# taz.de -- Putschangst in Sierra Leone: Kämpfe in der Hauptstadt Freetown | |
> Angriffe auf die wichtigste Militärkaserne und das Zentralgefängnis | |
> erschüttern Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Regierung verhängt | |
> Ausgangssperre. | |
Bild: Lage nicht unter Kontrolle: Maskierte Bewaffnete auf einer Straße in Fre… | |
Berlin taz | In Sierra Leone ist am Sonntag die Angst vor einem | |
Militärputsch umgegangen. Der Grund: schweres Gewehrfeuer in der Nacht im | |
Umfeld der wichtigsten Militärkaserne des Landes. „Unidentifizierte | |
Individuen“ hätten in den frühen Morgenstunden versucht, in die Wilberforce | |
Barracks in der Hauptstadt Freetown einzubrechen, [1][gab das | |
Informationsministerium am Vormittag bekannt]. „Sie wurden alle | |
zurückgeschlagen.“ | |
Wenn damit alles vorbei gewesen wäre, hätte die Regierung allerdings wohl | |
nicht gleichzeitig eine landesweite Ausgangssperre verhängt, „um den | |
Sicherheitskräften zu ermöglichen, den Vorgang der Festsetzung der | |
Verdächtigen fortzuführen“, wie es in der Erklärung weiter hieß. Man sei | |
dabei, „die Überreste der flüchtigen Renegaten auszuräuchern“, [2][erkl�… | |
Staatspräsident Julius Maada Bio] wenig später. | |
Am Mittag leerte sich Sierra Leones Zentralgefängnis in Freetown, allgemein | |
als Pademba Road Prison bekannt, das eigentlich für 220 Häftlinge ausgelegt | |
ist, in dem aber zuletzt über 2.000 einsaßen. Videos zeigen, wie [3][die | |
Zellen geöffnet] werden und später mutmaßlich Entflohene die | |
Gefängnismauern und Straßen entlangrennen. Zu den Befreiten soll der | |
Rapmusiker Boss La gehören, der seit 2022 unter dem Vorwurf des Diebstahls | |
einsaß und auf seinen Prozess wartete. | |
[4][Informationsminister Chernor Bah bestätigte] am Nachmittag, die | |
Sicherheitskräfte seien „im Interesse des Schutzes ziviler Menschenleben zu | |
einem taktischen Rückzug gezwungen“ gewesen. Dies habe die Öffnung mehrerer | |
Gefängnisse ermöglicht. „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die SLBC | |
(staatlicher TV/Rundfunk) nicht in Flammen steht und nicht belagert wird“, | |
versuchte der Minister die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es gebe Kämpfe im | |
Stadtviertel Jui. | |
Die Lage in Sierra Leone ist angespannt, seit Präsident Julius Maada Bio am | |
24. Juni wiedergewählt wurde. Die Opposition erkannte den Sieg nicht an, | |
forderte Neuwahlen unter der Ägide einer neuen Wahlkommission und | |
verkündete einen Boykott des ebenfalls neugewählten Parlaments sowie der | |
Kommunalvertretungen. Der Streit endete nach Abschluss eines international | |
vermittelten Abkommens am 19. Oktober, das unter anderem die Einstellung | |
jeglicher juristischen Verfolgung im Zusammenhang mit der Wahl vorsah. | |
Erst am 4. November war [5][im Nachbarland Guinea] das Zentralgefängnis in | |
Conakry von Schwerbewaffneten gestürmt worden. Zahlreiche Häftlinge kamen | |
kurzzeitig frei, darunter Ex-Diktator Dadis Camara. Der prominenteste | |
Ausbrecher, der wegen Massakern angeklagte Ex-General Claude Pivi, ist | |
weiter flüchtig. | |
26 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/MoiceComm/status/1728670950126735747 | |
[2] https://twitter.com/PresidentBio/status/1728688657819738592 | |
[3] https://twitter.com/victor_kenani/status/1728725155709395218 | |
[4] https://twitter.com/Cee_Bah/status/1728767537117069413 | |
[5] /Chaos-in-Guinea/!5968384 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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