# taz.de -- Prozess wegen Tierquälerei: Schweinerei im Mastbetrieb | |
> Die Schweine des Landwirts W. aus Merzen erleiden große Qualen. Das | |
> Tierschutzbüro zeigte ihn an. Jetzt startet der Prozess in Bersenbrück. | |
Bild: Arme Schweine im Mastbetrieb von Landwirt W. können sich kaum auf den Be… | |
Osnabrück taz | Wer am Mittwochmorgen den Saal E 11 des Amtsgerichts | |
Bersenbrück betritt, braucht starke Nerven. Es geht um den | |
Schweinemast-Landwirt W. aus Merzen, einem kleinen Ort im | |
niedersächsischen Landkreis Osnabrück. Undercover-Videoaufnahmen aus seinen | |
Stallungen zeigen harte Szenen: blutige, lahmende und sterbensschwache | |
Tiere. Schwere Entzündungen, abgebissene Schwänze. Enge, Dunkelheit, | |
Überfüllung. | |
Anfang 2021 hatte die Berliner Tierrechtsorganisation „Deutsches | |
Tierschutzbüro“ Strafanzeige erstattet, wegen Verstoßes gegen das | |
Tierschutzgesetz. [1][Ihr war das Videomaterial, entstanden Ende 2020, | |
zugespielt worden (taz berichtete).] | |
Die 13-seitige Strafanzeige bezeichnet die hygienischen Zustände in der | |
konventionellen Großmast als „katastrophal“, spricht von Tieren, die „ü… | |
und über mit eigenen Exkrementen verschmutzt“ sind. Auf den Aufnahmen seien | |
„stark erkrankte und verletzte Tiere zu sehen, die augenscheinlich ohne | |
adäquate tierärztliche Versorgung sind“. Ein totes, aufgedunsenes, dunkel | |
angelaufenes Schwein ist zu sehen; ein anderes Schwein nagt an ihm. | |
Es sei davon auszugehen, so steht es in der Anzeige, „dass den betreffenden | |
Tieren länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder | |
Leiden zugefügt wurden“. Das Tierschutzgesetz sieht dafür eine Geldstrafe | |
vor, im Maximalfall eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. | |
## Festliegen, Sepsis und erhebliche Verletzungen | |
Vor Prozessbeginn teilte das Gericht mit: „Eine sachverständige Auswertung | |
dieser Aufnahmen ergab, dass bei acht Mastschweinen mindestens seit einigen | |
Tagen u. a. Festliegen, Sepsis, Nekrosen, Dekubitus, Lahmheit und | |
erhebliche Verletzungen infolge Schwanzbeißens vorlagen.“ Dem Angeklagten | |
Landwirt werde vorgeworfen, „vorsätzlich keinerlei Maßnahmen zur | |
Schmerzlinderung, Behandlung und ggfs. Tötung der erkrankten und verletzten | |
Tiere ergriffen zu haben“. | |
Dass es am Mittwoch zu einer Hauptverhandlung kommt, bei der auch | |
Sachverständige aussagen sollen, liegt an W. selbst. Gegen einen | |
Strafbefehl des Amtsgerichts Bersenbrück von Ende 2022 hatte er Einspruch | |
eingelegt. Die verhängten 5.600 Euro, also 80 Tagessätze à 70 Euro, wollte | |
er nicht zahlen. | |
Hart war der Strafbefehl nicht: Vorbestraft ist man erst bei mehr als 90 | |
Tagessätzen. „Das stellt keine Abschreckung dar“, sagt Jan Peifer, Vorstand | |
des Deutschen Tierschutzbüros, der taz. „Hier wurden nicht alle | |
Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Das sei bedauerlich, aber nicht ungewöhnlich | |
in solchen Fällen. „Letztlich fördert das ja die Tierquälerei“, sagt | |
Peifer. „Es passiert nichts, höchstens kommt es mal zu einer Geldstrafe. | |
Also macht man weiter wie bisher.“ | |
Theoretisch könnte am Ende der Hauptverhandlung eine höhere Strafe stehen. | |
Aber Peifer befürchtet das Gegenteil: „Der Anwalt des Angeklagten wird | |
alles versuchen, das Bildmaterial und den Gutachter zu diskreditieren.“ | |
Dabei seien auf den Videoaufnahmen krasse Missstände und Verletzungen zu | |
sehen. „Nicht das Schlimmste, was wir jemals zu sehen bekommen haben, aber | |
übel.“ | |
Anfangs hatte sich W.s Vater für die Zustände im Mastbetrieb verantwortlich | |
gezeigt. Zum Zeitpunkt der Undercover-Aufnahmen war er für die CDU | |
stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Merzen. Auch die | |
Datenbank-Website „tierschutz-skandale.de“, die vom Deutschen | |
Tierschutzbüro und [2][der Münchner Tierrechtsorganisation „Soko | |
Tierschutz“ betrieben wird], führt W.s Vater für diesen Zeitpunkt als | |
Betreiber: „Er und weitere Familienmitglieder führen diverse Mastanlagen, | |
an die EU-Fördergelder fließen“, steht dort. Unter der Fallnummer 50 | |
dokumentiert die Datenbank die Missstände in Merzen. | |
## Verdacht auf Subventionsbetrug | |
Der Vizebürgermeister, mittlerweile in der Gemeinde Merzen nicht mehr im | |
Amt, scheint nun aus der Schusslinie zu sein. Aber sein Sohn, dessen Mast | |
zum Zeitpunkt der Aufnahmen laut tierschutz-skandale.de den | |
milliardenschweren Fleischverarbeitungs-Konzern Tönnies belieferte, muss | |
Rede und Antwort stehen. | |
Und auf W. kommt weiterer Druck zu: Nicht nur, dass das Verfahren nach dem | |
Tierschutzgesetz noch offen ist, das die Staatsanwaltschaft Oldenburg | |
angestrengt hat. Auch bei der [3][Staatsanwaltschaft Osnabrück] sind | |
Ermittlungen anhängig, seit 2021, wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug | |
– es geht um Hunderttausende Euro. Peifers Tierschutzbüro hat auch diese | |
Anzeige erstattet. „Erst kürzlich hatte die Staatsanwaltschaft noch | |
Rückfragen“, sagt Peifer. Das sei ein Indiz dafür, dass sie die Sache ernst | |
nehme. | |
Der Fall W. ist kein Einzelfall. Die Website tierschutz-skandale.de listet | |
172 Vorfälle für die Jahre 2016 bis 2023. Kämpferisch spricht die Datenbank | |
von „systematischer Quälerei“ und stellt klar: „Es kommt in allen | |
Bundesländern, bei allen Tierarten und in allen Haltungsformen immer wieder | |
zu Verfehlungen.“ | |
29 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Videos-von-Tierquaelerei-in-Mastbetrieben/!5773639 | |
[2] /Soko-Tierschutz-zeigt-Staatsanwalt-an/!5898923 | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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