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# taz.de -- Münchner Traditionsklub in der Krise: Wer soll die Löwen retten?
> Beim TSV 1860 streiten sich Investor und Verein. Dem Klub droht der
> Abstieg in die vierte Liga. Ideen für eine Rettung gibt es nicht.
Bild: Ratlos im Winter: Training des TSV 1860 München im Januar 2024
Viel los ist nicht beim [1][TSV 1860 München], und sogar das ist fast noch
übertrieben. Im Fanshop befindet sich nur das Personal, draußen warten am
Zaun des zerfurchten Rasenplatzes gerade einmal drei Anhänger darauf, dass
die Mannschaft mit dem öffentlichen Training beginnt.
Ein paar hundert Meter weiter, beim FC Bayern, sorgen solche Termine stets
für Massenaufläufe. Bei [2][1860], laut eigenem Slogan „Münchens große
Liebe“, ist es an diesem Januarnachmittag kurz vorm Auftakt in die zweite
Saisonhälfte der dritten Liga nahezu still. Das Ambiente beim [3][TSV 1860]
vermittelt nach zwei Dekaden des Niedergangs den Eindruck des zersetzenden
Stillstands.
Das gilt auch beim Blick ins „Löwenstüberl“. In der legendären
Vereinsgaststätte sitzen nur ein paar Rentner und sprechen über die alten
Zeiten, die im Falle des deutschen Meisters von 1966 tatsächlich besser
waren. Mittlerweile liegt das letzte Bundesliga-Derby gegen die Bayern
schon 20 Jahre zurück. Vier Jahre vor dem Abstieg 2004 hatte 1860 gegen
Leeds United noch um die Qualifikation zur Champions League gespielt. Jetzt
geht es im zweiten Saisonteil mit dem Start am Samstag gegen den MSV
Duisburg darum, nach dem Aus im Toto-Pokal gegen den Fünftligisten
Pipinsried wenigstens den Abstieg in die vierte Liga zu verhindern.
Neben den drei etwas verloren wirkenden Fans steht an diesem Nachmittag
Oliver Griss. Für den 52-Jährigen ist 1860 zentraler Lebensinhalt seit mehr
als 30 Jahren. Er war einst in Leeds dabei und auch schon, als die Löwen
mit Trainer Werner Lorant Anfang der 90er-Jahre ihren Durchmarsch von der
damals drittklassigen Oberliga Bayern bis in die Bundesliga starteten.
Früher begleitete Griss den Verein als Reporter der Abendzeitung, seit 2011
betreibt er das Portal dieblaue24.de mit viel Herzblut und etwas weniger
Neutralität. „Das ist die schlimmste Phase, die ich erlebt habe“, sagt
Griss über die derzeitige Situation, „ich habe große Angst und das Gefühl,
dass den Leuten im Verein die brenzlige Lage nicht bewusst ist.“ Sein
Befund: „Es gibt kein Konzept, keine Strategie, keine Struktur, kein gar
nichts. Es gibt zu wenig Kompetenz im Verein.“ Den 2011 eingestiegenen
Investor Hasan Ismaik nimmt Griss aus seiner Kritik auffallend heraus. Auch
deshalb wird Griss von vielen Beobachtern sehr kritisch gesehen.
Unzweifelhaft ist, dass sich die Lager beim TSV in den vergangenen Monaten
in ihrer traditionellen Streitlust sogar noch übertroffen haben. Die beiden
Gesellschafter, [4][der e.V. und die Seite des Investors], machen sich vor
allem gegenseitig Vorwürfe und das Leben schwer. Ismaik bezeichnete die
e.V.-Vertreter zuletzt als „Geisterfahrer“. Dass sich auch zwischen den
Entscheidungsträgern bei den Löwen eine Spaltung auftut, lässt sich
erkennen an der gegenseitigen Abneigung von Präsident Robert Reisinger und
dem am Saisonende scheidenden Finanz-Geschäftsführer der Profifußball-KGaA,
Marc-Nicolai Pfeifer.
Sogar am ersten Weihnachtsfeiertag wurde öffentlich gestritten. Durch den
Dauerzwist wirkt der TSV 1860 regelrecht blockiert. Sinnbildlich für die
verfahrene Lage und den gelähmten Löwen stand, dass es in der ersten
Saisonhälfte keinen Sportchef gab und nach der Beurlaubung von Maurizio
Jacobacci zwischenzeitlich auch keinen Cheftrainer. Zuletzt wurde der von
Pfeifer dreimal vergeblich als Sportdirektor vorgeschlagene Christian
Werner doch eingestellt. Diesmal auf Vorschlag des e.V., der Werner zuvor
stets abgelehnt hatte. Doch nun wurde Werner mittels 50+1-Regelung als
Sport-Geschäftsführer eingestellt, also eine Hierarchieebene höher als
ursprünglich angedacht. Dabei ging es vor allem darum, den Einfluss der
Investorenseite zu reduzieren.
Bei seiner Vorstellung brachte Werner gleich einen neuen Trainer mit. Der
aus Nürnberg stammende Argirios Giannikis, 43, soll 1860 zum
Klassenverbleib coachen. Nach den Stationen Karlsruher SC, FC Ingolstadt,
Rot-Weiss Essen und VfR Aalen wurde Giannikis bei PAS Ioannina (2019 bis
2021) in Griechenland „Trainer des Jahres“. Bei AEK Athen (2021 bis 2022)
lief es weniger gut für ihn. Seine Mission bei 1860 beginnt mit den Spielen
gegen Duisburg und den VfB Lübeck – zwei direkte Konkurrenten im
Abstiegskampf.
18 Jan 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Maik Rosner
## TAGS
TSV 1860 München
Fußball
München
Landtagswahl Bayern
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Kolumne Kulturbeutel
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