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# taz.de -- Abholzung in kurdischen Gebieten: Syrien wieder grüner machen
> Die Initiative „Grüne Zöpfe“ will den Nordosten Syriens aufforsten – …
> Ausgleich für die Bäume, die im türkisch besetzten Ras-Al-Ain abgeholzt
> werden.
Bild: Hitzestress, Abholzung, Krankheiten – Bäume leiden weltweit
Die Schriftstellerin Nariman Evdike hat berufsbedingt eine romantische
Ader. Und weil das so ist, geht sie davon aus, dass alle Frauen eine
besondere Beziehung zur Natur haben: „Frauen und Bäume“, sagt sie, „sind
Seelenverwandte. Sie geben, bringen Opfer und schenken Leben. Ich spüre
diese Verbindung tief in meinem Innersten.“ Vielleicht liegt es auch daran,
dass sie in der Stadt Serêkaniyê, arabisch Ras al-Ain genannt, im Nordosten
Syriens aufgewachsen ist. Wegen ihrer vielen Grünflächen und Bäume nannte
man sie auch so: Die grüne Stadt.
Besonders grün ist Serêkaniyê heute allerdings nicht mehr. Durch den Krieg
in Syrien wurden viele Parks, Wiesen und landwirtschaftliche Anbauflächen
zerstört. Evdike, die nach Qamischli fliehen musste, würde gerne lieber
gestern als heute zurückkehren, um dabei zu helfen, ihre Heimat wieder zu
begrünen. Doch Serêkaniyê ist noch immer von der Türkei besetzt. „Darum
habe ich beschlossen: Für jeden Baum, der dort sterben muss, pflanze ich
Dutzende von Bäumen in anderen Städten.“ Aus ihrer Idee ist mittlerweile
eine kleine Bewegung entstanden. Ihr Name: die Grünen Zöpfe.
Die Idee dahinter: Grünflächen vergrößern und so dem Austrocknen des Bodens
Einhalt gebieten, was auch eine Folge der Klimakrise ist. Der ambitionierte
Plan: vier Millionen Bäumen pflanzen, um der Region ihre grüne Lunge
zurückzugeben.
Der Autor und Regisseur Mehmud Chakmaki ist neben Evdike einer der
Initiierenden der Grünen Zöpfe, die vor zwei Jahren begonnen haben, ihren
Plan in die Tat umzusetzen. „Dank einer breiten Unterstützung durch die
Bevölkerung konnten wir schon viele Baumschulen aufbauen und haben
unzählige Setzlinge verteilt. Außerdem sind unsere Freiwilligen wie ein
fleißiges Bienenvolk in alle Himmelsrichtungen ausgeflogen und helfen uns,
dass Naturschutz hier ein Teil unseres Alltags wird.“
## „Eine Kultur des Lebens“ gegen „eine Kultur des Todes“
Für ihn haben die Grünen Zöpfe auch eine politische Dimension: „Wir müssen
der Kultur des Todes, die mit dem Krieg einhergeht, mit einer Kultur des
Lebens begegnen. So sagen wir den türkischen Besatzern: Für jeden Baum, den
ihr in meiner Heimat ausreißt, pflanzen wir zehn neue – an jedem Ort in
Syrien, den wir mit unseren grünen Händen erreichen können.“
Welche Bäume wo gepflanzt werden, entscheidet der wissenschaftliche Rat des
Projekts in Absprache mit den zuständigen Stellen der Autonomieverwaltung
von Nordostsyrien.
Die Bäume werden gerne im Umfeld von Schulen, Universitäten oder am
Stadtrand gepflanzt, außerdem werden Setzlinge an die Bevölkerung verteilt,
damit diese sie bei sich zu Hause oder auf ihren Feldern anpflanzen können.
Einzige Bedingung ist, dass sie sich um die Pflanzen kümmern müssen. Ein
weiteres Komitee wacht über die Umsetzung des Aufforstungsprojekts und soll
so seinen Erfolg sicherstellen.
Innerhalb von nur zwei Jahren ist so eine – im wörtlichen Sinne –
Graswurzelbewegung entstanden, der sich in vielen Städten und Regionen im
Nordosten Syriens Ehrenamtliche angeschlossen haben. Die Zahlen sprechen
für sich: Bisher wurden 170.000 Setzlinge herangezogen.
## Sie säen Pinien, Kiefern, Aprikosen und Weinstöcke aus
Im vergangenen Jahr wurden 250.000 Pinien ausgesät, aber auch andere
Nadelbäume wie Kiefern und Zypressen, Fächerpalmen, sowie Obstbäume wie
Pfirsich und Aprikose und Weinstöcke. Nachdem sie im Frühling gekeimt sind,
werden die Setzlinge gezählt und – sobald sie ausreichend Wurzelwerk
ausgebildet haben – in Pflanzsäcke umgesetzt.
Sogar aus dem Ausland gibt es dafür mittlerweile Unterstützung. Die
Danielle-Mitterrand-Stiftung hat die Grünen Zöpfe mit 24.000 US-Dollar
unterstützt und die Initiative mit einem Preis ausgezeichnet.
Für Chakmaki ist das erst der Anfang. Setzling für Setzling, Baum für Baum
will er weitermachen, bis das Land wieder so wird, wie es früher einmal
war: grün. „Wenn wir ein gesundes Leben wollen“, sagt er, „brauchen wir
Bäume. Und zwar viele!“
Avin Youssef, Qamischli, Syrien
3 Jul 2023
## AUTOREN
Avin Youssef
## TAGS
Was heißt Klimakrise auf Arabisch?
Dürre
Bäume
Wüste
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