# taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Ihr Völker der Welt, schaut doch! | |
> Blicke zurück in die Vergangenheit und der bange Blick nach vorn: Im | |
> Fernsehen steht die Stadt kurz vor dem NS-Abgrund, die Klimakrise kommt | |
> ins Museum. | |
Bild: Schaut mal, irgendwo da vorn, die Zukunft: Einblick in die Klima_X-Schau | |
Dass die Menschen immerfort auf Berlin schauen, ist auch das Verdienst von | |
Ernst Reuter. Schließlich forderte sie der damalige Oberbürgermeister | |
Berlins dazu auf, als er mit entsprechendem Pathos deklamierte: „Ihr Völker | |
der Welt… Schaut auf diese Stadt!“ Aber es war damals, 1948, schon eine | |
klamme Zeit. In Stichworten nur: Die Spaltung der Stadt, die | |
Berlin-Blockade durch die Sowjetunion, die Versorgung Westberlins durch die | |
Luftbrücke … Alles also echt heftig, was man doch mitdenken sollte, wenn | |
man am Freitag an den 70. Todestag von Ernst Reuter – er starb am 29. | |
September 1953 – erinnert. | |
Aber geschaut wird weiter, unentwegt. Vor Kurzem war so das Bild, das | |
Berlin nach außen wie nach innen abgibt, Thema einer hitzig aufbrausenden | |
Debatte. Und in diesem Zusammenhang ist es allemal schön, dass die Stadt so | |
groß und auch so vielfältig ist, dass bestimmt immer das als Beweis zu | |
finden ist in ihr, was eine jeweilige Ansicht bestätigen mag. | |
[1][Dass Berlin zum Beispiel nicht Deutschland ist]. | |
Das übrigens muss unbedingt schon aus Gründen der Mengenlehre bestätigt | |
werden. Es ist zwar Hauptstadt, aber so groß dann doch nicht, dass sich | |
Deutschland darin erschöpfen könnte oder gar in Teilen davon wie Kreuzberg. | |
Aber man macht sich halt so seine Vorstellungen. Hat seine Bilder im Kopf. | |
Und die kommen ja von irgendwoher. Die Vorstellung von den gar nicht so | |
rundum glorreichen Goldenen Zwanzigern in Berlin dürften in den vergangenen | |
Jahren dabei sehr von einer Fernsehserie geprägt worden sein mit den | |
einigermaßen braunstichigen Bildern von der Weimarer Republik als einem | |
Tanz auf dem Vulkan, mit großzügig in die Handlung eingestreuten Leichen: | |
[2][„Babylon Berlin“ natürlich], die Serie, die seit 2017 recht frei nach | |
den Krimis von Volker Kutscher von einem Berlin erzählt, das mit seinem | |
morbid feierwütigen Mythos bis ins heutige hinüberreicht. Also dem Bild, | |
das man sich von Berlin macht. Und weil die Bilder ja stets aufs Neue | |
bestätigt werden müssen: Am Sonntag um 20.15 Uhr geht es im Ersten wieder | |
los mit „Babylon Berlin“. Es startet die vierte Staffel. | |
Ein Großteil der „Babylon Berlin“-Aufnahmen entstanden im Filmstudio | |
Babelsberg, dem es so prächtig gerade nicht gehen soll laut Schlagzeilen im | |
Sommer. Von einer drohenden Insolvenz war da die Rede, und dass kaum noch | |
Dreharbeiten dort stattfänden, sagte auch der Regisseur Volker Schlöndorff | |
dem RBB, und dass man dort vor allem an den im Babelsberger Studiobesitz | |
befindlichen Immobilien interessiert sei. | |
Statt auf Traumfabrik auf Traumvillen zu setzen, verspricht ja allerdings | |
auch ein schönes Geschäft. | |
Und damit willkommen zurück in der Wirklichkeit. Die man gar nicht immer | |
wirklich wahrhaben will. Obwohl man doch weiß: Klimakrise zum Beispiel | |
kennen alle. „Doch warum tun wir nicht, was wir wissen?“, ist eine | |
entscheidene Frage, der ab Freitag im Museum für Kommunikation in der | |
Leipziger Straße nachgegangen wird in der [3][Ausstellung „Klima-X“]. | |
Oder, um es mit Ernst Reuter zu sagen: Ihr Völker der Welt. Steckt nicht | |
mehr eure Köpfe in den Sand! | |
25 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Merz-ueber-Gillamoos-und-Kreuzberg/!5955170 | |
[2] /ARD-Serie-Babylon-Berlin/!5536299 | |
[3] https://www.mfk-berlin.de/klima-x/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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