Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Holstein Kiel gewinnt 1:0 gegen den HSV: In der Ruhe liegt die Kraft
> Holstein Kiel muss nicht in die erste Bundesliga aufsteigen, wird es aber
> wohl. Beim HSV ist es andersherum. In Hamburg gewannen die Kieler mit
> 1:0.
Bild: Kieler Jubel nach dem Spiel: Vorlagengeber und Rot-Sünder Lewis Holtby h…
Hamburg taz | Ecke für den HSV, Ludovit Reis läuft an, rutscht aus, der
Ball trudelt die Grundlinie entlang – eine symptomatische Szene für das
Spiel des HSV gegen Holstein Kiel. Die reguläre Spielzeit ist da schon
abgelaufen, der HSV liegt mit 0:1 hinten gegen zehn Kieler.
Lewis Holtby ist vom Platz geflogen, übermotiviert hat er sich innerhalb
von zwei Minuten zwei gelbwürdige Fouls geleistet. [1][Holtby hat fünf
Jahre beim HSV gespielt], ist mit ihm abgestiegen und wurde mit Schimpf und
Schande vom Hof gejagt. In Kiel ist der 33-Jährige Anführer einer über
Jahre gewachsenen Mannschaft, der die entscheidenden Akzente setzt –
manchmal mit Fouls, viel öfter aber mit perfekt getimeten Pässen in die
Spitze und wichtigen Toren. Auch diesmal gab er die Vorlage zum Siegtor.
Als er vom Platz geht, lächelt Holtby, klatscht mit Trainer Marcel Rapp ab.
Er weiß, dass sein Team hier einen Riesenschritt machen kann, wenn es die
nächsten 20 Minuten übersteht. Und er vertraut darauf. Später, als das
geschafft ist, sagt er in die Fernsehkameras: „Die Jungs haben gekämpft wie
Löwen. Ich habe selten so eine Truppe gesehen. Das ist ein Team, das sind
Brüder.“
Damit hat er einen wesentlichen Faktor für den Erfolg benannt. Holstein
steht unmittelbar vor dem erstmaligen Aufstieg in die erste
Fußball-Bundesliga, hat den HSV mit dem Auswärtssieg auf zwölf Punkte
distanziert. Das Schlimmste, was dem Tabellenersten noch passieren kann,
sind zwei Relegationsspiele gegen den Drittletzten der Bundesliga.
## Für den HSV ist nun sogar die Relegation fast utopisch
Genau das war für den HSV vor dem Spiel [2][das letzte verbliebene
Saisonziel], nach der Niederlage ist es angesichts von sechs Punkten
Rückstand auf Düsseldorf und des deutlich schlechteren Torverhältnisses
schon fast utopisch. Der HSV steht vor den Scherben seiner Saison, muss
sich auf ein siebtes Jahr in der Zweiten Liga einstellen.
Der späte Trainerwechsel hat nicht den erhofften Erfolg gebracht. Unter
Steffen Baumgart wurden zwar die hanebüchenen Abwehrfehler seltener, aber
der Preis dafür ist eine geringere Durchschlagskraft in der Offensive.
Nun wird beim HSV wieder die Suche nach den Schuldigen beginnen. Und
unweigerlich wird der Blick dabei auf Sportvorstand Jonas Boldt fallen. Er
hatte Baumgarts Vorgänger Tim Walter geholt und zu lange an dem
beratungsresistenten Offensiv-Ideologen festgehalten. Kaum vorstellbar,
dass er auch in der kommenden Saison noch am Ruder sein wird.
Aber wer lenkt dann eigentlich die Geschicke des HSV? Nach jahrelangen
Machtkämpfen haben selbst viele Sympathisanten den Überblick verloren. Die
einzige personelle Konstante der vergangenen Jahre, Vereinspräsident
Marcell Jansen, ist in der HSV AG entmachtet. Als der HSV kürzlich seine
Rechtsform ändern wollte, um mehr Anteile veräußern zu können, kamen nicht
mal 0,5 Prozent der Mitglieder zur Versammlung und ließen den
wirtschaftlich dringend benötigten Anteilsverkauf scheitern.
## Holstein wäre zweimal fast aus Versehen aufgestiegen
Holstein Kiel ist sozusagen der Gegenentwurf dazu. Bis heute als Verein
organisiert, arbeitet das Präsidium seit Jahren geräuschlos zusammen. Der
Aufstieg in die Erste Liga war nie erklärtes Ziel. Dennoch wäre er 2018 und
2021 beinahe einfach so passiert, Holstein scheiterte jeweils in der
Relegation.
Sportchef Uwe Stöver gibt sein Amt am Ende dieser Saison auf eigenen Wunsch
auf. Seinen Nachfolger hat er selbst mit ausgesucht: Carsten Wehlmann,
Architekt des Bundesliga-Aufstiegs von Darmstadt 98, steht für Kontinuität.
Mit seinem ruhigen Umfeld und der übersichtlichen Medienlandschaft vor Ort
ist Holstein eine Art Inkubator für Trainer-Talente geworden. Immer wieder
haben die Kieler Jugendtrainer von Proficlubs zum Chefcoach gemacht und
sind damit gut gefahren. Auch wenn sie sie häufig schnell wieder ziehen
lassen mussten.
Der vorerst Letzte in dieser Reihe ist Marcel Rapp, der von der TSG
Hoffenheim kam, ein freundlicher Badener mit Hang zum Tiefstapeln. Er hat
sein Team ziemlich überraschend [3][an die Spitze der Liga geführt], trotz
zahlreicher verletzter Spieler. Immer wieder hat er starken Ersatz im
eigenen Kader gefunden, auch ein Zeichen dafür, dass die langfristige
Aufbauarbeit des Vereins Früchte trägt.
Nach dem Sieg beim HSV wollte Rapp das Wort „Aufstieg“ immer noch nicht in
den Mund nehmen, sprach nur vom nächsten Spiel. Und von seiner Vorbereitung
auf den HSV: „Ich hab einen Mittagsschlaf gemacht.“
21 Apr 2024
## LINKS
[1] /Kellerduell-in-der-Fussball-Bundesliga/!5499468
[2] /Zweiter-HSV-Sieg-unter-Trainer-Baumgart/!5996070
[3] /Holstein-Kiel-schlaegt-Hannover-96/!5977631
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
Fußball
HSV
2. Bundesliga
Fußball-Bundesliga
Holstein Kiel
HSV
Holstein Kiel
Holstein Kiel
Fußball
FC St. Pauli
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neuer HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz: Leisere Töne
Anstelle von Jonas Boldt soll Stefan Kuntz den Hamburger SV wieder in die
Bundesliga führen. Passieren soll das mit einer positiv verstandenen Demut.
Holstein Kiel in der Bundesliga: Die aus dem Norden
Holstein Kiel macht den Aufstieg in Liga eins perfekt. Unser Autor, ein
Nordlicht, reibt sich verwundert die Augen – aber nur ein bisschen.
Kieler Holstein-Stadion bald erstklassig: Geliebte Bruchbude
Das Stadion von Holstein Kiel ist eine charmante Ansammlung von
Provisorien. Nächste Saison wird darin wahrscheinlich Erstligafußball
gespielt.
Zweiter HSV-Sieg unter Trainer Baumgart: Mit Schiebermütze in die Spur
Nach zwei Niederlagen gewinnen die Fußballer des Hamburger SV gegen
Wiesbaden mit 3:0 – und bleiben an den Spitzenteams aus Kiel und St. Pauli
dran.
Kampf um den Bundesliga-Aufstieg: Meisterstück mit Schönheitsfehler
Im Spitzenspiel der Zweiten Fußball-Bundesliga schlägt St. Pauli den
Gastgeber Holstein Kiel mit 4:3 – verdient und am Ende ein bisschen
glücklich.
Neuer HSV-Trainer: Steffen Baumgart will aufsteigen
Der neue HSV-Trainer ist schon seit Kindertagen Fan seines neuen
Arbeitgebers. Bei seiner Vorstellung am Dienstag zeigte er sich
ambitioniert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.