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# taz.de -- Tour de France der Frauen: Reißzwecke als Notnagel
> Wachablösung im Frauenradsport: Demi Vollering gewinnt die Tour de France
> Femmes. Damit distanziert sie die 40-jährige Annemiek van Vleuten.
Bild: Ausgelaugt auf Asphalt: Demi Vollering im Siegerinnentrikot der Tour
Eine gegen SD Worx, das war über die letzten Jahre die Grundkonstellation
im Frauenradsport. [1][Annemiek van Vleuten, Kapitänin des spanischen
Rennstalls Movistar,] fuhr bei den großen Rundfahrten stets der Phalanx des
niederländischen Rennstalls SD Worx davon. Früher entwischte van Vleuten
auch noch bei Klassikern.
In diesem Jahr war damit aber Schluss. SD Worx gewann von Omloop Het
Nieuwsblad (mit der Belgierin Lotte Kopecky) über Gent–Wevelgem (mit der
Schweizerin Marlen Reusser) und der Flandernrundfahrt (erneut Kopecky) bis
hin zu Amstel Gold Race, Fleche Wallonne und Lüttich–Bastogne–Lüttich
(allesamt Vollering) so ziemlich alles, was der Kalender hergab.
Kein Wunder auch, dass die drei Pedalaktivistinnen des Frühjahrs, eben
Reusser, Kopecky und Vollering, [2][am letzten Tag der Tour de France
Femmes] Schlange standen, um auf das Siegerpodium zu gelangen. Reusser
gewann erwartungsgemäß das Zeitfahren zum Abschluss. Zweite wurde
Vollering, Dritte Kopecky. Ähnlich sah es in der Gesamtwertung aus:
Vollering gewann vor Kopecky.
Und wenn Reusser über die achttägige Tour de France nicht so viel
Helferinnendienste geleistet hätte, dann wäre sie wohl auch noch aufs
Podium gekommen. „Ich bin auch ganz gut fürs Klassement“, meinte die
Gewinnerin der Tour de Suisse und der Baskenlandrundfahrt selbstbewusst zur
taz. Weil sie sich aber aufopferte für die Chefinnen, fand sie sich auf
Platz 28 mit exakt einer halben Stunde Rückstand auf Vollering wieder.
## „Das ist verrückt“
Vollering wiederum konnte einen dicken Haken hinter ihren Saisonplan
machen. Für sie war es wichtig, van Vleuten bei einer großen Rundfahrt noch
selbst geschlagen zu haben, allein deshalb, damit es später nicht heißt,
Siege seien deshalb zustande gekommen, weil die mittlerweile 40-jährige van
Vleuten sich in den Ruhestand verabschiedet hätte. „Ja, das ist natürlich
sehr schön. Annemiek war meine wichtigste Rivalin. Aber ich wollte immer
die Beste sein und auf der obersten Podeststufe stehen. Genau das habe ich
getan, das war mein Saisonziel, und jetzt bin ich sehr glücklich“, sagte
die Siegerin.
Dass sie auf dem Siegerpodest neben sich noch Teamgefährtin Kopecky hatte,
verblüffte selbst sie ein wenig. „Das ist schon verrückt“, sagte sie,
während sich in der Mixed Zone in ihrem Rücken Kopecky – angetan übrigens
im Trikot der Punktbesten – fröhlich winkend vorbeischlich. „Aber es zeigt
einfach, wie stark unser Team ist, dass wir uns gegenseitig immer noch
stärker machen. Wir haben Respekt voreinander und motivieren uns“, sagte
sie und vergaß nicht, darauf hinzuweisen, dass mit Lorena Wiebes auch noch
die derzeit schnellste Sprinterin der Welt – ebenfalls Etappensiegerin bei
der Tour – zum Rennstall gehört und immer dann, wenn kein Massensprint
ansteht, als Helferin im Wind agiert.
Für die Konkurrenz lässt das nicht viel Raum. Selbst van Vleuten, achtfache
Grand-Tour-Siegerin, viermalige Weltmeisterin sowie Olympiasiegerin, war in
diesem Sommer machtlos dagegen. Am Col d’Aspin, dem vorletzten Berg dieser
Tour de France, konnte sie mit Hilfe ihrer Teamkolleginnen zwar noch die
Phalanx von SD Worx kurzzeitig sprengen. Im Dreierduell zwischen ihr,
Vollering und der Polin Kasia Niewiadoma verweigerte Vollering aber
jegliche Kooperation. Sie wartete, dass ihre Teamkolleginnen Reusser und
Kopecky aufschlossen, sparte schlau Kräfte und setzte dann den
entscheidenden Schlag am Tourmalet.
Bei den Geschlagenen löste dies düstere Zukunftsgedanken aus. Kasia
Niewiadoma, immerhin Gesamtdritte und Bergkönigin der Rundfahrt, meinte auf
die Frage, wie es ihr in Zukunft gelingen könne, ein oder gar zwei Stufen
auf dem Podium nach oben zu steigen: „Vielleicht einen Fan bitten,
Reißnägel vor die Räder von SD Worx auf die Straße zu streuen.“ Es war,
ganz klar, ein Scherz. Aber er deutet das Ausmaß der Verzweiflung an, das
diese Übermacht auslöst. Andere Mittel, SD Worx zu schlagen, gibt es aber
auch. Taktik des Rennstalls ist es, die eigenen Kräfte nie zu früh
einzusetzen.
Entschlossene Ausreißerinnen kamen daher auch bei dieser Tour durch. Denn
in die Nachführarbeit schalten sich die Vertreterinnen des dominierenden
Frauenrennstalls gewöhnlich erst sehr spät ein. Das ist ein krasser
Unterschied zur Verfahrensweise vom Männerpendant Jumbo–Visma. Weil die
Frauen damit noch erfolgreicher sind als die Männer, sollten die vielleicht
auch mal Taktiken bei der Tour de France Femmes studieren, anstatt sich auf
Nach-Tour-Partys zu vergnügen.
Die Tour de France Femmes bot trotz aller Übermacht von SD Worx sehr
spannenden Sport und hielt auch noch Erkenntnisgewinne bereit.
31 Jul 2023
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Annemiek_van_Vleuten
[2] https://www.letourfemmes.fr/en
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
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