# taz.de -- Billiard-Boom in China: Snooker für die Gentlemen | |
> Immer mehr chinesische Snookerspieler bedrohen die Vormachtstellung der | |
> britischen Profis. Als Rüpel sind sie aber weiterhin ungeschlagen. | |
Bild: Voller Körpereinsatz am großen Snookertisch. | |
DUBLIN taz Die Briten sind nicht mehr länger unter sich. Bislang war | |
Snooker eine Angelegenheit der Britischen Inseln, nur einmal gewann ein | |
Fremder die Weltmeisterschaft: Cliff Thorburn aus Kanada. Doch nun sind die | |
Chinesen auf dem Vormarsch. Bei der Weltmeisterschaft im Crucible Theatre | |
im nordenglischen Sheffield sind am Mittwochabend mit Liang Wenbo, dem | |
U-21-Weltmeister, und Ding Junhui zwei Chinesen in die Runde der letzten 16 | |
eingezogen. | |
Ding Junhui hat in China eine Snookerwelle ausgelöst, 50 Millionen Chinesen | |
greifen inzwischen zum Queue. Ding begann mit acht Jahren, Snooker zu | |
spielen. Wegen seines Talents kam er bald ins Snookerzentrum nach Dongguan, | |
als 15-Jähriger ging er nach England und trainierte mit dem Weltmeister | |
Peter Ebdon. 2005 gewann er die China Open und die britischen | |
Meisterschaften. Seitdem gehört er zu den drei beliebtesten Sportlern in | |
seinem Heimatland. In Sheffield teilt er sich mit vier weiteren Chinesen | |
eine Wohnung und übt täglich gemeinsam mit ihnen. | |
Snooker, das 1875 in Indien von der britischen Kolonialarmee erfunden | |
wurde, ist eine Variante des Billard. Es geht darum, 15 rote und 6 | |
andersfarbige Kugeln mit dem weißen Spielball in die Taschen zu versenken. | |
Während die roten Kugeln ausscheiden, wenn sie versenkt sind, werden die | |
andersfarbigen Kugeln, die unterschiedliche Punktwerte haben, jedes Mal | |
wieder auf den Tisch zurückgelegt, bis die letzte rote Kugel versenkt ist. | |
"Snooker" bedeutet, jemanden in eine ungünstige Spielsituation zu bringen, | |
was inzwischen auf Alltagssituationen übertragen wurde. | |
Snooker soll ein Spiel für Gentlemen sein, so wünscht es sich der Verband, | |
um vom Ruch einer Kneipensportart loszukommen. So müssen die Spieler bei | |
wichtigen Turnieren ein weißes Hemd mit Weste und Fliege tragen und sich | |
anständig benehmen. Das gelingt nicht allen. Alex Higgins zum Beispiel. Der | |
Nordire zettelte mitunter Schlägereien im Foyer des Crucible an, urinierte | |
in Blumentöpfe, schluckte während der Pause vierfache Wodkas und | |
beschimpfte seine Gegner. | |
Higgins ist nun Ende 50, sein Nachfolger als Rüpel ist Ronnie OSullivan. | |
Zuletzt benahm sich der 32-Jährige bei den China Open im März daneben. Er | |
hatte bei der Pressekonferenz schlechte Laune, weil er gegen Marco Fu aus | |
Hongkong ausgeschieden war, und machte nicht nur Bemerkungen über Oralsex | |
und seinen Penis, sondern darüber hinaus eindeutige Gesten mit dem | |
Mikrofon. Eine Kamera zeichnete das auf, seitdem kursiert das Filmchen im | |
Internet. "Ich hatte nicht bemerkt, dass die Mikrofone eingeschaltet | |
waren", entschuldigte sich OSullivan später und vermied dadurch eine | |
Sperre. Bei den Weltmeisterschaften ist er Favorit. 2001 und 2004 war er | |
schon mal Weltmeister. 1998 hatte er das Irish Masters gewonnen, wurde | |
danach aber disqualifiziert, weil eine Dopingprobe auf Haschisch positiv | |
ausgefallen war. OSullivan ist einer der wenigen Spieler, die sowohl mit | |
rechts als auch mit links spielen können. Sein Spitzname ist "The Rocket". | |
Allerdings vergeigt er immer wieder sicher geglaubte Spiele. Im Crucible | |
Theatre in Sheffield gelang ihm 1997 der schnellste perfekte Break aller | |
Zeiten: Er holte die 147 Punkte in weniger als fünfeinhalb Minuten. Eine | |
Runde später schied er aus. Bisweilen gab er Spiele auf, weil ihm der erste | |
Stoß missglückt war. Er erklärt das mit den Depressionen, unter denen er | |
seit 1991 leidet. In dem Jahr erstach sein Vater einen Mann in einem | |
Nachtclub und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Sollte es am 5. Mai | |
zum Traumfinale zwischen OSullivan und Ding Junhui um das Preisgeld von | |
einer Viertelmillion Pfund kommen, werden in Großbritannien und China die | |
TV-Rekorde gebrochen. | |
26 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Snooker | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Snooker-WM in Sheffield: Vorstöße in die Wüste | |
WM-Favorit Ronnie O’Sullivan provoziert die Billard-Welt. Der Engländer | |
will nicht mehr in dunklen kalten britischen Hallen spielen. |