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# taz.de -- Dauerkrise im Eisschnelllauf: Auf sehr dünnem Eis
> Diese Woche ist Sprint- und Allround-WM. Doch der DESG ist im
> Krisenmodus. Miese Kommunikation und fehlende Transparenz über Gelder
> sind der Grund.
Bild: Trio nimmt Tempo auf: Hendrik Dombek, Stefan Emele und Moritz Klein in de…
Alle schauen auf diesen Ami: Jordan Stolz. 19 Jahre alt, pfeilschnell.
Mehrfacher Junioren- und Sprintweltmeister. Das Laufwunder aus Wisconsin
ist nun ins bayrische Inzell gekommen, um wieder ein paar Plaketten zu
gewinnen, diesmal bei der Sprint- und Allround-WM; ab Donnerstag werden die
besten Sprinter in der Kombi über 500 und 1.000 Meter ermittelt, später
dann die Alleskönner im Vierkampf der Frauen (500, 1.500, 3.000 und 5.000
m) und der Männer (500, 1.500, 5.000 und 10.000 m).
„Das ist schon beeindruckend, was Stolz macht“, sagt Hendrik Dombek. Er ist
Athletensprecher in der Deutschen Eisschnelllauf- und
Shorttrack-Gemeinschaft (DESG) und startet auch in Inzell. Ein Rang unter
den besten acht wäre schön, er will „vorne mal angreifen“, sagt er.
Dombek, der aus Bayern stammt, trainiert seit vielen Jahren in Erfurt. Der
alte Trainer-Haudegen Peter Müller hat die besten Eissprinter in Thüringen
zusammengeführt und aus ihnen gute Mittelstreckler geformt: Neben Dombek
sind Stefan Emele und Moritz Klein jene Athleten, auf die sich der Verband
verlassen kann. Sie steigen nicht aufs Podium, aber sie bewegen sich im
Windschatten der Weltelite.
## Flaute seit 2010
Das ist schon etwas in der DESG, in der früher Medaillen wie Kleingeld
gezählt wurden, jetzt aber nur noch wenig geht. Bis 2010 wurden [1][72
olympische Medaillen] von deutschen Gleitern gewonnen, seitdem null. Im
Ranking der deutschen Wintersportverbände, das sich etwas sperrig
[2][Potenzial-Analysesystem, kurz PotAS] nennt, rangiert die DESG im Jahr
2022 auf Platz sechs von sieben Verbänden.
Nur die Curler sind schlechter. Die Eisschnelllauf-Männer liegen im
Vergleich der einzelnen Wintersportdisziplinen auf Rang 27, [3][die Frauen]
auf 36. Früher liefen regelmäßig Anni Friesinger oder Sandra Völker durch
die Wohnzimmer der Deutschen, heute sieht man kaum noch etwas von den
sogenannten Perspektivkadern, zu denen auch [4][die 52-jährige Claudia
Pechstein] gehört.
Die Berichterstattung nahm im Jahr 2020 letztmalig Fahrt auf, weil der
Pechstein-Freund Matthias Große die klamme DESG kaperte und deren Präsident
wurde. Er trat als Retter auf, versprach eine rosige Zukunft. Nach gut drei
Jahren sei die DESG nun in „einen Prozess der Konsolidierung“ eingetreten,
verkündet Pressesprecher Daniel Gäsche. „Es ist ein kleines Pflänzlein, das
da blüht“, dichtet er. „Bis zu Olympia 2026 ist etwas möglich.“
Man braucht dafür etwas Fantasie, denn die Kufenträume, die Große einst
skizzierte, haben sich verflüchtigt. Der Präsident selbst hält sich
auffallend zurück, Weltcups besucht er kaum, und auch eine Pressekonferenz
im Vorfeld der WM schenkt er sich. „Das Präsidium kommuniziert nicht mehr
so offensiv“, sagt Athletensprecher Dombek, „setzt aber intern die Dinge
durch.“
## Miese Kommunikation
Seine Erfurter Sprintergruppe hat damals, als Große sich den Verband
schnappte, ein wenig opponiert, auch in der Öffentlichkeit. So etwas würde
nun niemand mehr tun. Man versucht, alle größeren und kleineren Probleme
vorsichtig intern zu lösen. Dombek spricht monatlich mit Sportdirektorin
Nadine Seidenglanz, die als Verbindungsfrau zum Präsidenten dient. Ein
Thema: die Vertragsverlängerung von Coach Peter Müller, der Ende März ohne
Kontrakt dasteht.
Trotzdem sei die Zufriedenheit unter den Sportlern recht groß, beteuert
Dombek, gleichwohl wünscht er sich „ein größeres Mitspracherecht“ in
Satzungsfragen. Das sei nur gerecht, weil der Einfluss des Präsidiums auf
den sportlichen Bereich auch groß sei.
Man merkt, wie sich Dombek immer wieder auf die Zunge beißt und um
unverfängliche Formulierungen ringt. Stress will niemand haben, schon gar
nicht vor einem Großereignis in der Heimat. Unverblümter sprechen
Insiderinnen, die nicht genannt werden wollen. Die Kommunikation sei mies,
das Präsidium lebe in seiner eigenen Welt, wird da gesagt, Große entscheide
alles und führe den Verband wie ein Unternehmen nach Gutdünken.
Das war alles anders annonciert. [5][Große stellte sich zur Antritts-PK als
Kummerkastenmann und verständnisvoller Mittler vor], er ließ eine Taskforce
in Sachen Transparenz und Aufklärung machen. Sogar einen
Good-Governance-Beauftragten gab es in dieser Phase. Es versteht sich von
selbst, dass diese Bemühungen im Sande verlaufen sind beziehungsweise die
Protagonisten ernüchtert aufgegeben haben.
## Hohe Reisekosten
Jetzt schafft es der Verband nicht einmal mehr, seine Finanzberichte der
vergangenen drei Jahre zu veröffentlichen. Eine Rechenschaftspflicht
besteht freilich, nicht zuletzt, weil vom [6][Bundesinnenministerium
jährlich etwa 1,5 Millionen Euro an die DESG gezahlt] worden sind. Auch
Dombek hat trotz Nachfrage keine Jahresabschlüsse gesehen. „Ich habe da
mehrfach nachgefragt“, bestätigt er. Eine entsprechende Anfrage dieser
Zeitung blieb unbeantwortet.
Da die DESG trotz der von Große vorgestellten Sponsoren noch immer jeden
Euro umdreht und auch die versprochenen Prämien für die Olympiateilnahme in
Höhe von 4.000 Euro noch nicht überwiesen hat, mussten die Spitzenläufer
zuletzt die Reise nach Nordamerika teilweise selbst zahlen:
„Teilnahmegebühren“ in Höhe von 500 Euro wurden fällig. Claudia Pechstei…
die sportlich gar nicht qualifiziert war, reiste als „Mentorin für
leistungsförderndes Verhalten“ mit. Das Präsidium zahlte diesmal.
7 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.teamdeutschland.de/sportarten/details/eisschnelllauf
[2] https://www.potas.de/startseite/Wintersport.html
[3] /Eisschnelllaeuferin-Lela-Brooks/!5917826
[4] https://speedskatingresults.com/index.php?p=18&s=201
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Gro%C3%9Fe
[6] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/…
## AUTOREN
Markus Völker
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Matthias Große
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