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# taz.de -- Birkenstock könnte an Börse gehen: Latschen wecken Fantasien
> Der deutsche Sandalenhersteller Birkenstock hat sich zur Designikone
> gewandelt. Jetzt wollen Finanzinvestoren die Firma offenbar zu Geld
> machen.
Bild: Birkenstocks werden immer noch in Deutschland gefertigt: Besohlung im Gö…
Berlin taz | Wohl kaum ein Schuh teilt die Menschen so zuverlässig in zwei
Gruppen wie die Kork-Latsche von Birkenstock. Zwischen hässlich und
grandios gibt es wenig Zwischentöne. [1][Zuletzt überwog die Begeisterung
für das Produkt mit Fußbett und Lederriemen]. Konzeptkünstler nahmen sich
seiner an. Und jetzt sind auch Anleger elektrisiert und nicht nur die, die
Birkenstock Sandale „Arizona“ zum Anzug tragen: Das ikonische deutsche
Unternehmen könnte in den USA an die Börse gehen.
Dass die Information bekannt wurde, ist sehr wahrscheinlich Teil eines
Plans, den die Haupteigentümer verfolgen. Die Finanzinvestoren L.Catterton
und Financiére Agache wollen sehen, wie viel Interesse das Unternehmen
erzeugt. Und sie wollen es natürlich ins Gespräch bringen. Hinter
L.Catterton steht der französische Luxuskonzern LVMH, zu dem Dior, Louis
Vuitton, Tiffany gehören. Financiére Agache ist die private
Investmentgesellschaft [2][von LVMH-Großeigner Bernard Arnault].
Der Börsengang ist angeblich nur eine Idee, die die Eigentümer
durchspielen. Offenbar wollen sie nach zweieinhalb Jahren Geld sehen. Es
geht um große Summen. Erst im Frühjahr 2021 hatten die Finanzinvestoren
Birkenstock von Alexander und Christian Birkenstock gekauft. Die beiden
halten noch einen Anteil. Der Preis wurde nicht genannt, in der Branche
hieß es, das Unternehmen sei mit 4,9 Milliarden US-Dollar (damals etwas
über 4 Milliarden Euro) bewertet worden. Knapp zweieinhalb Jahre später
rechnen die Eigner offenbar mit bis zu 6 Milliarden Dollar. So berichtet es
zumindest die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Eine erstaunliche Wertsteigerung für ein mittelständisches Unternehmen, das
vor der Übernahme angeblich knapp eine Milliarde Euro umsetzte und einen
operativen Gewinn um die 150 Millionen Euro verzeichnete. Aber es geht
nicht um das Ist, sondern um die Zukunft. Und dass da etwas möglich ist,
hat Birkenstock in gut 250 Jahren Geschichte bewiesen.
## Spießerding „Arizona“
Die Anfänge des Unternehmens aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein
reichen bis 1774 zurück. Damals begann Johann Adam Birkenstock, Schuhe im
hessischen Langen-Bergheim herzustellen. Konrad Birkenstock erfand dann in
den 1920er Jahren das flexible Fußbett mit dem Material Kork. Die Sandale
„Arizona“ gibt es seit 1963. Lange Jahre waren deutsche Touristen im
Ausland an der für Modefans lange geradezu grauenhaften Kombination von
kurzen Hosen, weißen Socken und „Arizona“ zu erkennen – der Inbegriff
deutscher Spießigkeit. Die geschlossene Variante „Boston“ galt lange als
Gesundheitsschuh, war bei Ärzten und medizinischem Personal beliebt. Und
auch ein Visionär setzte damals schon auf die bequemen Teile: Apple-Gründer
Steve Jobs war Fan.
2012 dann kopierte das Luxuslabel Celine eine Birkenstock-Sandale, als
Obermaterial kam Fell zum Einsatz, nach innen gedreht. Plötzlich waren die
praktischen, aber designerisch gewöhnungsbedürftigen Treter eine
Provokation – und die liebt die Modebranche. Supermodel Kate Moss trug sie
plötzlich, Heidi Klum wurde in ihnen gesehen, Designer kombinierten ihre
neuen Kollektionen mit ihnen.
## Kulttasche zu Birkenstocks
Zuletzt zerschnitt das New Yorker Designkollektiv MSCHF sogenannte Birkin
Bags – Einstiegspreis für die ikonische Handtasche der Luxusmarke Hermès
5.000 Euro – und fertigte daraus Birkenstocks. Sie kosten mehrere
Zehntausend Euro. Luxus-Designer Blahnik, bekannt für die hohen Absätze
seiner Schuhe, verabschiedete sich für ein Sondermodell von diesen und
versah Birkenstocks mit Samt. Da ist also viel Fantasie im Markt, wie es
auch an der Börse gerne heißt.
Während die Modewelt Birkenstocks anzog, sanierte in Linz am Rhein
Geschäftsführer Oliver Reichert das Unternehmen. Bevor er 2013 antrat, lief
es nicht gut, vor allem [3][Firmenpatriarch Karl Birkenstock hatte auch
etwas gegen Gewerkschaften und Betriebsräte]. Das hat sich geändert. Heute
produziert Birkenstock immer noch in Deutschland, baut gerade im
mecklenburg-vorpommerschen Pasewalk für 120 Millionen Euro eine neue
Fabrik. Auch das Werk im sächsischen Görlitz hat das Unternehmen erweitert.
Birkenstock ist größter deutscher Schuhhersteller. Inzwischen arbeiten
5.500 Mitarbeiter für die Firma, geliefert wird weltweit. Es gibt exklusive
Serien der Schuhe. Im Programm sind inzwischen auch Gürtel, Taschen und
Betten.
Reichert sprach 2021 davon, man suche einen Partner für die nächsten 250
Jahre. Der Geschäftsführer und die Birkenstocks verhandelten geschickt,
spielten den Finanzinvestor CVC gegen L.Catterton und Financiére Agache
aus. Im Blick hatten sie wahrscheinlich auch den Kölner Kofferhersteller
Rimowa, den LVMH Ende 2016 von der Eigentümerfamilie übernommen hatte und
auf Luxus trimmte. Reichert jedenfalls versprach sich von den neuen
Eigentümern vor allem einen besseren Zugang zum wichtigen asiatischen
Markt.
Aus den 250 Jahren sind nun möglicherweise nur 3 geworden. Andererseits
heißt Börsengang nicht, dass die Investoren komplett verkaufen. Meist geht
nur ein Teil der Aktien an die Börse. Und dann ist der Börsengang auch nur
eine von verschiedenen Varianten, wie Bloomberg berichtete. Womöglich kommt
er doch nicht. Dann hat das Thema aber immerhin die Marke im Gespräch
gehalten.
13 Jul 2023
## LINKS
[1] /Shorts-als-Maennermode/!5941537
[2] /Oxfam-Bericht-vor-Weltwirtschaftsforum/!5826366
[3] /Archiv-Suche/!1468247&s=birkenstock+betriebsrat&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Björn Hartmann
## TAGS
Börsengang
Schuhe
Mode
Schuhe
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Design
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