# taz.de -- Nationalsozialismus: Vergessene Zwangsarbeiter | |
> In der Lichtenberger Aktionswoche wird mit einem Gedenkspaziergang an die | |
> Opfer des Lichtenberger Arbeitshauses erinnert. | |
Bild: Die Lichtenberger Aktionswoche erinnert an die Opfer des Arbeitshauses | |
BERLIN taz | Rund 30 Personen versammeln sich am sich am Sonntagnachmittag | |
vor der Hauptstraße 8. Dort wartet bereits der Historiker Thomas Irmer, der | |
über das Berliner Arbeitshaus geforscht hat, das dort seit 1879 für viele | |
arme Menschen ein Ort des Schreckens war. Im Kaiserreich mussten die | |
Menschen vor allem auf den Rieselfeldern schuften, die damals zur Reinigung | |
der Abwässer angelegt wurden. Der Historiker zitiert aus zeitgenössischen | |
Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass es sich dabei um Zwangsarbeit | |
handelte. | |
In der NS-Zeit verschärfte sich die Situation für die Insass*innen in | |
jeder Hinsicht. „Jetzt mussten sie nicht mehr auf den Rieselfeldern, | |
sondern in der Rüstungsindustrie schuften, die sich in Lichtenberg | |
angesiedelt hatte“, erklärte Irmer. 1933 sorgten Razzien und | |
Verhaftungswellen dafür, dass das Arbeitshaus bald überbelegt war. | |
Arrestzellen für Homosexuelle und “psychisch Abwegige„, ein | |
“Bewahrungshaus„ für “Asoziale„ und eine “Sonderabteilung„ für Ju… | |
eingerichtet. | |
Nach einem Erlass des Reichsinnenministeriums von 1937 wurden die Insassen | |
aus Rummelsburg, soweit sie für den “Zwangsarbeitseinsatz„ ungeeignet | |
waren, in Konzentrationslager überführt, berichtet Irmer über die | |
Intensivierung des Terrors im NS. Am 13. Januar 1941 wurden 30 jüdische | |
Insass*innen [1][des Arbeitshauses in die Tötungsanstalt Bernberg | |
gebracht und dort mit Gas ermordet.] Unter ihnen war Auguste Löwenthal, die | |
im Alter von 67 Jahren im Juni 1939 verhaftet wurde, weil ihr vorgeworfen | |
wurde, als Prostituierte zu arbeiten. Über ihr Schicksal hat Irmer | |
geforscht und die Frau so dem Vergessen entrissen. „Arme Menschen schreiben | |
keine Geschichte und hinterlassen oft kaum Dokumente“, sagt Irmer. | |
Für den 2007 gegründeten Arbeitskreis Marginalisierte Gestern und heute ein | |
Grund, sich für das Gedenken der als asozial stigmatisierten | |
Insass*innen des [2][Arbeitshauses] einzusetzen. Seit 2015 informieren | |
Tafeln über die Menschen, die zu den verschiedenen Zeiten dort verfolgt | |
wurden. In der DDR dienten die Gebäude als Gefängnis. Dort waren auch | |
Menschen inhaftiert, die bei Demonstrationen und Proteste in der letzten | |
Phase der DDR festgenommen wurden. | |
Der Gedenkspaziergang am Sonntag war Teil der [3][Lichtenberger | |
Aktionswochen gegen Sozialchauvinismus], die von einem Bündnis von | |
Antifaschist*innen, der Berliner Obdachlosenhilfe und der | |
Erwerbsloseninitiative Basta organisiert werden. Noch bis Mitte Dezember | |
soll es an unterschiedlichen Orten Veranstaltungen geben, die sich mit der | |
Abwertung von armen Menschen befassen. So soll am 8. Dezember ab 18 Uhr im | |
Café Maggie in der [4][Frankfurter Allee 205 über das Gedenken an die | |
heutigen Opfern sozialchauvinistischer Gewalt diskutiert werden.] Zwei | |
davon gab es in Lichtenberg: 1993 wurde dort Kurt Schneider von Neonazis | |
ermordet und 2016 Eugeniu Botnar von einem Warenhausdetektiv erschlagen. | |
4 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Lichtenberg/!5102624 | |
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[3] https://aktionswochen.blackblogs.org/2023/08/29/programm-2023/?event_id1=234 | |
[4] /POLITISCHES-KINO/!5118153 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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Lichtenberg | |
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