# taz.de -- Vermeintlicher Nazi-Vergleich: Lehrer erhält Entschädigung | |
> Der Berliner Senat kündigt einem Lehrer, weil der die Corona-Impfpolitik | |
> in die Nähe der Nazis rückte. Der 62-Jährige klagt – und enthält 50.000 | |
> Euro. | |
Bild: Lehrer Rüdiger Bormann (r.) neben seinem Anwalt am Montag vor dem Landes… | |
BERLIN dpa | Im Rechtsstreit um die Kündigung eines Lehrers wegen seiner | |
Kritik an der [1][Impfpolitik] in Form eines Nazi-Vergleichs hat der | |
Berliner Senat nachgegeben. Die Senatsschulverwaltung und der | |
Berufsschullehrer einigten sich am Montag in zweiter Instanz des | |
Arbeitsgerichts nach längeren Diskussionen und Feilschen auf einen | |
Vergleich. | |
Der 62-jährige Lehrer akzeptiert seine Kündigung „aus betrieblichen | |
Gründen“ bereits zum März 2022 und erhält 50.000 Euro Abfindung. Die | |
Senatsschulverwaltung erklärt, „dass aus heutiger Sicht die Vorwürfe nicht | |
weiter aufrecht erhalten werden“. Weil es inzwischen [2][eine neue | |
Schulsenatorin in Berlin] gibt, hat die Senatsschulverwaltung vier Wochen | |
Zeit für einen möglichen Widerruf des Vergleichs. | |
Der angestellte Lehrer hatte während der Corona-Pandemie ein Video | |
veröffentlicht, in dem das Tor eines Konzentrationslagers mit der Inschrift | |
„Impfung macht frei“ abgebildet war. Es folgte eine Ankündigung von Bayerns | |
Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Impfen ist der Weg zur Freiheit“. … | |
einem anderen Video behauptete der Lehrer, die Corona-Impfpflicht habe | |
schlimmere Folgen als die Regime von Hitler, Stalin und Mao. | |
## Erfolg für Berlin in der ersten Instanz | |
Das Land Berlin kündigte dem Lehrer im August 2021, weil er die Impfpolitik | |
mit dem Nazi-Regime gleichsetze, den Nationalsozialismus verharmlose und | |
die Opfer missachte. Seitdem erhielt der Mann Arbeitslosengeld. In der | |
ersten Instanz bestätigte das Arbeitsgericht im September 2022 die | |
Kündigung. Dagegen klagte der Lehrer. | |
Die Anwältin des Senats betonte in der Verhandlung erneut, der Lehrer habe | |
die staatliche Corona-Politik gleichgesetzt mit Nazis und KZs. Das sei | |
nicht vereinbar mit seinen Dienstpflichten zur Aufklärung der Schüler über | |
Staat und Demokratie. Auch eine Gleichsetzung von Impfungen mit den größten | |
Verbrechen des 20. Jahrhunderts sei schlicht nicht tragbar im Lehrberuf. | |
Der Lehrer und sein Anwalt argumentierten, der Senat habe ein | |
„Berufsverbot“ wegen abweichender politischer Meinung verhängen wollen. Der | |
Ruf des Lehrers in der Öffentlichkeit sei „brutal beschädigt“ worden. Er | |
habe nur die Äußerung Söders kritisieren und mit der Nazi-Polemik | |
vergleichen wollen. Das sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und | |
Kunstfreiheit gedeckt. | |
## „Feinsinnige Sprachkritik“? | |
„Eine Verharmlosung des Nazi-Regimes liegt völlig fern“, sagte der Anwalt. | |
Im Gegenteil gehe es bei dem Vergleich um eine scharfe und „feinsinnige | |
Sprachkritik“ der Söder-Äußerung und der Corona-Politik wegen Angst vor | |
einem autoritären Staat, der die Grundrechte einschränken würde. Weder der | |
Senat noch das Gericht müssten „die politischen Irrtümer eines Lehrers“ | |
oder dessen „Verschwörungstheorien“ beurteilen, sondern feststellen, ob | |
arbeitsrechtliche Verstöße vorliegen würden, sagte der Anwalt. | |
Arbeitsrichter Martin Wenning-Morgenthaler sagte während der Verhandlung, | |
die teilweise von sehr kontroversen Debatten geprägt war, ein mögliches | |
Urteil sei „nicht ganz so einfach“ wie es die erste Instanz entschieden | |
habe. Es gehe um Meinungsfreiheit, Entscheidungen des | |
Bundesverfassungsgerichts und die Frage, ob für Lehrer andere Regeln gelten | |
würden als für andere Menschen. Der Richter befürwortete dann einen | |
Vergleich. | |
## Feilschen um die Abfindung | |
Der Anwalt des Lehrers forderte zunächst eine Kündigung erst zum Jahresende | |
2023 und 45.000 Euro Abfindung. Die Senatsseite startete mit einem Angebot | |
einer deutlich früheren Kündigung und 39.000 Euro. Nach einigem Feilschen | |
und Beratungen trafen sich beide Parteien bei dem vorgezogenen | |
Kündigungstermin 2022 und auf Drängen des Richters bei der höheren | |
Abfindungssumme von 50.000 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes. | |
Zudem soll die Senatsschulverwaltung gegenüber der Staatsanwaltschaft | |
erklären, dass sie kein weiteres Interesse an der Verfolgung einer | |
Strafanzeige gegen den Lehrer wegen Volksverhetzung hat. Dort war schon ein | |
Strafbefehl gegen den Lehrer über 9.000 Euro ergangen, der aber noch nicht | |
rechtskräftig ist. Der Vergleich wird gültig, wenn bis zum 12. Juni kein | |
Widerruf des Senats erfolgt. Andernfalls fällt am 15. Juni das Urteil. | |
15 May 2023 | |
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