# taz.de -- Islam in Deutschland: 100 deutsche Imame pro Jahr | |
> Die Entsendung von Imamen aus der Türkei soll schrittweise enden. Aber | |
> wie genau? Das Innenministerium verkündet die Details. | |
Bild: Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnung Ditib-Grossmoschee in Köln-Ehren… | |
Berlin taz | Der größte Islam-Verband in Deutschland, DITIB, bildet seine | |
Prediger künftig in Deutschland aus. Diese Imame sollen „schrittweise“ jene | |
Vorbeter ablösen, [1][die bisher aus der Türkei nach Deutschland entsandt | |
werden.] Das gab das Bundesinnenministerium am Donnerstag bekannt. „Das ist | |
ein wichtiger Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer | |
Gemeinden in Deutschland“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). | |
Jahrelang hat Deutschland mit der Türkei über dieses komplizierte Thema | |
verhandelt. Den Durchbruch verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im | |
November bei seinem [2][Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip | |
Erdogan in Berlin]. Man habe sich geeinigt, die Entsendung von Imamen aus | |
der Türkei zu beenden, hieß es. Nun sind die Details geklärt. „Wir mussten | |
warten, bis die Papiere fertig waren“, sagte Jörn Thießen, der zuständige | |
Leiter der Abteilung Heimat im Innenministerium, am Donnerstag der taz. „Es | |
fehlten nur noch die Unterschriften.“ Jetzt ist die Tinte trocken, die | |
Arbeit kann beginnen. | |
Der Plan ist, dass die DITIB jedes Jahr 100 Imame in Deutschland ausbildet, | |
die künftig in den Moscheen des Verbands predigen sollen. Die | |
„Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“, wie der volle Name | |
der DITIB auf Deutsch lautet, ist die deutsche Zweigstelle der türkischen | |
Religionsbehörde Diyanet in Ankara, und mit bundesweit rund 900 | |
Moscheegemeinden zugleich der größte Islamverband in Deutschland. | |
Die Imame, die in den DITIB-Moscheen predigen, werden bisher von der | |
türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara bezahlt und in der Regel für | |
vier Jahre nach Deutschland entsandt. Sie reisen mit Arbeitsvisa ein, die | |
Religionsattachés in den türkischen Konsulaten sind für sie zuständig. Auch | |
Moscheen, die der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa | |
(ATIB) oder Milli Görüs angehören, greifen auf das Angebot aus Ankara | |
zurück. | |
## Langer Anlauf für den Kurswechsel | |
Weil diese Imame als türkische Staatsbeamte den Weisungen aus Ankara | |
unterliegen und zum Teil nur wenig über das Leben in der deutschen | |
Gesellschaft wissen, bevor sie nach Deutschland kommen, steht dieses Modell | |
schon seit langem in der Kritik. Nun soll sich das System ändern. Dafür | |
brauchte es ein Abkommen mit der Türkei. | |
Der Kurswechsel wurde lange vorbereitet. Vor drei Jahren hat die DITIB im | |
Eifel-Ort Dahlem eine eigene Akademie eingerichtet, um Imame in Deutschland | |
auszubilden. Die ersten 25 Teilnehmer schlossen im vergangenen Jahr ihre | |
zweijährige Ausbildung ab. Aktuell nehmen laut Akademieleitung 35 | |
islamische Theologen am zweiten Lehrgang teil – elf Männer und 24 Frauen. | |
Um das Tempo zu beschleunigen, will die Bundesregierung die Ausbildung der | |
Imame im Inland finanziell fördern – mit insgesamt 500.000 Euro im Jahr. | |
Ihre Ausbildung soll Deutsch-Unterricht, islamische Religionslehre sowie | |
deutsche Geschichte, gesellschaftspolitische Fragen und Werte umfassen und | |
auch Absolventen der Studiengänge für Islamische Theologie an deutschen | |
Universitäten offen stehen. | |
## Wechsel in der Personalaufsicht | |
Dafür soll die DITIB-Akademie künftig mit dem Islamkolleg Deutschland (IKD) | |
zusammenarbeiten, das eng mit der Universität Osnabrück verbunden ist. Das | |
Islamkolleg wurde 2019 gegründet, um islamische Geistliche und Seelsorger | |
auszubilden, und wird vom Bundesinnenministerium gefördert. Im September | |
2022 verließen die ersten 26 Absolventen das Islamkolleg mit einem | |
Zertifikat. | |
Bis die rund 1.000 von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandten | |
und bezahlten Imame vollständig durch in Deutschland ausgebildete Prediger | |
ersetzt worden sind, wird es viele Jahre dauern. Unklar ist etwa noch, wer | |
die Vorbeter künftig bezahlt. Bereits im nächsten Jahr soll die DITIB aber | |
die Fachaufsicht über ihre Imame übernehmen. Die Zentrale in Köln wird dann | |
die Verantwortung für ihr religiöses Personal übernehmen. | |
Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Grünen, begrüßt diese | |
Weichenstellung. Zwar bliebe die enge Verbindung der DITIB mit der | |
Regierung Erdogan weiter bestehen. Dennoch sei es „ein wichtiges Signal“, | |
dass die [3][direkte Einflussnahme des türkischen Staats] zurückgedrängt | |
werde. Kaddor fordert, „dass zusätzlich liberale, progressive Kräfte des | |
Islams in Deutschland ebenfalls als Partner*innen anerkannt und | |
gefördert werden“. | |
Positiv äußerte sich auch die religionspolitische Sprecherin der | |
FDP-Fraktion, Sandra Bubendorfer-Licht: „Hier wird deutlich, dass wir auch | |
im Gespräch mit schwierigen Partnern zu wichtigen und guten Ergebnissen | |
kommen, die unionsgeführte Regierungen in 16 Jahren nicht erzielen | |
konnten“, sagte sie. Nur die DITIB selbst äußerte sich nicht zu dem Plänen. | |
Weder gab sie eine eigene Presseerklärung heraus, noch war sie am | |
Donnerstag für Fragen zu erreichen. | |
14 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Tuerkischer-Einfluss-auf-deutsche-Moschee/!5975002 | |
[2] /Erdoan-nach-dem-Deutschland-Besuch/!5971096 | |
[3] /Gegen-Antisemitismus-bei-Islamkonferenz/!5971309 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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