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# taz.de -- Snooker-WM in Sheffield: Vorstöße in die Wüste
> WM-Favorit Ronnie O’Sullivan provoziert die Billard-Welt. Der Engländer
> will nicht mehr in dunklen kalten britischen Hallen spielen.
Bild: Stichelt gerne: Ronnie O'Sullivan
Am grünen Tisch mit den vielen bunten Kugeln ist er der Großmeister. Wenn
[1][Ronnie O’Sullivan] zum Queue greift, dann richtet sich die
Aufmerksamkeit unwillkürlich auf den 48-Jährigen. So ist das auch bei der
seit Samstag laufenden [2][Snooker]-WM. Experten und Fans fragen sich, ob
der Träger des Ordens Officer of the British Empire seinen achten WM-Titel
gewinnt.
Das wäre ein neuer Rekord in der an Rekorden ohnehin reichen Karriere des
Weltranglistenersten. „Ich glaube immer noch, dass ich noch ein oder zwei
Weltmeistertitel in mir habe“, sagt er. „Solange ich mich am Snookertisch
jung fühle, ist das Alter nur eine Zahl.“ Vier, fünf Jahre wolle er die
Konkurrenz noch ärgern. Doch [3][O’Sullivan] wäre nicht er selbst, wenn er
ohne Aufsehen zum Tisch schritte. Auch diesmal sorgt er für Diskussionen im
Vorfeld. Es geht um den Spielort der WM: das ikonische Crucible Theatre in
Sheffield.
Seit 1977 wird in dieser Location das Hochamt des Snooker vollzogen. In die
Arena passen zwar nicht einmal 1.000 Zuschauer. Die sind aber hautnah dran
an den Stars der Szene, dem Belgier Luca Brecel, dem Briten [4][Mark Selby]
oder dem Nordiren Mark Allen. Snooker im Crucible, das ist wie Pech und
Schwefel. Das Crucible ist in der Tat ein Schmelztiegel, denn
Veranstaltungsort und Sport sind miteinander fest verwachsen. Bis 2027 wird
mindestens noch im Crucible Theatre die Snooker-WM ausgespielt, dann werden
die Karten wohl neu gemischt – sehr zur Freude von [5][Ronnie O’Sullivan],
der lieber heute als morgen das Crucible verlassen würde, wie er nun
andeutete.
„Das Crucible ist ein großartiger Ort, versteht mich nicht falsch“,
erklärte O’Sullivan, „es hat eine großartige Geschichte, aber als
Snooker-Spieler gedeiht man in der Umgebung, in der man spielt.“ Und in
Sheffield fühlt sich O’Sullivan nur bedingt wohl: Es sei schwer, genügend
Übungszeiten zu bekommen, Ort und Ambition passten nicht mehr zusammen, die
WM verdiene etwas Größeres, Standesgemäßes.
## Die Katze aus dem Sack
Dann ließ der Mann, der in fünf Minuten und acht Sekunden das schnellste
Maximum Break der Snooker-Geschichte gespielt hat, die Katze aus dem Sack:
„Ich denke, [6][Saudi-Arabien] könnte dieses Turnier in den Griff bekommen,
es am Schopf packen und in ein Wimbledon oder eine French Open des Snooker
verwandeln, es wirklich zu einem Super-Event machen.“ Ronnie O’Sullivan ist
also der nächste Sportstar, der den Saudis und ihrer radikalen
[7][Sportoffensive] zuarbeitet.
Fußball, Golf, Handball, Boxen, Motorsport – überall wollen die Strategen
aus Riad und Dschidda ganz vorn dabei sein. Im März veranstaltete
Saudi-Arabien das erste World-Masters-of-Snooker-Event, das auch in der
kommenden Saison ausgespielt wird. Unter der Woche kamen die besten Spieler
zusammen, und dieser Traditionsbruch wurde forciert durch die Anzugordnung
der Stars: Sie spielten im kurzärmligen Hemd; Fliege und Weste blieben im
Koffer.
Mark Allen zeigte wie andere auch seine üppigen Arm-Tattoos, und plötzlich
wirkten die Spieler nicht mehr wie distinguierte Präzisionsartisten,
sondern wie Kneipenkumpels, die sich zum Bälleschieben (und Abkassieren) in
der Wüste treffen. Passend dazu trägt Ronnie O’Sullivan seit geraumer Zeit
auch noch Turnschuhe am Snookertisch. Das habe zwar eine medizinische
Indikation, bleibt aber in den Augen vieler Briten degoutant.
## Wettern gegen Spielstätten
Im August findet nun erstmals ein Ranglistenturnier in Saudi-Arabien statt,
bei dem es 2 Millionen Pfund zu holen gibt. Die Saudi Masters werden somit
zum höchstdotierten Turnier außerhalb der WM. Das Crucible Theatre ist
übrigens nicht die einzige Spielstätte, gegen die Ronnie O’Sullivan
wettert. Der [8][Alexandra Palace] in London, vielen Darts-Fans als Ally
Pally hinlänglich bekannt, kommt in seiner Betrachtung sogar noch
schlechter weg.
„Ich mag diesen Ort einfach nicht. Ich finde ihn ekelhaft“, sagte er über
den Spielort der UK Masters. „Überall ist es schmutzig. Es ist kalt,
eiskalt, ich muss meinen Mantel überall tragen, um nicht zu erfrieren.
Müll, Parkplätze, ehrlich gesagt, er macht mich einfach krank.“
Traditionalisten verstört Ronnie O’Sullivan, der am Mittwoch gegen Jackson
Page ins WM-Turnier von Sheffield einsteigt, damit natürlich aber auch
einen Takt vorgibt, nach dem der Sport in den kommenden zwei Jahrzehnten zu
marschieren scheint.
22 Apr 2024
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## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Snooker
England
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