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# taz.de -- Urteil zu Missbrauchsfall in Lübeck: Kein Anhaltspunkt für Schlaf…
> In Lübeck wurde ein Ex-Staatsanwalt verurteilt, weil er sein Kind
> vergewaltigt hatte. Er hatte behauptet, die Tat im Tiefschlaf begangen zu
> haben.
Bild: Der Angeklagte im Landgericht Lübeck am 14. Februar
Lübeck taz | Das Landgericht Lübeck hat einen ehemaligen Staatsanwalt zu
anderthalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er seinen damals
8-jährigen Sohn missbraucht hat. Der Prozess sorgte [1][für viel Aufsehen],
weil der Angeklagte die Tat nicht abstritt, aber angab, sich nicht erinnern
zu können. Er habe die Tat begangen, während er tief und fest schlief –
unter einer Parasomnie, das medizinische Wort für „Schlafwandeln“.
Verbrechen, die während einer Parasomnie begangen werden, werden nicht
bestraft, denn Schlafwandler gelten als nicht schuldfähig. Das Gericht
glaubte dem Mann aber nicht, dass er in der Tatnacht unter einer solchen
Parasomnie litt. Grundlage dafür ist besonders die Videoaussage des Jungen,
die in der Verhandlung gezeigt wurde.
„Der Angeklagte hat mehrfach auf Umweltreize reagiert“, sagte die
vorsitzende Richterin Helga von Lukowicz. Zwei Gutachter begleiteten den
Prozess, ihre Einschätzungen waren wichtig für die Urteilsfindung. Beide,
so die Richterin in ihrer Begründung, „sahen keine sicheren Anhaltspunkte
für eine Parasomnie“.
Vor Gericht zu beweisen, dass ein Angeklagter zum Zeitpunkt der Tat keine
Parasomnie hatte, ist schwierig. Andererseits muss, wer mit einer
Parasomnie argumentiert, belegen, dass er oder sie grundsätzlich darunter
leidet. Der ehemalige Staatsanwalt im Lübecker Fall stützte seine Annahme
vor allem auf die Aussagen einer ehemaligen Lebensgefährtin. Sie erzählte
im Zeugenstand, ihr damaliger Freund habe vor 20 Jahren mehrmals nachts mit
ihr geschlafen und das plötzlich abgebrochen. Am Morgen habe er sich an
nichts erinnern können. Ein ehemaliger Mitbewohner berichtete auch, sie
habe einmal in der Küche davon erzählt. Die Richterin sagte dazu aber:
„Nach unserer Überzeugung gab es diese Vorfälle nicht.“
Widersprüche und Aggression
Entscheidend für die Skepsis der drei hauptamtlichen Richter und vier
Schöffen waren vor allem Widersprüche bei den Zeugenaussagen. Nicht nur sei
die Schilderung der Ex-Freundin „wie aus dem Lehrbuch“ gewesen. Nach der
Aussage der Ex-Freundin sei der Staatsanwalt auch erst durch sie, vier
Monate nach der Tat, auf die Idee gekommen, er könnte geschlafwandelt
haben. Der Jurist hatte allerdings schon kurz nach der Tat im Internet zu
„Kriterien für Strafminderung bei Sexualstraftaten“ und [2][„Sexsomnia�…
Sex während des Schlafes, recherchiert.
Sechs lange Verhandlungstage hatte das Gericht dem Fall gewidmet. Dabei war
die Stimmung aufgeladen bis aggressiv, geprägt von stundenlangen
Zeugenbefragungen und gegenseitigen Vorwürfen der Anwälte. Die beiden
Verteidiger griffen immer wieder die vorsitzende Richterin an und warfen
ihr vor, parteiisch zu sein. So überrascht es nicht, dass die beiden
Verteidiger des Staatsanwalts das Urteil anfechten wollen. Wird die
Revision angenommen, muss sich der Bundesgerichtshof mit dem Thema
beschäftigen.
In anderen Prozessen hatten Angeklagte mit der Behauptung einer Parasomnie
durchaus Erfolg. Im Oktober 2019 soll in der Schweiz ein 19-Jähriger eine
15-Jährige vergewaltigt haben, während er schlafwandelte. Er wurde
freigesprochen, nachdem ein Gutachter ihm eine solche Schlafstörung
bescheinigt hatte.
Aktualisiert und ergänzt am 15. 02. 2024 um 09:00 Uhr. d. R.
14 Feb 2024
## LINKS
[1] /Ex-Staatsanwalt-auf-der-Anklagebank/!5987095
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Sexsomnia
## AUTOREN
Friederike Grabitz
## TAGS
Sexualisierte Gewalt
Missbrauch
Gerichtsurteil
Lübeck
GNS
Lübeck
Sexualisierte Gewalt
sexueller Missbrauch
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