Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Im Auenland der Industrie
> Ein beruflicher Ausflug führt ins „Land“ und eben nicht ins „Ländle�…
> Baden-Württemberg von der blubbernden Moto Guzzi aus betrachtet.
Neulich hatte ich beruflich erstmals in Baden-Württemberg zu tun. Nicht in
Stuttgart oder Ulm, sondern wirklich im „Land“, das, wie man außerhalb von
Baden-Württemberg hartnäckig denkt, innerhalb von Baden-Württemberg
angeblich „Ländle“ genannt wird. In den fünf Tagen, die ich dort unterwegs
war, hat kein Mensch „Ländle“ gesagt.
Ich war aber auch nicht in Stuttgart oder Ulm, sondern im … ach, das
erwähnte ich bereits. Meine Reise führte mich nach Öhringen, Schwäbisch
„Auf diese Steine können Sie bauen!“ Hall, Langenau und Weil der Stadt.
Warum? Weil der Stadt, haha. Sagte auch niemand. Allerdings nannten die
Leute mir gegenüber ihre aufreizend unzerbombten Städtchen stets
verschüchtert „Provinz“.
Einmal bereiste ich mit einer berühmten Schriftstellerin aus Berlin auf
einem Ausflugsdampfer das Mittelrheintal. Dort ist es so schön, dass einem
vom Hingucken die Augen schmelzen. Die berühmte Schriftstellerin aus Berlin
zog nur an ihrer Zigarette und flötete verächtlich: „Jaja, aber das ist
nicht Deutschland!“ Wörtlich dachte ich damals: „Du Pute! Nur weil das
nicht Prenzlauer Berg oder Neukölln ist, soll das nicht Deutschland sein?“
Das sagte ich selbstverständlich nicht. Ich lachte nur nervös und sah
weiter zu, wie elegant und verächtlich sie an ihrer Zigarette zog.
An diese Szene musste ich denken, als ich von A nach B nach C nach D in
weiten Schleifen durch den Kraichgau, das Hohenlohesche, den Murrhardter
Wald, die Frickenhofer Höhe, den Schurwald, den Glemswald und das Strohgäu
in den Pfinzgau landstraßelte. Schade nur, dass das ehemals
württembergische Montbéliard drüben in Frankreich nicht mehr, wie früher,
Mömpelgard heißt. Ein Name, den Tolkien erfunden und wegen zu großer
Niedlichkeit wieder verworfen haben könnte. „Nett hier“, lautet der clumsy
claim des Landes, „aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg“? – „…
aber das ist nicht Deutschland!“
Wo war ich? Genau, ich blubberte also mit der Guzzi gemütlich durch die
Provinz da unten. Die Flüsse glitzerten in der Sonne, die Felder lagen gelb
wie auf Sizilien, die Wälder waren kühl und grün, die Rotmilane kreisten.
Ich schnurrte durch die Landschaft, pures Idyll, und plötzlich – bämm – e…
232 Meter hoher Fahrstuhltestturm von Thyssenkrupp, nächste Kurve wieder
Auenland und – bämm – Ritter-Sport, dann weiter im Idyll und – bämm –
Mercedes-Benz, eine eigene Stadt, die bald wieder dem Paradies weicht, und
– bämm – kommt hinter der nächsten Kurve ein weiterer Weltmarktführer od…
die Burg Hohenzollern in Sicht. Es nahm kein Ende.
Wo Deutschland am schönsten ist, dachte ich, verdient Deutschland offenbar
auch all das Geld, das anderswo ausgegeben wird. In einem Land, das von
einem rechtsgrünen Kryptomarxisten regiert wird. Irre. Provinz? Nett hier.
28 Jul 2023
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Baden-Württemberg
Straßen
Industrie
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Wie ich die Zukunft verpasste
Vor den Einflüsterungen der Telekom gibt es kein Entrinnen. Doch liegt am
Ende aller Mails und Telefonate wirklich die hyperschnelle Glasfaser?
Die Wahrheit: Welches Land hätten Sie denn gern?
Wo zum Teufel ist eigentlich dieses Deutschland, von dem alle reden?
Verschiedene Betrachter kommen zu unterschiedlichen Schlüssen.
Die Wahrheit: Ich als bekiffte Neurochirurgin
Jetzt, da Kiffen nach jahrelangem Warten endlich erlaubt sein wird, da geht
es nicht mehr. Es ist endgültig vorbei mit Bong und Joint.
Die Wahrheit: Die Herrentasche des Grauens
Das aktuell inflationär getragene Accessoire des schlechten Geschmacks ist
die nahe Bauch baumelnde Herrentasche. Alles bleibt „nah am Mann“. Graus.
Die Wahrheit: Schmuckstück aus der Radiohölle
Unterwegs Radio hören kann zu verstärktem Ohrenglühen führen. Wer da so
alles Plattitüden zum Besten gibt: Rapper, Studenten, Politiker …
Die Wahrheit: Der Relevanzliterat von Leipzig
Ein Roman wie eine Neutronenbombe. Ein Autor wie ein Atompilz. Sein
Gesicht, seine Kleidung und sein Buch stehen im Mittelpunkt der Buchmesse.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.