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# taz.de -- Bügelflicken als Mangelware: Hosen sind politisch
> Bei unserer Kolumnistin stapeln sich die Kinderhosen mit Löchern, zum
> Flicken ist kaum Zeit. Und wieso kann man eigentlich nirgends mehr
> Flicken kaufen?
Bild: Für das Kind müssen Hosen nur bequem sein, alles andere ist egal
Ich habe eine Geschäftsidee. Also eigentlich habe ich ständig
Geschäftsideen, aber diese hier lässt mich nicht los: Bügelflicken. Nicht
fancy, mit Klimbim und Stickereien. Stinknormale, aufbügelbare runde
Stoffflicken, um Löcher in [1][Kinderkleidung] zu verdecken. Vielleicht
nicht der hässlichste Stoff, irgendwas Mittelgutes reicht aber. Ich würde
sie stapelweise kaufen.
Denn ein Kind kommt seit etwa einem Jahr jede Woche mit einem neuen Loch in
seiner [2][Hose] an. Immer an den Knien. Ob Sommer oder Winter. Wenn die
Hose lang ist, hat sie – zack – ein Loch. Und ich lege die Hose dann auf
den Stapel zerstörter Hosen, bis er hoch genug ist, um neue Hosen zu
kaufen. Eigentlich will ich sie flicken.
Nur war das Jahr mit [3][Umzug] so chaotisch, dass Hosen zu flicken nie
unter den Top 20 meiner To-do-Liste war. In einer der letzten sechs
Umzugskisten ist mein Nähzeug. Doch ich habe weder Zeit, es zu suchen, noch
Zeit, es zu benutzen – immerhin muss ich hier eine Kolumne schreiben. Also
will ich Bügelflicken kaufen. Und zwar nicht die, die nach Chemie stinken
oder beim Waschen abfallen. Gibt es aber nicht.
Letztens habe ich bei einer Bekleidungskette Flicken gesehen, bestickte
Dinosaurier, zwei Stück. Ich kann die Viecher ja nicht mehr sehen. Ich
finde, dafür, dass sie ausgestorben sind, nehmen sie einen zu großen Platz
in meinem Leben ein. Aber sei’s drum. Ich hatte sie schon in der Hand, als
ich bemerkt habe, dass sie knapp zehn Euro kosten. Zehn! Für zwei! Mein
Kind hat zwei Knie. Und drölfzig kaputte Hosen. Bei der Kette ist eine neue
Kinderhose für weniger zu haben.
## Niemand weiß, woher die Löcher kommen
Ich habe auch versucht zu recherchieren, wie es zu all den Löchern kommt.
Weder konnte mir der Erzieher weiterhelfen bei der Frage, was sie
wochentags zwischen 9 und 15 Uhr Kniebelastendes veranstalten. Noch konnte
mir das Kind Auskunft geben. Wenn ich frage, zieht es ein überraschtes
Gesicht und sagt: „Ein Loch – wo ist ein Loch?“
Für das Kind müssen Hosen nur bequem sein, alles andere ist egal. Aber ich
weiß, was Leute denken, wenn meine Kinder Löcher in den Hosen haben. Sie
sehen mich und sehen nicht die Kolumnistin mit verhinderter Nähmaschine und
vielen Terminen, sondern eine Mutter „mit Migrationshintergrund“, die sich
nicht um ihre Kinder kümmert.
Ja, Hosen sind politisch. Gerade hat die rechtsradikale Wiener FPÖ ein
Jogginghosenverbot in Schulen gefordert. Die Kinder sollten so Respekt
lernen, noch besser durch Schuluniformen. Oft wird argumentiert, man könne
ja auch nicht mit Jogginghose zum Bewerbungsgespräch gehen. Allerdings
schnallen wir Kindern ja auch Schulranzen mit zähnefletschenden Dinos um,
ohne Angst zu haben, dass sie 15 Jahre später so bei einem
Vorstellungsgespräch auftauchen. Schuluniformen sehe ich eher skeptisch.
Wenn sie genderneutral sind und jemand anders die Knie flickt, könnte ich
mich aber dafür erwärmen.
23 May 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Kolumne Kinderspiel
Hausarbeit
FPÖ
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