# taz.de -- Israel-Kritik auf der Berlinale: Aktionen ohne Ambivalenzen | |
> Die Protestrede eines Regisseurs auf der Berlinale zeigt: Manchen | |
> Kulturschaffenden fehlt der Sinn für die wichtigen Nuancen des | |
> Nahost-Konflikts. | |
Bild: Propalästinensische Geste während eines Fotocalls bei der Berlinale | |
Die Berlinale wurde [1][von propalästinensischen Aktivisten gekapert]. | |
Überraschend ist das nicht. Nachdem nun wirklich jedes Kulturspektakel der | |
Hauptstadt als Trittbrett für Anti-Israel-Proteste herhalten muss, sollten | |
sich die Debattierenden fragen: Was gibt es überhaupt noch zu diskutieren? | |
Denn wer diskutieren will, muss Ambivalenzen aushalten. Ambivalenzen sind | |
[2][Dokumentarfilme wie „No Other Land“]. Dem werden | |
Diskussionsveranstaltungen beiseite gestellt und es werden Preise | |
verliehen. Kurzum: Er wird ausgehalten. Ambivalent ist auch, über Gaza zu | |
sprechen, ohne von den Geiseln zu schweigen. Wer es dann noch für nötig | |
hält, bei einer poshen Preisverleihung trotzig Kufija zu tragen und unter | |
Beifall die immergleichen Phrasen zu dreschen, dem geht es nicht um | |
Filmkunst, nicht mal die eigene, sondern um hohle Schlagzeilen und den | |
Thrill, beim scheinbar politischsten aller Festivals einmal der | |
Politischste zu sein. | |
Wer Israels Offensive fälschlicherweise als Genozid bezeichnet, wer sich | |
Kulturveranstaltungen wünscht, die nach starrer Agenda laufen, der hält | |
keine Ambivalenzen aus – dem sind Diskussionen egal. Beides gehört aber zu | |
einem modernen Kulturverständnis dazu. Wer das nicht teilt, sollte auch | |
kein Podium bekommen. | |
Politische Amtsträger müssen nicht diskutieren, wie es die Kunst und Kultur | |
muss. Sie müssen Entscheidungen treffen. Verantwortung an zukünftige | |
Berlinale-Leitungen oder andere politische Ebenen abzugeben, ist ein | |
Eiertanz: Der skandalöse Überschuss wird sich schon im bürokratischen | |
Labyrinth verlaufen, schließlich fordert man inbrünstig: „Aufarbeitung“. | |
Wie viel die bringt, zeigt nicht zuletzt das Beispiel documenta – und die | |
immergleiche Diskussion. | |
Wenn jetzt die einzig ableitbare Forderung ist, Israel-Hassern imperativ zu | |
verordnen, noch mal an die Geiseln und die Hamas zu erinnern, zeigt das, wo | |
wir in der Debatte stehen: am Ende. Für einen Ausweg aus der Sackgasse | |
bräuchte es politische Entschlossenheit und eine Kultur, [3][die weiß, was | |
Ambivalenzen sind] – und was nicht. | |
26 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Antisemitismus-auf-der-Berlinale/!5994352 | |
[2] https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/film-no-other-land-auf-der-berlinale-… | |
[3] /Abschlussgala-der-Berlinale/!5991943 | |
## AUTOREN | |
Jonathan Guggenberger | |
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