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# taz.de -- Karstadt am Berliner Hermannplatz: Denkmalschutz unter Druck
> Um Bauen zu beschleunigen, will Schwarz-Rot den Denkmalschutz
> reformieren. Erster Lackmustest könnte Karstadt am Hermannplatz sein.
Bild: Welcher Denkmalschutz darf es sein für das Karstadt-Gebäude am Hermannp…
Berlin taz | Abriss des Gebäudes bis auf das Betonskelett, anschließend
Aufstockung durch mehrere Etagen und eine komplett neue Fassadengestaltung
– die [1][Pläne des Immobilienunternehmens Signa für den Karstadt am
Hermannplatz] hören sich nicht gerade nach einem behutsamen Umgang mit
einem Baudenkmal an.
Trotz wachsender Bedenken, ob Signas an den monumentalen Art-déco-Vorgänger
angelehnte Rekonstruktion mit dem Denkmalschutz vereinbar ist, treibt der
Senat die Planungen unverändert voran. Das legt zumindest der Bebauungsplan
nahe, der seit ein paar Tagen [2][online] und in der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenStadt) im Rahmen der frühzeitigen
Bürgerbeteiligung öffentlich zur Kommentierung ausliegt.
[3][„Das Warenhaus am Hermannplatz [soll] an der Ursprungsgestalt von
1927-29 orientiert werden“], heißt es in der 64-seitigen Begründung des
Bebauungsplans. Damit keine Zweifel aufkommen, dass mit der Formulierung
womöglich etwas anderes als Signas Wunschvorstellung gemeint sein könnte,
hängt die Senatsverwaltung zu Illustrationszwecken gleich noch dieselbe
Simulation in den Anhang, mit der das Unternehmen seit Jahren bei Politik
und Stadtgesellschaft für sein Projekt wirbt.
## Als Baudenkmal eingetragen
Dabei sieht es so aus, als könne der Denkmalschutz Signas ambitionierten
Rekonstruktionsplänen einen Strich durch die Rechnung machen. Schon Ende
vergangenen Jahres meldete die beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
angesiedelte untere Denkmalschutzbehörde [4][Bedenken an].
Der Grund: Auch der in den 1950er Jahren errichtete und später mehrfach
erweiterte Nachfolgebau ist in der Denkmalliste als Baudenkmal eingetragen.
Signa ging in ihren Planungen ursprünglich davon aus, dass ein kleines
Gebäudefragment an der Südseite, das die Sprengung des Vorgängers durch die
SS überlebte, unter Denkmalschutz steht.
Auf taz-Anfrage bezeichnet Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian
Schmidt (Grüne) die im Bebauungsplan dargestellte Planung als weiterhin
„denkmalrechtlich kritisch“ und schätzt Signas Vorhaben in dieser Form als
„nicht umsetzbar“ ein. Zur Klärung offener Fragen kündigte der Bezirk an,
ein Gutachten in Auftrag zu geben.
Auch der Landesdenkmalrat, ein beratendes Expertengremium, das dem Senat in
Streitfragen Empfehlungen gibt, kritisierte Signas Pläne deutlich. „Der
vorgestellte Entwurf […] weist erhebliche Eingriffe in die
denkmalgeschützte Substanz […] auf“, heißt es in einem Protokollmitschnitt
vom 3. März, der der taz vorliegt.
Zudem bemängelt das Gremium, die Einbindung der Denkmalbehörde sei viel zu
spät erfolgt, andere Optionen seien nicht erwogen worden.
## Roter Teppich für Investor:innen
Auf taz-Nachfrage, ob und wie die Empfehlungen des Landesdenkmalrats
berücksichtigt werden, antwortet die Senatsverwaltung weitaus
zurückhaltender: Die Empfehlungen des Landesdenkmalrats fänden „im Zuge des
gesetzlichen Abwägungsgebotes eine Berücksichtigung“. Die Antwort lässt
sich auch so lesen, dass der Bezirk im Zweifel die Bedenken einfach
ignorieren könnte.
Besonders brisant wird der Konflikt zwischen Senatsverwaltung, Bezirk und
Signa vor dem Hintergrund der Neuwahlen im Februar. Im Koalitionsvertrag
kündigt die frisch gebackene CDU-SPD-Koalition an, den Denkmalschutz „neu
ausbalancieren“ zu wollen, um für mehr Tempo beim Klimaschutz, Wohnungs-
und Schulneubau zu sorgen.
Kritiker:innen fürchten, dass mit „balancieren“ vor allem eine
Schwächung des Denkmalschutzes gemeint ist, mit der für Investor:innen
lästige Hürden für Neubauprojekte aus dem Weg geräumt werden sollen. „Der
Denkmalschutz gerät zunehmend unter Druck“, schätzt Katalin Gennburg,
Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion, die Pläne der neuen
Regierung ein und spricht von einer gezielten „Deregulierung für
Investor:innen“.
Während unklar ist, in welcher Form Schwarz-Rot das Denkmalschutzgesetz
reformieren will, siedelte der neue Senat bereits wenige Tage nach seiner
Konstitution die oberste Denkmalschutzbehörde und das Landesdenkmalamt
wieder bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an. Zuvor war die
Behörde seit 2016 der Kultursenatsverwaltung unterstellt. Dieser Schritt im
ersten rot-rot-grünen Senat galt als besondere Würdigung des
Denkmalschutzes, da sich in Streitfragen die Senatsverwaltungen
untereinander abstimmen mussten.
Die Verschiebung der Zuständigkeit ermöglicht es nun Bausenator Christian
Gäbler (SPD), in Streitfällen im Zweifel die Denkmalschutzbehörden einfach
zu überstimmen. „Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann nun
Bedenken viel schneller intern wegwischen“, fürchtet auch Julian Schwarze,
Stadtentwicklungsexperte der Grünen-Fraktion. Ziel sei ein „schnelleres
Durchregieren“.
## Beteiligung war eine Farce
Die Senatsverwaltung begründet den Schritt hingegen damit, dass mit der
Integration der Denkmalschutzbehörde vor allem Planungs- und
Abstimmungsprozesse beschleunigt werden.
Der Karstadt am Hermannplatz scheint also zum ersten Lackmustest für den
Stellenwert des Denkmalschutzes in der neuen Koalition zu werden. Bisher
hatte der Senat Signa alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Nach dem Veto
des Bezirks zog der Senat Ende 2021 auf Druck Signas das
Bebauungsplanverfahren an sich; die von Signa versprochene Beteiligung der
Zivilgesellschaft stellte sich schnell als Farce heraus.
[5][Der Senat rechtfertigte sein Entgegenkommen bislang mit dem „Letter of
Intent“ (LOI)] genannten Deal mit Signa vom August 2020. Als der
Warenhauskonzern Galeria-Karstadt-Kaufhof, dessen Eigentümer ebenfalls
Signa ist, zum ersten Mal Insolvenz anmeldete, bot das
Immobilienunternehmen dem Senat an, vier von der Schließung bedrohten
Filialen zu retten. Im Gegenzug sicherte die Stadt dem Unternehmen zu, drei
ins Stocken geratene Bauprojekte voranzutreiben – eins davon am
Hermannplatz.
Mittlerweile hat Signa wesentliche Zusagen der nicht rechtlich bindenden
Absichtserklärung gebrochen. Im Zuge der zweiten Insolvenz ist die
Schließung zwei der damals geretteten Filialen beschlossen. Ein Grund, den
Denkmalschutz beim Karstadt am Hermannplatz hintanzustellen ist der LOI
schon lange nicht mehr.
22 May 2023
## LINKS
[1] /Spekulation-mit-Immobilien/!5925353
[2] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/b-planverfahren/de/fruehbb/2-…
[3] /Kaufhausumbau-am-Hermannplatz/!5827000
[4] /Karstadt-am-Hermannplatz/!5916720
[5] /Linke-Politikerin-ueber-Karstadt-Deal/!5700089
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Denkmalschutz
Karstadt
Lesestück Recherche und Reportage
Karstadt
Karstadt
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