| # taz.de -- Die Wahrheit: Taschendiebfreies Reisen | |
| > In Italien kann man sich bekanntlich auf rein gar nichts verlassen – | |
| > nicht einmal auf die eigene Blödheit in der Hektik des wuseligen Chaos. | |
| Sehr gern bin ich unterwegs, komme aber ungern an. Dortsein ist doof. | |
| Irgendwo ankommen und sich dort umschauen hat seinen Sinn verloren, seit | |
| ich mich schon vorher über mein Ziel informieren kann. | |
| Ich gucke einfach im Internet, wann genau (jede halbe Stunde) welcher Bus | |
| (Linie 300) vom Aeroporto Santa Cruz La Palma (sieht ja putzig aus) wie | |
| lange (fünfzig Minuten) über welche Strecke (huihuihui, das könnte neblig | |
| werden) und zu welchem Preis (nur zwei Euro) mich auf die andere Seite der | |
| Insel nach Los Llanos (könnte sonnig werden) bringt, und wie ich von der | |
| richtigen Haltestelle zu meinem Hotel komme, ach, da gibt es ein Museum | |
| über die ausgerotteten Ureinwohner, wie interessant, gute Homepage … Tja, | |
| und dann bringt mich halt die Linie 300 für zwei Euro in fünfzig Minuten | |
| vom Flughafen durch den Nebel in die Sonne, wo ich mir im Museum für | |
| ausgerottete Ureinwohner schnell noch anschaue, was ich im Internet | |
| ebenfalls schon alles gesehen habe. Worauf ich mich eben gern verlasse. | |
| Neulich musste ich nach Italien, wo man sich bekanntlich auf rein gar | |
| nichts verlassen kann. Pompeji, kurzfristig, dienstlich. Rein, raus, | |
| fertig. | |
| Ihre beste Zeit hatte die Stadt vor zwei Jahrtausenden. Deshalb trifft man | |
| dort auch kaum Einheimische, nicht einmal in ihren Wohnungen. Dafür ist | |
| alles überlaufen mit Touristen aus aller Welt, die irgendwann panisch dem | |
| Ausgang zustrebten, als ein gewaltiges Gewitter sich anzukündigen drohte. | |
| Das fand ich dann wieder authentisch. Massen auf der Flucht vor drohendem | |
| Unheil, vor dem es kein Entrinnen gibt, weil eine Stadt ohne Dächer nun | |
| einmal keinen Schutz vor Platzregen bietet. Da fühlte ich mich dann doch | |
| glaubwürdig antik in einer Stadt, die einst im Ascheregen unterging. | |
| Von der Mietwohnung im reichlich wuseligen Zentrum in Neapel ließ ich mich | |
| am Nachmittag per Taxi wieder zum Flughafen gondeln. Dort stellte ich fest, | |
| dass ich Volltrottel meinen Koffer auf dem Bürgersteig hatte stehen lassen. | |
| Reisepass, Tickets, Handy und Geldbeutel standen also im reichlich | |
| wuseligen und nicht taschendiebfreien Zentrum von Neapel herum – zwar ohne | |
| „Zum Mitnehmen!“-Zettel, aber doch eindeutig herrenlos und also verloren. | |
| Mein Fahrer, Dino, verlor keine Sekunde, rief „Idiota!“ und „We must try!… | |
| zerrte mich, den multipel Schockstarren, wieder in seinen Fiat Multipla. | |
| Und gab Gas. Driftete hupend über Kopfsteinpflaster. Schoss hupend durch | |
| enge Gassen wie eine Kugel durch einen Gewehrlauf. Überfuhr und beschimpfte | |
| rote Ampeln. Es war wie in „GTA Napoli“, wenn es das gibt. | |
| Was soll ich sagen? Ich war gern unterwegs. Und kam gern an. Der Koffer | |
| stand noch immer im nicht völlig taschendiebfreien Zentralgewusel auf dem | |
| Bürgersteig. Typisch. Nicht einmal auf die Taschendiebe kann man sich in | |
| Italien verlassen. | |
| 29 Dec 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Arno Frank | |
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