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# taz.de -- Weihnachten mit meiner Familie: Das Geschenkestillstandsabkommen
> Meine Frau und ich haben ausgemacht, uns an Weihnachten nichts zu
> schenken. Das fühlte sich anfangs sehr friedvoll an – und endete im
> Fiasko.
Bild: Oft auch eine Quelle des Verdrusses: Weihnachtsgeschenke
Letztes Jahr hatten meine Frau und ich ein Geschenkestillstandsabkommen
unterzeichnet: Wir wollten uns zu Weihnachten gegenseitig nicht mehr mit
Geschenken bombardieren. Und das Allerschönste dabei ist, diese grandiose
Idee stammte von Eminanim selber.
Auf einmal hatte Weihnachten für mich all seine Schrecken verloren. Ich
fing sogar an, es schön zu finden. Die ganzen bunten [1][Lichter in der
Stadt] und ein Hauch von Fröhlichkeit in der Luft, gemischt mit Zimt,
Zucker, Nelken und frisch ausgekotztem Glühwein. Herrlich!
An [2][Heiligabend] findet bei uns die Bescherung wie immer unter dem
Tannenbaum statt. Diesmal sollten nur unsere Kinder Geschenke bekommen.
„Das hier ist von Mami und Papi für Hatice“, sagt meine Frau.
„Das hier ist von Mami und Papi für Mehmet.“
„Und das hier ist von Mami für Papi“, sagt Eminanim.
„Von Mami für wen?“, frage ich verdattert.
„Für Papi!“
„Für welchen Papi denn?“
„Wie viele Papis haben wir denn hier?“, weist sie mich barsch zurecht.
„Aber von welcher Mami ist es denn? Von meiner lieben Schwiegermami?“
„Osman, das ist mein Geschenk für dich, frohe Weihnachten!“
„Eminanim, ich werde gleich wahnsinnig! Hast du nicht gesagt, wir sollen
uns keine [3][Weihnachtsgeschenke] mehr kaufen? Ich soll dir nichts kaufen
und du kaufst mir auch keine Socken mehr?“
„Woher weißt du denn, dass du dieses Jahr Socken von mir bekommst? Hast du
etwa wieder in meinem Kleiderschrank gewühlt? Und was schenkst du mir,
Osman?“, ruft sie und schaut mich erwartungsvoll mit großen gierigen Augen,
wie eine Katze beim Metzger, an.
„Eminanim, aber wir haben doch abgemacht…“
„Nein, ich wollte nur mal sehen, ob du mir vom ganzen Herzen was schenkst,
oder nur weil es sich so gehört. Und, wo ist nun mein Geschenk?“
„Jah… ööö, eee, aber ich dachte, du meinst das ernst…“
„Kinder, euer Vater hat für mich kein Geschenk gekauft; nicht mal einen
Kaugummi“, fängt Eminanim an zu heulen.
„Pfui, schäm dich, Papa! Sei nicht traurig, Mama!“, rufen die Kinder im
Chor.
„Kinder, seid doch froh, dass ihr wenigstens was bekommen habt“, sage ich.
„Die Geschenke für die Kinder habe ich ganz alleine gekauft“, schluchzt
Eminanim.
„Pfui, schäm dich drei Mal, Papa! Womit hast du das verdient, Mama?“, rufen
die Kinder.
Ich halte es nicht mehr aus und verlasse fluchtartig die Wohnung. Kaum bin
ich im Flur, höre ich auch die Ehefrau von unserem Hausmeister Krummsack
bezüglich der Weihnachtsgeschenke herumklagen:
„Herbert, seit Jahren schenkst du mir immer einen blöden
grün-gelb-gestreiften Frottier-Bademantel. Kannst du dir nicht mal was
anderes einfallen lassen? Ich hab die Schnauze voll“, brüllt sie und wirft
ihr Weihnachtsgeschenk in den Flur, genau in mein Gesicht.
Ich laufe sofort wieder nach oben:
„Hier, Eminanim, hast du wirklich gedacht, ich hätte kein
Weihnachtsgeschenk für dich?“, sage ich.
Meine Frau stürzt sich freudestrahlend auf das Geschenk.
„Oh, Osman, so ein schöner grün-gelber Frottier-Bademantel! So was wollte
ich schon immer haben! Aber was hat dieser Satz hier denn zu bedeuten: Für
meine liebe Frau Hertha, alles Gute zu [4][Weihnachten]?“
27 Dec 2023
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## AUTOREN
Osman Engin
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