierende | |
| Kräfte man bei Störfällen verfügt. Von außen konnte Rossi während der | |
| ersten Halbzeit keinen Einfluss nehmen und musste auf die Halbzeitpause | |
| warten, um korrektiv einzugreifen. Dass sich sein Team von der Schweiz so | |
| verwirren ließ, kreidete sich der Trainer ganz und allein selbst an. | |
| ## Lang und Orban | |
| Das Fehlen individueller Klasse macht sich aber dann besonders bemerkbar, | |
| wenn der taktische Krückstock wegbricht. Adam Lang, Willi Orban und Attilla | |
| Szalai wirkten doch sehr behäbig und dürften gegen quirlige Spieler wie | |
| Jamal Musiala und Florian Wirtz auf größere Unterstützung aus dem Kollektiv | |
| angewiesen sein. Rossi sprach allgemein von Einzelfehlern, „die für mich | |
| sehr schwer zu kommentieren sind“. Nur ein, zwei Spieler hätten eine | |
| individuell gute Leistung erbracht. | |
| Szoboszlai, auf dessen Schultern zu viel Verantwortung für das | |
| Offensivspiel zu lasten scheint, gehörte nicht dazu. Doch was kann man tun, | |
| wenn sich eine solch hohe Fehlerquote etabliert? Rossi glaubt an einen | |
| negativen Ausreißer. Er gehe nicht davon aus, erklärte er, dass solche | |
| Fehler zu einer Konstante würden. Eine besondere Strategie, diese | |
| abzustellen, gäbe es nicht. Er könne seinen Schützlingen lediglich | |
| nahelegen, das Spiel nicht zu kompliziert zu machen. | |
| [2][Ein allzu düsteres Bild] wollte der Italiener Marco Rossi für das | |
| weitere Turnier sowieso nicht zeichnen. Schließlich hatte er das | |
| „unmögliche Unterfangen“ gegen die Deutschen um das kleine Wörtchen „fa… | |
| ergänzt. Er erinnerte bei der Gelegenheit daran, dass die Ungarn schon bei | |
| der letzten Europameisterschaft 2021 denkbar schlecht mit einer | |
| 0:3-Niederlage gegen Portugal gestartet waren, um dann danach Frankreich | |
| und Deutschland jeweils einen Punkt abzutrotzen. So schnell lässt sich | |
| diese Mannschaft nicht aus seinem lang bewährten Konzept bringen. | |
| Egal wie positionell oder relational [3][die Ungarn am Mittwoch] in | |
| Stuttgart spielen, eine gewisse Widerständigkeit, das konnte man gegen die | |
| Schweiz ebenfalls beobachten, ist ihnen immer eigen. Für die Deutschen sind | |
| sie damit zu einer Art Angstgegner geworden. In den letzten drei Jahren | |
| trugen die beiden Teams drei Pflichtspiele gegeneinander aus, und keines | |
| konnte die DFB-Elf für sich entscheiden (2:2, 1:1, 0:1). Diese Partie hat | |
| also auch eine mentale Komponente, die nicht zu unterschätzen ist. | |
| 19 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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