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# taz.de -- Haushaltskrise aus Auslands-Sicht: Deutschland wieder auf Sonderweg
> Das Sparideal der Bundesregierung sorgt im Ausland für Kopfschütteln.
> Dazu gesellt sich eine zunehmende Entfremdung in der Außenpolitik.
Bild: Das zum deutschen Sparideal erhobene Leitbild der „schwäbischen Hausfr…
Am Mittwoch sind die Spitzen der Ampel auseinandergegangen, ohne zu
verraten, wie sie die Löcher in ihrem Haushalt stopfen wollen, die durch
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerissen wurden. Die Zitterpartie
geht also weiter. Das muss den Menschen und der Wirtschaft nicht nur
hierzulande Sorgen machen, sondern auch im Rest Europas und der Welt.
Deutschland ist, als größte Volkswirtschaft des Kontinents, der Motor der
europäischen Entwicklung. Stockt dieser Motor, schlägt das auch auf unsere
Nachbar- und Partnerländer durch.
Dort versteht man [1][die Deutschen und ihre Marotten immer weniger]. Das
zum deutschen Sparideal erhobene Leitbild der „schwäbischen Hausfrau“
wirkt, aus dem Ausland betrachtet, bestenfalls provinziell. Selbst die
Financial Times und Bloomberg, wahrlich keine linksradikalen Träumer,
warnen inzwischen vor dem deutschen Übereifer beim Sparen und halten die
Schuldenbremse für eine „schlechte Idee“.
Nun versteht man besser, warum die Ökonomen Joseph Stiglitz und Adam Tooze
schon vor zwei Jahren, als die Ampel gerade antrat, [2][FDP-Chef Christian
Lindner zum gefährlichsten Mann Europas] erklärten und davor warnten, ihm
sein Schlüsselressort der Finanzpolitik anzuvertrauen. Denn hinter dem
modischen Dreitagebart und im schnittigen Anzug steckt fiskalpolitischer
Starrsinn. Dieser steht jetzt dringend benötigten Investitionen in die
Infrastruktur, den Klimaschutz und die Bildung, und damit dem Fortschritt
in diesem Land im Weg.
Leider hat die Union, auf deren Betreiben hin die Schuldenbremse einst ins
Grundgesetz geschrieben wurde, keine alternative Vision anzubieten: Sie
will an der fatalen Bremse festhalten und schlägt vor, beim Bürgergeld, der
Kindergrundsicherung und den Sozialleistungen zu sparen – nicht gerade ein
Lockangebot an die SPD, ihre Koalitionspartner zu wechseln.
## Weiter durchwurschteln
Der Etat des Verteidigungsministeriums, immerhin der zweitgrößte Posten im
Haushalt, ist dagegen auch für die Union tabu. Deshalb wird sich die
Koalition vermutlich weiter durchwurschteln und einen Weg finden, über
Sonderfonds und andere Tricks ihren Haushalt zu retten. Ein Aufbruch sieht
anders aus, und diese unsolidarische Sparpolitik wird, so steht es zu
befürchten, europaweit jene rechten Populisten weiter beflügeln, die ihre
jeweiligen nationalen Interessen an erste Stelle setzen. Der Erfolg eines
Geert Wilders ist dafür nur das letzte Beispiel.
Auch außenpolitisch entfremdet sich Deutschland immer mehr von seinen
Partnern. Während Außenministerin Baerbock im hohen moralischen Ton die
russische Kriegsführung zu Recht anprangert und für eine weitere
militärische Unterstützung der Ukraine wirbt, findet sie angesichts von Tod
und Zerstörung im Gazastreifen kaum Worte. Andere europäische Länder und
sogar die USA gehen inzwischen stärker auf Distanz zur Kriegsführung der
israelischen Regierung als Deutschland, das weiter den Schulterschluss
sucht. Zum ökonomischen Sonderweg gesellt sich die außenpolitische
Isolation: düstere Aussichten für Deutschlands Rolle in der Welt.
30 Nov 2023
## LINKS
[1] /Regierungserklaerung-von-Olaf-Scholz/!5976827
[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wirtschaftsnobelpreistraeger-sti…
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Das Milliardenloch
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Olaf Scholz
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Schuldenbremse
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