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# taz.de -- Nach dem Tod von Alexei Nawalny: Leichnam scheint unauffindbar zu s…
> Nawalnys Mutter und seinem Anwalt ist es bisher nicht gelungen, den Toten
> zu sehen. Trotz Repressionen äußern Menschen in russischen Städten
> spontan ihre Trauer.
Bild: Jedes noch so versteckte Gedenken an Nawalny steht unter scharfer Beobach…
MOSKAU/BERLIN/LONDON dpa/epd | Nach dem Tod des Kremlgegners Alexei Nawalny
scheint dessen Leiche zunächst unauffindbar zu sein. [1][Nawalny starb am
Freitag in einem Straflager nördlich des Polarkreises plötzlich und unter
ungeklärten Umständen]. In Russland trauern die Menschen trotz Festnahmen
und Drucks der Behörden weiter um den Politiker. Für
Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hat die russische Opposition
ihre bedeutendste Stimme verloren. Derweil bestellte Großbritannien den
russischen Botschafter ein.
Wie Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag [2][auf der Plattform X
(vormals Twitter) berichtete], konnten Nawalnys Mutter und dessen Anwalt im
Leichenschauhaus der Stadt Salechard, knapp 50 Kilometer vom Straflager
Charp im Norden Russlands, keine Spur vom Leichnam entdecken. Das
Leichenschauhaus sei geschlossen, und über die am Eingang ausgehängte
Kontakt-Telefonnummer sei der Anwalt auch nicht zu einer
zufriedenstellenden Antwort gekommen. „Ihm wurde gesagt, dass er bereits
der siebte Anrufer an diesem Tag sei“, schrieb Jarmysch. „Und der Leichnam
Alexeis befinde sich nicht bei ihnen im Leichenschauhaus.“
Ein Mitarbeiter des Straflagers jenseits des Polarkreises habe zuvor
mitgeteilt, dass sich Nawalnys Leichnam in der Stadt Salechard zur
Untersuchung befinde, teilte Jarmysch mit. Demnach konnte die Mutter die
Leiche zunächst nicht identifizieren.
Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja war in das Straflager im Norden
Russlands gereist und habe dort die Todesnachricht erhalten. Der Tod des
47-Jährigen soll demnach am 16. Februar um 14.17 Uhr Ortszeit (10.17 Uhr
MEZ) eingetreten sein. Zuvor hatte bereits der russische Strafvollzug über
Nawalnys Tod informiert, der seit 2021 inhaftiert war.
## Scherbakowa: „Es gibt absolut keinen Ersatz“
In Moskau und anderen Städten räumten Männer in Zivil oder Mitarbeiter der
Stadtreinigung spontan errichtete Erinnerungsstätten für den 47-Jährigen.
Sie packten Blumen in Mülltüten, sammelten Kerzen und Bilder ein. Medien in
vielen Teilen Russlands berichteten am Samstag, dass trotzdem weiter
frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an
Nawalny aufgestellt wurden.
Nach Informationen von Menschenrechtlern gab es landesweit mehr als 100
Festnahmen. Das Internetportal ovd.info berichtete am Samstagmorgen, dass
allein in St. Petersburg mehr als 60 Menschen festgenommen worden seien.
Festnahmen gab es demnach in zehn Städten, darunter auch in Moskau, Brjansk
und Krasnodar. Die Bürgerrechtler gaben auch juristische Hinweise für das
Niederlegen von Blumen und veröffentlichten die Nummer einer
Telefon-Hotline für anwaltliche Hilfe. Viele Russen hatten nach dem Tod
Nawalnys öffentlich ihre Wut geäußert.
„Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist,
wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen
angesehen wird“, schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer
der kremlkritischen Zeitung Nowaja Gaseta, Dmitri Muratow, am Samstag im
Nachrichtenkanal Telegram.
Die [3][Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa] bezeichnete den Tod
des russischen Regimekritikers Alexei Nawalny als großen Verlust für die
Opposition in ihrem Heimatland. „Es gibt absolut keinen Ersatz, was
Charisma betrifft und Stärke“, sagte sie am Samstag im RBB-Inforadio.
Figuren wie er seien ohnehin selten in der Politik. Der Verlust treffe auch
die Menschen, die für ein freies Russland ohne Präsident Wladimir Putin
kämpfen und dort leben wollten.
Für die Mitgründerin der von den russischen Behörden verbotenen
Menschenrechtsorganisation Memorial ist der Tod des Regimekritikers die
„stärkste politische Geste, die man machen konnte.“ Jetzt sei Nawalny ein
Sinnbild für einen Menschen, der „für seine Sache auch bereit ist zu
sterben“. Dennoch habe er sich nie als Märtyrer inszeniert, sondern
vielmehr Witze gemacht. Selbst bei seiner Verhaftung oder im Gericht sei er
nicht mit ernsthafter, tragischer Miene aufgetreten, sondern mit Humor.
## Als Mann großen Mutes gewürdigt
Unterdessen hat Großbritannien nach dem Tod von Alexei Nawalny Konsequenzen
in Aussicht gestellt und einen Vertreter der russischen Botschaft
vorgeladen. „Es sollte Konsequenzen haben, wenn solche furchtbaren
Menschenrechtsverletzungen stattfinden“, sagte Außenminister David Cameron
nach Angaben des Senders Sky News am Samstag. Geprüft werde, ob es einzelne
Verantwortliche gebe und einzelne Maßnahmen, die ergriffen werden könnten.
„Wir kündigen sie nicht im Voraus an, daher kann ich nicht mehr sagen als
das.“
Natürlich hätten sie auch bereits den Botschafter einbestellt. „Wir haben
unsere Sicht auf dieses schreckliche Ereignis und die Art, wie dieser
Mensch behandelt wurde, klargemacht“, sagte Cameron am Rande der Münchner
Sicherheitskonferenz. In München werde er sich auch mit Kollegen der
G7-Staaten treffen.
Das Außenministerium in London hatte am Freitagabend mitgeteilt, Nawalnys
Tod müsse vollumfänglich und transparent untersucht werden. Das Ministerium
habe „die russische Botschaft einbestellt, um klarzumachen, dass wir die
russischen Behörden in vollem Umfang verantwortlich machen“. Der
Nachrichtenagentur PA zufolge sollen Beamte informiert worden sein, dass
der Botschafter krank sei, es sei ein Vertreter geschickt worden.
Das britische Ministerium würdigte Nawalny als Mann großen Mutes und
eisernen Willens, der selbst aus dem Gefängnis weiter für die Rechte des
russischen Volks gekämpft habe. Sein Einsatz für Menschenrechte und für die
Aufklärung von Korruption sei eine Inspiration für Millionen. „Die Ideale,
für die er stand und starb, werden ewig weiterleben.“
Der nach vielen Tagen in immer wieder angesetzter Einzelhaft körperlich
geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei
einem Hofgang [4][im Straflager bei eisigen Temperaturen]
zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des
Strafvollzugs erfolglos. Menschenrechtler werfen dem russischen
Machtapparat Mord vor. Nach Angaben von Nawalnys Team ist ein Anwalt auf
dem Weg zum Straflager nördlich des Polarkreises. Demnach gingen auch die
Mitarbeiter des prominenten Anti-Korruptionskämpfers davon aus, dass
Nawalny gezielt getötet wurde.
Russlands Machtapparat geht immer wieder mit Gewalt gegen Andersdenkende
vor. Proteste werden in dem Land schon seit Jahren nicht erlaubt.
17 Feb 2024
## LINKS
[1] /Russischer-Dissident-Alexei-Nawalny-tot/!5992745
[2] https://twitter.com/JOOST_88/status/1758829239791403368
[3] /Irina-Scherbakowa-ueber-Lage-in-Russland/!5978439
[4] /Strafkolonie-besonderen-Regimes/!5984231
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