# taz.de -- WM der Tennisprofis: Finale Anstrengung | |
> Alexander Zverev darf mit den besten acht Tennisprofis der Saison um den | |
> WM-Titel ringen. Im Frühjahr schien das noch utopisch zu sein. | |
Bild: „Knoten geplatzt“: Alexander Zverev schlägt beim Paris Masters auf | |
Es war kurz vorm Start des ATP-Turniers in Halle, als Alexander Zverev über | |
die Lage im deutschen Herrentennis sprach. Andere hatten ihm in jenen | |
Frühlingswochen die Show und die Schlagzeilen gestohlen, Jan-Lennard Struff | |
etwa, der bis ins Finale des Masters in Madrid vorgestoßen war. Aber auch | |
Akteure aus der zweiten Reihe wie Yannick Hanfmann oder Daniel Altmaier | |
waren im Fokus. | |
„Es macht mich glücklich, das zu sehen. Das ist ein Gewinn für alle im | |
Tennis bei uns“, sagte Zverev, „es ist nicht so, dass ich allein die Fahne | |
hochhalten muss.“ Und was war mit ihm selbst, dem Olympiasieger? „Das Ganze | |
ist so lala bisher, sehr durchwachsen“, sagte er damals, nach den ersten | |
gut fünf Monaten in seiner harten Comeback-Saison, „es ist noch großer | |
Raum, besser zu werden, sich zu steigern.“ | |
Doch nun, wo sich das Tennisjahr 2023 allmählich dem Ende zuneigt, [1][ist | |
Zverev wieder in der Erfolgsspur] – und der Mann, der um Titel auf ganz | |
großen Bühnen kämpft. Nach dem schwierigen ersten Halbjahr in dieser | |
komplexen Spielserie hat sich der 26-Jährige einmal mehr für die Tennis-WM | |
in Turin (12. bis 19. November) qualifiziert, ist damit amtlich verbrieft | |
einer der acht besten Profis der Saison. | |
Er spiele das schlechteste Tennis „seit 2015, 2016“, hatte Zverev im Mai | |
noch über sich gesagt, nach einem niederschmetternden Auftritt in Rom – | |
jetzt indes konnte der Hamburger, dem ein Strafbefehl wegen häuslicher | |
Gewalt in Höhe von 450.000 Euro vorliegt, nach einer energischen Aufholjagd | |
im WM-Rennen konstatieren, „dass ich auch nach allen Rückschlägen und | |
Enttäuschungen weiter an mich geglaubt und mir das Ticket verdient habe“. | |
Fast anderthalb Jahre liegt inzwischen das einschneidendste Negativerlebnis | |
in Zverevs Tenniskarriere zurück – der verhängnisvolle Stolperer im | |
French-Open-Halbfinale 2022 gegen Rafael Nadal, der mit sieben gerissenen | |
Bändern im rechten Fuß endete. Zverev war gerade auf dem Weg gewesen, sogar | |
Platz 1 der Weltrangliste zu erklimmen, doch nach dem Unfall musste er sich | |
plötzlich ganz andere Fragen stellen: Komme ich jemals auf mein altes | |
Niveau zurück, kann ich noch einmal in der absoluten Weltspitze mitspielen? | |
## Schwierige Rückkehr | |
Zverev weiß, wie schwer es anderen Mitstreitern fiel, sich wieder in der | |
Elite zu positionieren – allen voran galt das für den Österreicher Dominic | |
Thiem, der nach einer Handgelenksverletzung bis heute nicht wieder zu alter | |
Stärke zurückgefunden hat. Von Boris Becker, Zverevs gelegentlichem Mentor, | |
war zu hören, „dass der Tenniszirkus nicht schläft, wenn du mit einer | |
Verletzung draußen bist“. | |
Ausgerechnet bei den French Open, dem Schauplatz seines Verletzungshorrors | |
aus dem Vorjahr, drehte sich die Tenniswelt dann wieder um für Zverev, in | |
den grünen Bereich. Das dicke Punktepolster, das er für seinen neuerlichen, | |
aber eher unwahrscheinlichen Halbfinaleinzug mitnahm, erlaubte ihm zum | |
ersten Mal, über ein versöhnliches Jahresende nachzudenken – und an ein | |
WM-Mitwirken zu glauben. | |
„Da ist irgendwie der Knoten geplatzt“, sagt Zverev, „plötzlich habe ich | |
wieder die engen Matches gewonnen. Und dann läuft man mit ganz anderem | |
Selbstbewusstsein durch die Gegend.“ Hamburg, der emotionale Heimsieg am | |
Rothenbaum, verlieh danach erst recht Rückenwind, beendete endgültig das | |
Ergebnis- und Stimmungstief. Fortan punktete Zverev zuverlässig, gewann im | |
Herbst noch ein weiteres Turnier im chinesischen Chengdu, behauptete seinen | |
Platz unter den Top Acht im Jahresrennen. | |
Zweimal hat Zverev die Tennis-WM, aktuell unter dem Namen ATP Finals | |
firmierend, schon gewonnen, 2018 als 21-jähriger Himmelsstürmer und dann | |
2021. In Turin bekommt es Zverev mit Kollegen wie Novak Djokovic, Daniil | |
Medwedew, Andrej Rublew oder Stefanos Tsitsipas, aber auch mit jüngeren | |
Herausforderern wie dem Italiener Jannik Sinner oder Becker-Schützling | |
Holger Rune zu tun. Hinzu kommt [2][der jugendliche Superstar und | |
Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz], der zuletzt in Paris den Eindruck eines | |
von den Saisonstrapazen erschöpften Akteurs vermittelte. | |
Zverev hat niemand so recht auf der Rechnung bei dieser WM, er ist | |
Außenseiter, keiner der großen Titelkandidaten. In dieser Rolle aber, sagt | |
der Deutsche selbst, „fühle ich mich ganz wohl“. | |
6 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.atptour.com/en/rankings/singles | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Carlos_Alcaraz | |
## AUTOREN | |
Jörg Allmeroth | |
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